"Regierungsbildung: Gespräche stecken fest – Welcher Ausweg bleibt König Philippe noch?", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Die belgische Politik in der Sackgasse", titelt Le Soir. Und für Het Belang van Limburg kann man die Situation wie folgt zusammenfassen: "Kann der König lila-gelb reanimieren, oder wird es lila-grün?"
Am späten Vormittag werden die Vorregierungsbildner Bart De Wever und Paul Magnette im Palast erwartet. Es gilt als wahrscheinlich, dass sie König Philippe darum bitten werden, von ihrer Mission entbunden zu werden. Zumindest hatten De Wever und Magnette das am Freitag ziemlich deutlich verlauten lassen, nachdem die Grünen und Liberalen ihren Avancen eine kalte Dusche verpasst hatten.
Was nun?, fragt das GrenzEcho in seinem Leitartikel. Zwar haben Magnette und De Wever ihren königlichen Auftrag zur Vorbereitung einer Regierungsmehrheit noch nicht an König Philippe zurückgegeben – doch selbst bei einer Nicht-Annahme dieser Rückgabe bliebe ihnen so wenig Autorität, dass aus dem Vorhaben wohl nie mehr etwas werden würde. An sich kein Problem, hätte man nicht schon längst sämtliche Alternativen durchgespielt. Festgefahren: Anders kann man die Situation nicht mehr bezeichnen.
Dabei wäre eine handlungsfähige Regierung notwendiger denn je: Während unsere Nachbarn im Norden und im Osten auf Reserven aus den fetten Jahren zurückgreifen konnten, hat Belgien in der Krise von der Hand in den Mund gelebt. Sollte nicht bald eine Regierung stehen, behielte Bart De Wever mit seinem zynischen Spiel Recht: Die föderalen Parteien hätten einmal mehr bewiesen, dass nichts mehr geht im Lande Belgien, fürchtet das GrenzEcho.
Regieren? Nebensache
Die Frage ist, ob De Wever und Magnette ihre Drohung, hinzuwerfen, ernst meinen, kommentiert Het Belang van Limburg. Sie selbst sagen: Ja! Aber vielleicht kann der König sie noch umstimmen. Fakt ist, dass die Vorsitzenden von PS und N-VA keinen Ausweg sehen. Und doch scheint es seltsam, dass die beiden größten Parteien des Landes gerade einmal einen Monat, nachdem sie sich – wohl gemerkt nicht aus Liebe, sondern aus kühler Berechnung – gefunden hatten, die Flinte ins Korn werfen wollen. Das kann natürlich alles nur Show sein. Aber ihre Wut wirkt echt. Dass es da noch ein Land zu regieren gäbe, scheint für die meisten in der Rue de la Loi zur Nebensache geworden zu sein, giftet Het Belang van Limburg.
Ist dieses Szenario das, wovon einige flämische Nationalisten vor einem Jahr geträumt haben?, überlegt Gazet van Antwerpen. Eine Implosion des politischen Systems, die unweigerlich zu einer weiteren Zersplitterung des Landes führt? Wahrscheinlich nicht. Ja, es ist im Überfluss gezeigt worden, dass das mit dieser Konstellation von Parteien in diesem Land nicht funktioniert. Aber es gibt keinen Neubeginn, keinen konföderalen Staat am Horizont. Mit Regionen, die das Heft resolut in die Hand nehmen würden. Es gibt nur eine geschäftsführende Minderheitsregierung, die unser Land so gut es eben geht durch eine noch nie dagewesene Krise führen muss, analysiert Gazet van Antwerpen.
La Libre Belgique listet die Probleme und Herausforderungen auf, denen Belgien gegenübersteht: ein mögliches Haushaltsdefizit von 60 bis 70 Milliarden Euro dieses Jahr, das Wiederaufflammen der Corona-Krise und ihre noch immer problematische Handhabung, hinzu kommen dann noch die sozio-ökonomischen Folgen der Gesundheitskrise. Und da haben wir noch nicht über die Energiepolitik, den Klimawandel und die Vergreisung der Bevölkerung gesprochen. All das hat bislang nicht gereicht, um unsere Politiker von der Notwendigkeit eines Regierungsabkommens zu überzeugen, kritisiert La Libre Belgique.
"Die letzte Mission"
Es ist "die letzte Mission", hält Het Nieuwsblad fest. Das ist ein Zitat des OpenVLD-Vorsitzenden Egbert Lachaert. Der sagt nämlich, dass Premierministerin Sophie Wilmès am 17. September, also in genau einem Monat, in der Kammer nicht noch einmal das Vertrauen erhalten wird. Eigentlich sind die Erwartungen an eine föderale Regierung inzwischen schon sehr weit zurückgeschraubt worden. Sowohl Paul Magnette als auch Egbert Lachaert hatten ja schon gesagt, dass eine mögliche Koalition sich nur auf die Eindämmung der Corona-Krise zu konzentrieren braucht. Vielleicht wird der König noch einmal alle Parteivorsitzenden einladen müssen. In der Hoffnung, dass einer oder zwei den Stab übernehmen und endlich Erfolg dabei haben könnten, die Meinungsverschiedenheiten und persönlichen Vorbehalte zu überbrücken. Wir haben vergangenes Jahr schon viel kostbare Zeit verloren. Die Vorsitzenden sollten also besser ihre jeweiligen wahlpolitischen Kalküle beiseiteschieben, um dafür zu sorgen, dass "die letzte Mission" zu einer erfolgreichen wird, fordert Het Nieuwsblad.
"Eine graue Eminenz“?
Für L'Avenir ist klar, dass trotz der Blockade eine politische Kombination unbedingt gefunden werden muss. Und der König wird in den nächsten Stunden einmal mehr vor dem Problem stehen, sich eine neue Mission einfallen lassen zu müssen. Aber das Profil des oder der nächsten Beauftragten bleibt ungewiss. Soll es ein Liberaler werden? Oder ein Grüner? Oder jemand anders? Der Chef des belgischen Unternehmerverbands Pieter Timmermans hatte ja die Idee einer "grauen Eminenz" ohne eigene politische Ambitionen ins Spiel gebracht, um das Minenfeld zu entschärfen. Ja, sicher, diesbezüglich wären zunächst einige Fragen zu klären. Aber braucht Belgien prinzipiell nicht wirklich ganz dringend einen Vermittler?, gibt L'Avenir zu bedenken.
Boris Schmidt