"Verschärfungen sind nicht mehr aufzuhalten", titelt Het Belang van Limburg. In Flandern kommt der Amateurfußball zum Erliegen. Und auch die Französische Gemeinschaft hat Maßnahmen ergriffen. "Der Amateur-Fußball und die Saalsportarten werden gestoppt", schreibt L'Avenir auf Seite eins. "Kontaktsportarten und der Amateurfußball sind für drei Wochen ausgesetzt", präzisiert La Libre Belgique. "Fußball ist für die Jugendlichen weiter erlaubt", notiert ihrerseits La Dernière Heure.
Nachdem die Gemeinschaften jetzt also schon einige Schrauben angezogen haben, könnten am Freitag neue nationale Maßnahmen folgen. Dann werden ja erneut die Regierungen des Landes im Rahmen eines Konzertierungsausschusses über die Lage beraten. Die Zeitungen gehen davon aus, dass man sich dabei auf neue Regel verständigen dürfte.
"Rückfall"
La Dernière Heure hat ein übles Déjà-Vu. Man fühlt sich an den Verlauf einer schweren Krankheit erinnert. Die Diagnose ist erstmal ein Schock. Dann beginnt die Therapie zu wirken, die Hoffnung wächst, und irgendwann glaubt man, über dem Berg zu sein. Es kann aber vorkommen, dass eine Nachuntersuchung dann doch plötzlich wieder Symptome ans Licht bringt: Ein Rückfall! Und der Kampf beginnt von vorn. Genau das erleben wir jetzt mit der Corona-Krise.
Im Mai dachten viele noch, dass wieder alles gut sei. Und jetzt, fünf Monate später, droht uns im schlimmsten Fall der zweite Lockdown. Allerheiligen kündigt sich in diesem Jahr besonders trüb und grau an.
"Zehn Tage können so schrecklich lang sein", meint Het Laatste Nieuws. Man stelle sich vor: Die einzige Pille, die ein Arzt einem Patienten verschreiben kann, diese Pille wirkt erst nach zehn Tagen. Und in dieser Zeit steigt das Fieber noch immer weiter und auch die Familie wird krank. Und das einzige, was man machen kann, das ist darauf zu hoffen, dass besagte Pille tatsächlich nach zehn Tagen wirkt. Genau in dieser Situation befinden wir uns gerade.
Die Regierungen des Landes haben am Dienstag vergangener Woche neue Maßnahmen beschlossen. Ob diese Wirkung zeigen werden oder nicht, das wissen wir frühestens in der kommenden Woche. Sollte sich die Lage nicht verbessern, dann müssen wir den echten Experten vertrauen. Wenn sie einstimmig für schärfere Maßnahmen plädieren, dann sind wir gut beraten, die auch zu beschließen...
Ein schmaler Grat in einer gespaltenen Gesellschaft
Die Regierung De Croo bewegt sich auf einem schmalen Grat, kann auch Het Nieuwsblad nur feststellen. Die Grenze zwischen "zu drastisch" und "zu lax" ist quasi fließend. Fakt ist leider, dass das Virus noch viel zu viel Freiraum bekommt. Die Regierung argumentiert, dass man erst schauen müsse, ob die Maßnahmen der vergangenen Woche Wirkung zeigen.
Doch haben wir diese Zeit? Es sieht so aus, als wären neue Verschärfungen nicht mehr zu vermeiden. Regional und lokal wird schon reagiert. Wenn wir nicht aufpassen, dann landen wir schnell in einer Situation, in der man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht.
L'Avenir warnt vor einer zunehmenden Spaltung der Bevölkerung. Wir sehen hier inzwischen zwei Lager. Auf der einen Seite die Besorgten, auf der anderen Seite diejenigen, die das Ganze als Panikmache empfinden. In Sozialen Netzwerken und in Fernsehstudios stehen sich diese beiden Lager unversöhnlich gegenüber.
Die einen sind "Diktatoren oder Schafe", die anderen sind "rücksichtslose Egoisten ohne Bürgersinn oder Mitgefühl". Das geht so weit, dass inzwischen die Hälfte der Frankophonen glaubt, dass die Regierung ihnen "etwas verschweigt"; weswegen sie von der anderen Hälfte der Bevölkerung den Stempel "Verschwörungstheoretiker" verpasst bekommt. Diese Polarisierung wird Spuren hinterlassen, auch unsere Gesellschaft ist krank geworden...
Es wird erwartet, dass die Regierungen des Landes am Freitag auch das lang erwartete Barometer aufs Gleis setzen werden. Das wäre also eine Farbskala, die über das Infektionsgeschehen Auskunft geben und zugleich entsprechende Maßnahmen vorsehen würde. "Code Orange oder Code Rot, das ist die Frage", meint denn auch Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Gemeint ist mit dieser Schlagzeile die Diskussion über die Frage, welche Gebietseinheit man zum Maßstab erheben will. Macht man die Provinz zur Grundeinheit, dann wäre Flandern orange, während Brüssel und die Wallonie wohl fast durchgehend rot wären. Da gibt es nur ein Problem, meint das Blatt: Dann riskiert man, dass zum Beispiel die Brüsseler nach Flandern kommen, weil dort mehr erlaubt wäre...
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen unter Beobachtung
Einige Zeitungen blicken in der Zwischenzeit mit Sorge auf die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Immer mehr Menschen müssen sich wieder wegen einer Covid-Erkrankung in stationäre Behandlung begeben. Und das schafft einen Flaschenhals, warnt La Libre Belgique.
Ab Mittwoch gilt landesweit Phase 1a in den Krankenhäusern. Das heißt: Ein Viertel der Betten muss für Covid-Patienten freigehalten werden. De facto sind einige Hospitäler aber schon in Phase 1b, weil die Betten schon belegt sind. Das wird zwangsläufig dazu führen, dass wieder einige Eingriffe oder Behandlungen zurückgestellt werden müssen. Das Coronavirus beginnt wieder, den Krankenhäusern den Hals zuzuschnüren...
Le Soir denkt vor allem an die Alten- und Pflegeheime. In Brüssel gehen die Infektionszahlen in diesen Einrichtungen schon wieder steil nach oben; in der Wallonie ist die Lage nicht viel besser. Im Gegensatz zur Situation im März-April wird jetzt immerhin konsequent getestet. Doch die Frage ist die gleiche wie vor acht Monaten: Wie können wir unsere Senioren vor diesem teuflischen Virus schützen?
Denn, wenn man ehrlich ist: Es gibt keine Garantie, dass die Bewohner der Alten- und Pflegeheime diesmal besser aufgehoben sind. Die Sorgen und die Angst werden jedenfalls mit jedem Tag spürbarer. Angst vor allem davor, wieder von seiner Familie abgekapselt zu werden. Auch deswegen muss ein neuer Lockdown mit allen Mitteln verhindert werden...
Roger Pint