Corona, Corona, Corona. Auf den Titelseiten und in den Leitartikeln gibt es nach wie vor nur das eine Thema. Immerhin schauen die Zeitungen aus verschiedenen Blickwinkeln auf die Krise.
Die Corona-Pandemie birgt das Risiko einer globalen Rezession mit massenhaften Firmeninsolvenzen, analysiert L’Echo. Für den Moment reagieren die EU-Staaten darauf mit Milliarden-Spritzen für ihre Volkswirtschaften. Wenn es dann irgendwann wieder um den Aufbau unserer Wirtschaft geht, müssen wir allerdings umsatteln. Zur Debatte steht etwa ein europäischer Rettungsfonds in Höhe von 410 Milliarden Euro. Es gibt auch diese Idee der "Coronabonds", wodurch bestimmte Staatsschulden der EU-Länder vereinheitlicht würden, um den Druck auf die schwächsten, allen voran Italien, zu verringern. Aber was wir vor allem brauchen werden ist ein Traum, eine Botschaft für eine traumatisierte Bevölkerung. Deshalb der Aufruf: Liebe Entscheidungsträger, Unternehmer und Bürger, lasst uns schon jetzt die Ärmel hochkrempeln und die Ideen-Fabrik anwerfen. Damit die Investitionen und Entscheidungen von morgen uns wieder von einer rosigen Zukunft träumen lassen, fordert L’Echo.
Veränderungen
Was kommt nach Corona?, fragt sich Het Laatste Nieuws. Wird alles wieder wie früher? Oder bleibt nichts wie es war? Und was wäre besser: dass alles wieder in vertrauten Bahnen verläuft oder dass wir nicht vergessen, was die Krise uns lehrt, quasi Glück im Unglück? Die Fragen sind zahlreich und die einzige mögliche Antwort ist, dass wir es bisher nicht wissen. Wir leben in einer unvorhersehbaren Welt. Bisher sieht es eher so aus, als ob die negativen Folgen von Corona anhaltender sein werden, als die Lehren, die wir daraus ziehen. Und all die neuen Einsichten werden es schwer haben gegen den Druck der Routine, des Alltags und den Zwang des Marktes und unserer Gewinnsucht. Aber lasst uns nicht pessimistisch sein und hoffen, dass die Corona-Krise ein Wendepunkt sein wird und dass wir stärker, gesünder und glücklicher daraus hervorgehen, meint Het Laatste Nieuws.
Die Ausgangssperre verändert für viele von uns die Vorstellung von Zeit, konstatiert La Libre Belgique. Es ist nicht einfach, vom Burn-Out in die Zwangspause überzugehen. Lasst uns diese Gelegenheit nutzen und wieder die Kontrolle über unser Leben zurückgewinnen, damit unser Alltag nicht mehr eine Aneinanderreihung von Zwängen, sondern von bewussten Entscheidungen ist. Auch unser Verhältnis zur Natur verändert sich in diesen Tagen. Die Bewohner von Peking haben wiederentdeckt, was sie nicht mehr kannten: einen blauen Himmel. Die Delphine kehren derzeit in die Häfen Italiens zurück. Das Wasser in den Kanälen von Venedig ist plötzlich klar. Schauen wir uns auch diese neu entdeckte Solidarität untereinander an. Zum Beispiel in den sozialen Netzwerken, die vorher zu oft voller Hass waren. Plötzlich grüßen wir unsere Nachbarn, die wir vorher gar nicht kannten. Und schauen wir uns diese Premierministerin an, die ganz diskret gerade ihre menschliche und doch entschlossene Persönlichkeit und gesunde Autorität unter Beweis stellt, schreibt La Libre Belgique.
Prioritäten
Auch Le Soir spart nicht an Lob für die Regierung Wilmès: In Theorie ist das Team mehrheitlich liberal, aber in diesen Zeiten der Krise stehen die Politiker über derlei Kategorisierungen. Die Regierung hat eine einzige Priorität: Möglichst viele Belgier am Leben zu halten. Die Maßnahmen dazu - von der verhängten Ausgangssperre bis hin zu Grenzschließungen -dienen diesem Zweck. Die Regierung hat sich Vertrauen erarbeitet. Und auch was die Wirtschaft angeht, ist sie auf dem richtigen Weg. Selbst die Gewerkschaften befanden gestern, dass die angekündigten zehn Milliarden Euro an die Richtigen fließen. Auch die Nationalbank wird ihrer Verantwortung in diesem Zusammenhang gerecht. Am spektakulärsten war vielleicht die 180-Grad-Wende der EU-Kommission. Die hatte am Freitag angekündigt, mit dem Stabilitätspakt brechen zu wollen. Der schreibt den EU-Ländern ja einen strikten Sparkurs vor und war in der Vergangenheit häufig Gegenstand von Kritik, besonders aus südlichen Ländern. Derzeit werden alle Tabus einem einzigen Ziel geopfert: so viele Menschen wie möglich zu retten, schreibt Le Soir.
Natürlich wird der Tag kommen, an dem wir die Kosten der Krisenbewältigung beziffern und die Rechnung irgendwie begleichen müssen, prognostiziert L’Avenir. Aber das hat heute, wo wir noch nicht einmal das ganze Ausmaß der Krise erkennen können, noch keine Priorität. Sicher ist allerdings, dass das Vermögen der Bevölkerung, die strengen Regeln zu beachten, sich auf die Höhe der Rechnung auswirken wird. Unser Verhalten wirkt sich natürlich auch direkt auf die Zahl der Opfer des Virus aus, aber das hat wohl mittlerweile jeder verstanden, mahnt L’Avenir.
Belgien vorbildlich
Unsere Nachbarländer sind wirklich keine guten Vorbilder in der Krise, stellt Het Nieuwsblad fest. Die Niederlande reagierten lax und spät. Deutschland hat noch immer keine Form von Ausgangssperre verhängt. Und in Großbritannien herrscht einfach Chaos. Belgien ist in Europa tatsächlich vorbildlich beim Kampf gegen das Coronavirus. Hier wird entschlossen daran gearbeitet, die Ausbreitung unter Kontrolle zu bringen.
Und doch bleiben wir dabei tief menschlich. Die großen Krankenhäuser haben Regeln aufgestellt, um denen, die die Krankheit nicht überleben, einen letzten Gruß zu übermitteln. Und auch an die Hinterbliebenen wird gedacht. Das gibt das Gefühl, dass wir mit der Situation klarkommen - wenn sich alle an die Regeln halten, mahnt auch Het Nieuwsblad.
Peter Eßer