"Belgien in Quarantäne", schreibt L'Avenir. "Ein Land im Stillstand", so De Morgen. Und De Standaard titelt: "Historisch: Belgien schließt Schulen, Bars und Restaurants".
Ausnahmslos alle belgischen Zeitungen kommentieren die neuen Maßnahmen des Nationalen Sicherheitsrates zur Bekämpfung des Coronavirus. Het Nieuwsblad stellt fest, dass die Maßnahmen nötig waren. Wir schienen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Manche Schulen schlossen, andere blieben offen. Die einen Demonstrationen wurden abgesagt, andere fanden statt. Bürgermeister fingen an, sich gegenseitig darin zu überbieten, wie streng sie durchgriffen. Andere ließen die Zügel schleifen. Es war Zeit, dem ein Ende zu bereiten, denn vom Chaos wird nichts besser. Nur das Virus profitiert davon.
La Libre Belgique sieht das ähnlich: Es wurde Zeit, dass strikte Anweisungen beschlossen wurden, die klar und präzise in ganz Belgien angewendet werden müssen. Die Behörden hatten keine Wahl mehr. Nach den schwammigen Maßnahmen, die uns vor zwei Tagen nahegelegt worden waren, hatten sich die Gesundheitsexperten der Sache angenommen und den Behörden wärmstens empfohlen, die nächste Phase einzuläuten, um ein Szenario wie in Italien auf jeden Fall zu vermeiden – ein Land, in dem das Gesundheitswesen überfordert ist.
Wir leben glücklicherweise in einem Staat, der über ein sehr leistungsfähiges Gesundheitssystem verfügt. Damit es aber effektiv ist, muss das Krisenmanagement raus aus der Kakophonie und müssen die Behörden unter ein einheitliches Kommando gestellt werden. Man muss hier noch unterstreichen, mit welcher Ruhe, welchem Mut und welcher Entschlossenheit Premierministerin Sophie Wilmès eine außergewöhnlich schwierige und delikate Aufgabe meistert.
Better safe than sorry
Auch De Morgen reiht sich hier ein: Was dieses Land braucht, ist Ruhe und vor allem eine klare Linie, an die sich jeder halten muss. Wir stehen vor einer schweren Aufgabe und müssen dafür sorgen, dass unser Gesundheitssystem nicht implodiert. Gibt es zu viele Kranke gleichzeitig, dann schaffen unsere Krankenhäuser das nicht mehr. Dann können schwer kranke Menschen nicht mehr versorgt werden und kann die Zahl der Todesfälle in die Höhe schießen.
De Standaard glaubt, wenn es um die Volksgesundheit geht, um Leben oder Tod, können die Maßnahmen nicht streng genug sein. Das Vorsorgeprinzip bekommt Vorrang. Better safe than sorry, Vorsicht ist besser als Nachsicht. Es werden Maßnahmen auf uns zukommen, die enorme Folgen haben können für das Zusammenleben und die Wirtschaft. Eine der interessantesten Lektionen, die die Coronakrise uns lehrt, ist, dass energische und zielgerichtete Maßnahmen eigentlich gar nicht so schwierig sind – selbst, wenn sie enorme Auswirkungen haben.
Es reicht, wenn Leben auf dem Spiel stehen. Die große Frage ist, warum uns das gelingt, wenn Leben durch ein Virus bedroht werden – und nicht, wenn es um Todesfälle beispielsweise im Straßenverkehr geht. Dieselbe Frage kann man sich auch stellen bei der Feinstaubbelastung, dem Rauchen, Alkoholkonsum oder Fettleibigkeit. Allesamt tödliche Phänomene, die mit energischen und zielgerichteten Maßnahmen in den Griff zu bekommen wären. Nur sind wir in den Fällen zurückhaltender, aus Angst vor Einbußen in unserer Wahlfreiheit und in unserem Komfort.
Vereinfachung und Effizienz statt noch mehr Aufsplitterung
Het Belang van Limburg erinnert an den Offenen Brief der Experten und flämischen Uni-Rektoren, die klar und deutlich gemacht haben, was auf dem Spiel steht und was nottut. Nötig ist ein Staatsorgan mit einem Mandat für das ganze Land. Die Zeitung schreibt: Krisen haben einen Vorteil: Sie legen die Fehler in den Strukturen offen, schonungslos. Jeder begreift jetzt, was für ein Wirrwarr Belgien ist. Darum wissen wir jetzt auch, worum es bei einer kommenden Staatsreform gehen muss: um Vereinfachung und Effizienz. Und sicher nicht um noch mehr Aufsplitterung.
L'Avenir hofft: Es liegt jetzt in unserer Verantwortung, Bürgersinn zu beweisen, um kollektiv das Coronavirus zu meistern. Vielleicht erinnert man sich mal an eine belgische Gesellschaft, die trotz ihrer internen Kämpfe in einem kritischen Moment den Anforderungen gewachsen war.
Sinn für Prioritäten und Verantwortung – und zwar jetzt!
L'Echo kommt auf den Börsensturz des Aktienindexes Bel20 von Donnerstag zurück: 14,21 Prozent – der größte seit seinem Bestehen. Es ist nicht umsonst, dass die Brüsseler Börse die schwerste Klatsche in ihrer Geschichte bekommen hat. Die Märkte, immer in die Zukunft blickend, wissen, dass vielen Unternehmen ein schwieriger Moment bevorsteht. Manche werden lange brauchen, um zur Normalität zurückzukehren, andere werden es nicht schaffen. Belgiens Wirtschaft, sprich die Unternehmen, muss langfristig gestützt werden. Das ist aber nicht alles. Diese Krise könnte der Wendepunkt, wenn nicht der Tritt in den Hintern sein, den wir augenscheinlich brauchen, um ambitioniert in die Zukunft zu blicken. Dafür braucht es Staatsmänner und -frauen, die ihre eigenen Interessen hintenanstellen zum Wohle der Allgemeinheit. Wir sagen nicht, dass man zu Papas Belgien zurückkehren soll – das wäre idiotisch, denn seine Zeit ist vorbei. Wir sagen nur, dass jetzt der Sinn für Prioritäten und Verantwortung geboten ist. Mit Betonung auf jetzt.