"Ein neuer Lockdown ist unvermeidlich", titeln De Standaard, Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg. "Lockdown, was sonst?", schreibt auch das GrenzEcho. Für De Morgen besteht überhaupt kein Zweifel: "Belgien bereitet sich vor auf einen zweiten Lockdown", schreibt das Blatt. "Belgien wird weiter dichtgemacht", meint auch De Tijd.
Heute kommt erneut der Konzertierungsausschuss zusammen. Darin vertreten sind ja alle Regierungen des Landes. Und es wird erwartet, dass dabei die Corona-Einschränkungen drastisch verschärft werden. Frage ist nur noch: wie genau. "Inwieweit wird der Semi-Lockdown heute verschärft?", fragt sich L'Echo. Einige Zeitungen spekulieren schon über mögliche konkrete Maßnahmen: "Die Grenzen werden dichtgemacht; Berufe mit zwischenmenschlichem Kontakt werden verboten", glaubt Het Laatste Nieuws. Und es werden wahrscheinlich auch neue Ausgangsbeschränkungen verhängt. Das zumindest meint Het Nieuwsblad: "Entweder, man wird ein Formular ausfüllen müssen; oder, man darf nicht weiter als zehn Kilometer von zu Hause weg".
"Wir haben keine Wahl mehr"
Was einen Lockdown so unausweichlich macht, das ist vor allem die Situation in den Krankenhäusern. "Noch eine Woche und hier bricht alles zusammen", zitiert Het Laatste Nieuws einen viel gehörten Satz in den Krankenhäusern des Landes.
"Wir haben keine Wahl mehr", meint Het Laatste Nieuws auch in seinem Leitartikel. Man weiß, dass die Situation dramatisch ist, wenn ein – noch dazu als nüchtern bekannter – Gesundheitsminister mit den Tränen ringt; die Rede ist von Frank Vandenbroucke nach einem Besuch in den Lütticher Krankenhäusern. Das Schlimme ist: In den nächsten Wochen ist keine Besserung in Sicht. Dafür liegt die Zahl der Neuinfektionen derzeit noch zu hoch. In einem solchen Moment kann man nicht mehr diskutieren, etwa darüber, ob Nagelstudios nicht doch offenbleiben können. Diesen Luxus haben wir nicht mehr. Hoffentlich zweifelt die Regierung nicht mehr an dem, was unvermeidlich geworden ist: einem Lockdown.
Hoffen auf Einschränkungen
"Lockdown! Jetzt!", fordert auch Het Belang van Limburg. Die Krankenhäuser flehen geradezu um strengere Maßnahmen. Wer sich gegen den Lockdown entscheide, der entscheide sich für den Tod, heißt es da. Der Konzertierungsausschuss dürfte auch nicht lange dauern. Denn, immerhin scheinen die gemeinschaftspolitischen Wogen wieder geglättet zu sein. Vielleicht hat ja sogar die N-VA inzwischen verstanden, dass das Match "Flandern gegen die Wallonie" im Moment besser ohne Publikum gespielt wird. Denn: Auch in Flandern werden die Krankenhausbetten nicht reichen. Zum Glück können wir auf die Hilfe aus Deutschland zählen!
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir schon ab diesem Wochenende wieder mit Einschränkungen leben müssen. Aber, eigentlich müssen wir beinahe darauf hoffen, meint Gazet van Antwerpen. Sollten die Regierungen des Landes nicht entschlossen durchgreifen, dann würde das Krankenhauspersonal wohl endgültig den Glauben an die Politik verlieren; und Belgien würde zudem europaweites Kopfschütteln ernten. Dass wir zum zweiten Mal in diesem Elend gelandet sind, das hat wohl damit zu tun, dass wir nach dem ersten Lockdown zu schnell wieder zur Tagesordnung übergangen sind. Und, dass wir nicht auf die Virologen gehört haben. Wir sind sehenden Auges in diese zweite Welle gelaufen. Diese Fehler dürfen wir nicht noch einmal machen!
"Tous ensemble"
Es ist eigentlich unerheblich, wie der neue Lockdown nun im Einzelnen aussehen wird, glaubt Het Nieuwsblad. Soziale Kontakte müssen auf ein Mindestmaß zurückgefahren werden. Was aber noch wichtiger ist: Man muss endlich die anpacken, die seit Monaten – aus reinem Egoismus – die Regeln in den Wind schießen. Für diese Leute müssen die Hintertüren geschlossen werden; ihnen muss die Möglichkeit genommen werden, die Regeln zu umschiffen. Denn diese Menschen tragen eine schwere Verantwortung. Nur sind sie entweder zu dumm oder zu bockig, das einzusehen.
Jetzt erwarten uns aber erstmal stille Tage und stille Nächte, meint nachdenklich De Standaard. Wir können die Zeit leider nicht zurückdrehen; und jetzt blicken wir erstmal in eine grimmige Zukunft. Gleich, wie die Maßnahmen aussehen werden, es muss uns klar sein, dass wir damit leben müssen bis 2021. Weihnachten kündigt sich trüb und einsam an. Die psychologischen Folgen werden bleischwer. Hier gilt nur eins: Tous ensemble; alle zusammen!
"Nous sommes tous des Européens"
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute aber auch mit dem jüngsten islamistischen Terroranschlag in Frankreich. In Nizza hat ein Angreifer in der örtlichen Kathedrale drei Menschen getötet. "Der Terror trifft Frankreich erneut ins Herz", schreibt De Standaard. "Frankreich ruft Terrorwarnstufe aus", titelt Le Soir.
"Der Gipfel der Abscheu", schreibt entsetzt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Ein feiger Akt! Niederträchtig, entsetzlich, abstoßend! Ehrerbietungen, Trauerfeiern, Worte, Kerzen: All das ist nicht mehr genug. Wir müssen jetzt zusammenstehen und alle gemeinsam, mit allen politischen und rechtlichen Mitteln unsere Freiheiten und Werte verteidigen.
"Nous sommes tous des Européens", meint die flämische Zeitung De Morgen demonstrativ auf Französisch. Die islamistischen Fanatiker attackieren unser aller Freiheiten und Grundwerte. Getrieben werden sie durch fundamentalistische Ideologien, unter anderem den Wahabismus in Saudi-Arabien. Europa kann nicht mehr anders: Man muss das auf dem diplomatischen Parkett ankarten. Und wir müssen auch unsere wirtschaftlichen Hebel nutzen. Angefangen damit, dass man Waffenexporte in autoritäre Länder, die Hassprediger tolerieren, unterbindet.
Die Grenzen einer offenen Gesellschaft
"Europa muss sich ganz hinter Frankreich stellen", meint das GrenzEcho. Das gilt auch im Zusammenhang mit den jüngsten Hasstiraden des türkischen Präsidenten Erdogan. Denn hier werden europäische, gar globale Werte angegriffen. Man würde sich wünschen, dass die Unterstützung für Frankreich diesmal bedingungslos von allen mitgetragen wird; auch von Deutschland. Rücksichtnahme vor Erdogan und den deutsch-türkischen Beziehungen sind im Moment völlig unangebracht.
Erdogan schürt das Feuer des Hasses, meint auch L'Echo. Das dient allein den geopolitischen Ambitionen des türkischen Präsidenten. Manche werfen dem französischen Staatschef Emmanuel Macron vor, dass er zu weit gegangen sei, als er feierlich erklärte, dass sein Land nie Karikaturen unterbinden würde. Dabei war es richtig, die Grenzen aufzuzeigen. Die Grenzen einer laizistischen, offenen Gesellschaft, die zu ihren Werten steht. Religiöser Fanatismus darf in unseren Gesellschaften keinen Platz haben; Terrorismus darf nicht am Ende noch von Erfolg gekrönt sein...
Roger Pint