"Europäischer Gerichtshof: Pinxten droht, europäische Pension zu verlieren", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Ex-Minister Karel Pinxten unter Feuer: Vergnügungsreisen mit europäischem Geld bezahlt", präzisiert Gazet van Antwerpen. "Karel Pinxten, der Förster, der zum Wilderer wurde", titelt De Standaard.
Auch wenn die meisten Titelseiten weiter vom Coronavirus beherrscht werden, gerade auch angesichts des morgen stattfindenden Konzertierungsausschusses, spiegelt sich das nicht in den Leitartikeln wider. Stattdessen wird unter anderem die Betrugsaffäre um Karel Pinxten aufgegriffen. Der bekannte flämische liberale Politiker und Ex-Minister hatte Belgien 2006 bis 2018 beim Europäischen Rechnungshof vertreten.
EU-Funktionäre, die sich vor dem Europäischen Gerichtshof verantworten müssen, sind rar gesät, kommentiert De Standaard. Karel Pinxten ist in diesem Jahrhundert erst der zweite, dem diese zweifelhafte Ehre zuteil wird - und der erste Belgier.
Als Mitglied des Europäischen Rechnungshofs wachte er bis 2018 über die richtige Verwendung zahlloser Milliarden Euro. Jetzt wird er selbst beschuldigt, die Finger in der Kasse gehabt zu haben. Natürlich gilt auch für ihn die Unschuldsvermutung, aber die Geschichte klingt nicht gut.
Wenn ein Förster selbst zum Wilderer wird, dann ist tiefe Scham wohl der einzige passende Ausdruck. Und die Anschuldigungen des Amtes für Betrugsbekämpfung sind nicht ohne. "Systematisch" soll Pinxten Privatangelegenheiten zu Lasten des Steuerzahlers abgerechnet haben. Dass Pinxten schweigt und trotz der Beschuldigungen ein drittes Mandat anstrebte, weist auch nicht auf Einsicht hin.
Nulltoleranz
Wenn mit Steuergeldern private Vergnügen bezahlt werden, dann geht es nicht nur um den finanziellen Schaden, hebt Het Nieuwsblad hervor. Der größte Schaden entsteht bei der Glaubwürdigkeit der Institutionen.
Als Belohnung und Ausklang für eine wenig glanzvolle belgische Polit-Karriere hatte der Ex-CVP und später OpenVLD-Mann Pinxten das Mandat beim Europäischen Rechnungshof bekommen. Monatsgehalt: 17.000 Euro netto - plus Spesen: Nur dass er es eben nicht sehr genau nahm mit der Unterscheidung von privaten und beruflichen Spesen.
Pinxten trieb es dabei so bunt, dass sich das Amt für Betrugsbekämpfung einschaltete. Das Amt hat so eklatante Verfehlungen ans Tageslicht gebracht, dass Pinxten nun ernste Strafen drohen.
Es mag ja stimmen, dass die Regeln für die Spesenabrechnungen strenger formuliert werden müssen. Aber sollte man nicht eigentlich davon ausgehen, dass jemand, der für solche Spitzenposten in Betracht kommt, eigentlich nicht wie ein Kleinkind erklärt bekommen müsste, wann er schamlos auf Kosten des Steuerzahlers profitiert?
Diese Art von Verfahren ist selten. Zu selten wahrscheinlich, findet Het Nieuwsblad. Bei so einem Umgang mit Steuergeldern muss Nulltoleranz gelten.
Gerechtigkeit, nicht Rache
Andere Zeitungen kommentieren den Prozess um die Terroranschläge auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt in Paris im Januar 2015. Dreieinhalb Monate nach seinem Beginn ist der Prozess nun zu Ende und herausgekommen ist ein ausgewogenes Urteil, findet Le Soir: Allein das ist schon eine Leistung.
Was man aber vor allem in Erinnerung behalten wird, sind die Gefühlsäußerungen der Opfer während der Zeugenaussagen. Und auch wenn es nicht die Aufgabe eines Prozesses ist, so hat er ihnen doch die Möglichkeit gegeben, ihren Schmerz auszudrücken.
Das Trauma für ganz Frankreich war enorm, wie auch die Trauer. Der Prozess, dem weitere zu den anderen Anschlägen in Frankreich und Belgien folgen werden, hinterlässt den schalen Beigeschmack, dass die Terroristen und ihre Hauptkomplizen sich nicht mehr verantworten mussten, weil sie entweder tot oder vermutlich tot sind.
Aber der Prozess hat die Kraft und Macht einer demokratischen Antwort auf den Horror des Terrorismus gezeigt. Und auch wenn Frankreich während der letzten Monate erneut vom Terror getroffen wurde, ist es nie von seinem Weg abgewichen: widerliche Verbrechen mit einer gerechten Justiz zu beantworten.
Dem schließt sich auch L'Avenir an: Gerechtigkeit, nicht Rache – darum ging es und das ist erreicht worden. Die hanebüchenen Rechtfertigungen der Verbrecher sind abgeschmettert, unsere Werte bestätigt worden.
Und dieser Prozess hat den Weg vorgezeichnet für die, die noch anstehen. Jedes Mal werden sich auch bei uns die Wunden wieder öffnen. Es wird auch dann wichtig bleiben, dass die Justiz ohne Emotionen ihre Arbeit tut. Und dass sie uns dabei helfen wird, die schmerzhafte Vergangenheit zu bewältigen.
Die Gefahr durch ein "Singapur an der Nordsee"
De Tijd schließlich befasst sich mit dem Brexit. Das belgische Mandat für die Verhandlungen der Europäischen Union mit Großbritannien war deutlich: Um jeden Preis einen auch für Belgien sehr großen finanziellen Schock durch einen harten Brexit verhindern.
Aber das Ganze ist nicht ganz so einfach. Zum einen ist inzwischen die Corona-Krise mit ihren wirtschaftlichen Folgen und staatlichen Hilfsmaßnahmen passiert. Das könnte auch im Fall eines harten Brexits helfen. Zum zweiten gibt es noch ein ganz anderes Albtraum-Szenario: Nämlich, dass Großbritannien die europäischen Auflagen in puncto Umweltschutz und Sozialgesetzgebung unterläuft und trotzdem zollfreien Zugang zum Binnenmarkt behält.
Eine Art Singapur an der Nordsee – und das gerade mal hundert Kilometer von der belgischen Küste. Wir würden den Schock eines harten Brexits gegen eine permanente Benachteiligung eintauschen. Und im Vergleich dazu wäre ein "No deal"-Brexit vielleicht doch das kleinere Übel.
Boris Schmidt