"Coronavirus drückt Wirtschaft in die roten Zahlen", titelt am Freitag De Morgen. "Corona lässt die Börse bluten", so De Standaard. "Coronavirus erhöht den Druck", schreibt L'Echo auf Seite eins.
Auf den Titelseiten der belgischen Zeitungen dominieren am Freitag die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Epidemie. In ihren Leitartikeln beleuchten die Zeitungen aber auch andere Facetten der Krise.
Das Coronavirus ist natürlich vor allem eine gesundheitliche Herausforderung, schreibt Le Soir. Aber nach Peking, Rom und Paris blickend sind auch dramatische politische Auswirkungen festzustellen. China hat geglaubt, selbst auf ein Minimum an Transparenz verzichten zu können. Jetzt ist Pekings Glaubwürdigkeit schwer angekratzt. Dem allmächtigen Xi Jinping hat die Epidemie mehr geschadet, als die verschiedenen Proteste in Hongkong, Taiwan oder Tibet. Näher bei uns ist das, was in Italien passiert, besorgniserregend. Das Land schafft es nicht, sich in der Krise einig und solidarisch zu zeigen. Die Regionen kritisieren die Regierung in Rom, die Politiker spielen aus taktischen und persönlichen Gründen mit den legitimen Ängsten der Bevölkerung. Und in Frankreich sieht es nicht besser aus: Marine Le Pen irrt sich mit ihrer Kritik, dass die EU nichts unternehme; und die Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Paris, die Damen Hidalgo und Buzyn, beschuldigen sich gegenseitig, nicht vorbereitet zu sein, beklagt Le Soir.
Zwischen Vernunft und Psychose
Gazet van Antwerpen fragt sich, wie viel wirtschaftlicher Schaden durch die Maßnahmen gegen die Epidemie gerechtfertigt ist. Ist es denkbar, dass wir hier in Europa so vorgehen wie die Chinesen, um das Virus einzudämmen? Können wir etwa die ganze Stadt Antwerpen stilllegen und isolieren, wenn es hier Coronafälle geben sollte? In China herrscht eine Einparteiendiktatur mit einer langen Tradition tiefgreifender Eingriffe in das Privatleben der Menschen. Derartig drakonisches Vorgehen ist hierzulande dagegen kaum vorstellbar. Nun nimmt aber auch bei uns die Nervosität zu: In Betrieben gehen Emails mit Hygienevorschriften rund; Reisen werden abgesagt; der Brauereikonzern AB Inbev erwartet Einbußen, unter anderem weil sich seine Marke Corona schlechter verkauft. Sollten wir angesichts dessen den Griff nicht ein bisschen lockern? Virologen raten davon ab. Wenn die Alternative das Risiko ist, dass Millionen Menschen krank werden und Zehntausende sterben könnten, dann ist die Wahl schnell getroffen, befinden Gazet van Antwerpen.
Die Psychose ist überzogen, findet hingegen La Libre Belgique. Wir stehen kurz vor der Hysterie und vergessen die wirklichen Tragödien. Sollte sich Covid-19 tatsächlich weltweit ausbreiten, sind die Konsequenzen kaum absehbar. Aber man sollte sich einige Dinge noch einmal in Erinnerung rufen: Bislang ist die Krankheit nur für bereits geschwächte Menschen tödlich. Allein die normale Grippe tötet jedes Jahr eine halbe Million Menschen weltweit. Währenddessen werden in Syrien jeden Tag Männer, Frauen und Kinder Opfer des mörderischen Regimes. Dort ist das wirkliche Drama. Im absoluten Terror in Syrien. Und nicht in einem Hotel auf Teneriffa, unterstreicht La Libre Belgique.
Neun Jahre Krieg
Auch L'Avenir kommt auf Syrien zu sprechen. Die belgische Präsidentschaft im UN-Sicherheitsrat neigt sich dem Ende zu. Und ein Kompromiss in Syrien ist immer noch nicht in Sicht. Die Kunst des Kompromisses ist es, in kleinen Schritten zu einer Einigung zu kommen. Das braucht Zeit. Und vor Ort scheint dies immer zu lange zu dauern. Besonders, wenn Unschuldige in den zu lösenden Konflikten leiden. Dabei sind derartig dramatische Umstände nicht einmal nötig. Belgien ist bei Weitem nicht das einzige Land, in dem die Bildung einer Regierung nach den Wahlen immer länger dauert. Dabei war doch eigentlich der "belgische Kompromiss" zu einem Markenzeichen geworden, notiert L'Avenir.
Neun Jahre dauert nun schon der Bürgerkrieg in Syrien, stellt Het Laatste Nieuws fest. Der größte Buhmann des Westens, der IS, ist geschlagen. Aber jetzt sehen wir uns dem anderen Buhmann gegenüber, dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. Der Diktator ist für 85 Prozent der rund 200.000 zivilen Opfer des Krieges verantwortlich. Zuletzt fielen in Idlib wieder Bomben auf Kinder und Verwundete. Auf der anderen Seite schließt die Türkei die Grenzen. Präsident Erdogan hat bereits 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. In der türkischen Bevölkerung rumort es. Erdogan möchte im syrischen Idlib eine sichere Unterkunft für Flüchtlinge finden. Währenddessen jagt Assad seine Bürger in Richtung der türkischen Grenze, um Ankara unter Druck zu setzen. Zynischer wird es nicht, schließt Het Laatste Nieuws.
Das Leid der Aktionäre
L'Echo beschäftigt sich mit der Situation beim weltweit größten Bierbrauer AB Inbev. Der Kurs war am Donnerstag an der Brüsseler Börse erneut gesunken. Noch nie stand die Aktie von AB Inbev im Vergleich zum Konkurrenten Heineken so schlecht da wie heute, konstatiert L'Echo. Seit der Entscheidung von AB Inbev, 2016 die damalige Nummer zwei SAB Miller zu übernehmen, ist der Börsenwert um 39 Prozent gesunken. Die Aktie des niederländischen Konkurrenten hingegen ist um 26 Prozent gestiegen. Die Enttäuschung der AB Inbev-Aktionäre dürfte so groß sein, wie dieser Unterschied. Bis zur Übernahme von SAB Miller kamen die Anteilseigner von AB Inbev in den Genuss von doppelt so hohen Dividenden wie heute. Kurz- oder mittelfristig ist keine Besserung in Sicht, glaubt L'Echo.
Peter Eßer