"De Croo kündigt an: Am 5. Januar die ersten Impfstoffe in Belgien", titelt La Dernière Heure. "Hoffnung auf ein normales Leben", so die große Schlagzeile bei Het Laatste Nieuws. "Heute wollen die Gesundheitsminister die Impfstrategie beschließen", ergänzt das GrenzEcho auf Seite eins.
Notieren Sie sich das Datum 5. Januar in Ihrem Terminkalender, schreibt Het Belang van Limburg zur Ankündigung des Premierministers. Die Impfung wird kostenlos und freiwillig sein. Wie sie allerdings konkret ablaufen soll, dahinter steht noch ein großes Fragezeichen.
In der interministeriellen Konferenz Volksgesundheit sind die acht Gesundheitsminister, der Corona-Kommissar und der Chef der Taskforce "Impfung" am Mittwoch ohne Beschluss auseinandergegangen. Am Donnerstag soll weiterberaten werden. Drei zentrale Punkte stehen auf der Agenda: Erstens die Impfreihenfolge. Zweitens: Hat Belgien genügend Impfstoff bestellt? Drittens: Wie und wo sollen die Impfungen durchgeführt werden.
Die Frage, die sich danach noch stellen wird, ist aber, ob Belgien tatsächlich den 5. Januar schaffen wird. Während beispielsweise in Deutschland so gut wie alles bereitsteht und Großbritannien kommende Woche beginnen will, befindet sich Belgien noch in der Sitzungsphase.
Wo ist der "Masterplan"?
Es herrscht eine nicht ganz unnachvollziehbare Skepsis, ob dieses Land mit seiner Vielzahl an Gesundheitsministern und seiner komplizierten Struktur tatsächlich eine schnelle und massive Impfkampagne hinbekommen wird, meint auch Het Nieuwsblad. Das bisherige Krisenmanagement macht da nicht unbedingt Hoffnung.
Eigentlich hätte das Datum für die ersten Impfungen das letzte Detail bei der Vorstellung eines "Masterplans", eines Generalplans, sein sollen, der neben einer minutiösen Auslegung des logistischen Ablaufs auch die Priorisierung enthalten hätte. Nur mit so einem "Masterplan" kann man das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen.
Vertrauen und Kommunikation
"Vertrauen" ist auch das zentrale Thema des Leitartikels von De Tijd. Die Impfkampagne wird die große Herausforderung des Jahres 2021 für die föderale Regierung werden. Neben der Logistik muss das Hauptaugenmerk aber etwas ganz anderem gelten: Genügend Belgier überzeugen, sich impfen zu lassen.
Das Coronavirus werden wir nämlich nur unter Kontrolle bekommen, wenn sich 70 bis 80 Prozent der Menschen impfen lassen. Und dafür braucht es vor allem Vertrauen. Nur leben wir mittlerweile in einer Zeit mit sehr viel Misstrauen. Misstrauen gegenüber den Behörden, den Medien, gegen alles, was irgendwie nach "Elite" klingt. Und auch Misstrauen gegenüber der Wissenschaft.
Die Bewegung der Impfgegner ist so alt wie die Entdeckung des Prinzips der Impfung. Aber im aktuellen Corona-Kontext droht der Preis dieses unbegründeten Widerstands gegen Impfungen für die Gesellschaft riesig zu werden. Um ihn zu überwinden, müssen Lehren aus vergangenen Fiaskos gezogen und angewandt werden. Gerade, was die Kommunikation angeht.
Berechtigte gesundheitliche Fragen über die Impfstoffe müssen beantwortet werden. Und man muss die Menschen wie Erwachsene und nicht wie Kinder behandeln.
Für L'Echo ist das Ganze ebenfalls eine "Kommunikationsschlacht." Trotz einer so dramatischen Lage, dass es bei manchen Jahre dauern wird, bis sie sich davon erholt haben werden, misstraut ein Teil der Bürger den Impfstoffen. Und das, obwohl sie den einzigen glaubwürdigen Ausweg aus dieser Krise darstellen. Zumindest wenn wir eine noch autoritärere Vorgehensweise ausschließen, die die Menschen wohl noch weniger akzeptieren würden.
Die Impfgegner-Bewegung war latent schon vorhanden. Aber sie hat Aufwind erhalten durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien, einem zunehmenden Misstrauen gegenüber Autoritäten und Angst vor neuen Fortschritten, einer Technophobie.
Um diese Menschen zu überzeugen, muss man ihnen erklären, dass die Sicherheitsregeln eingehalten worden sind, dass Vorkenntnisse über verwandte Viren in die Forschung eingeflossen sind und dass der schnelle Fortschritt durch einen finanziellen, personellen und wissenschaftlichen Aufwand ermöglicht worden ist, den man mit der Mondlandung oder der Entwicklung der Atombombe vergleichen kann.
Legitimer Widerstand oder verpflichtende Vorbildfunktion?
Das GrenzEcho greift in seinem Kommentar eine Kontroverse um den Gesundheitsminister der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Antonios Antoniadis, auf. Der hatte in den Sozialen Medien die Corona-Regelungen für die Festtage als zu hart bezeichnet und angekündigt, nicht dazu aufrufen zu wollen, sich an diese zu halten.
Natürlich muss man erwarten können, dass insbesondere jene, die eine Entscheidung zu treffen haben, ihre Bedenken vor der finalen Entscheidung vorbringen, so das GrenzEcho. Und anschließend als Demokraten zu der gemeinsam getroffenen Entscheidung stehen. Aber es sollte jedem mündigen Bürger freistehen, die Risiken abzuwägen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Die vom Konzertierungsausschuss vorgegebene Ein-Externer-Regel ist unmenschlich. Unverständnis und selbst Widerstand nach gängigem Rechtsverständnis sind somit legitim, auch vonseiten eines Ministers.
Das sieht La Dernière Heure am Beispiel des Bürgermeisters von Hamoir ganz anders. Der hatte angekündigt, so mit seiner Familie zu feiern, wie es ihm richtig erscheine. Das ist ein schlechtes Signal, das der Bürgermeister hier aussendet, nämlich eines zum zivilen Ungehorsam. Ganz abgesehen davon, dass es nicht einer gewissen Schizophrenie entbehrt, ist der Bürgermeister doch gleichzeitig Chef der lokalen Polizei, die die Lockdown-Regeln durchsetzen muss.
Ja, die Vorgaben des Konzertierungsausschusses sind unmenschlich und psychologisch verheerend. Aber die Aufgabe von Führungspersönlichkeiten ist nicht, sich über das Gesetz zu stellen, sondern, mit gutem Beispiel voranzugehen. Und zwar egal, auf welcher Machtebene.
Boris Schmidt