"Der König schickt das liberale Duo Sabine Laruelle und Patrick Dewael in die Arena", titelt nüchtern De Tijd. Andere Zeitungen haben schon einen Teil der Deutung in ihrer Schlagzeile: "Der König drückt die Pausentaste", so die Schlagzeile von De Standaard. "Zeit für Ruhe", schreibt Het Nieuwsblad in Blockbuchstaben auf seiner Titelseite.
Nach einer dreitägigen Konsultationsrunde hat König Philippe am Mittwoch über die Nachfolge des zurückgetretenen Koen Geens entschieden. Das Staatsoberhaupt betraute die beiden liberalen Politiker Sabine Laruelle und Patrick Dewael mit einer neuen Mission. Deren Auftrag wird vom Palast nur lapidar definiert. Es ist offensichtlich, dass beide eigentlich nur dafür sorgen sollen, dass sich der Pulverdampf wieder ein bisschen legt. Dafür sprechen auch die Ämter, die die beiden Beauftragten bekleiden: Sabine Laruelle ist Vorsitzende des Senats, Patrick Dewael ist Präsident der Kammer. Beide sind also die höchsten Repräsentanten der Legislative, also der Volksvertretungen. "Zwei Liberale, um die Gemüter zu beruhigen", titelt denn auch Le Soir. La Libre Belgique formuliert es etwas vornehmer: "Zwei Weisen, um die Wogen zu glätten".
Am Tiefpunkt ein altes Familienrezept
Het Belang van Limburg bezeichnet die Entscheidung des Palastes als eine "Überraschung". Insofern, als man eigentlich erwartet hatte, dass der König den amtierenden OpenVLD-Vizepremier Alexander De Croo mit einer Mission betrauen würde. Het Laatste Nieuws ist demgegenüber weniger überrascht: "Der König greift auf ein altes Familienrezept zurück", so die Schlagzeile. Tatsächlich hat auch schon sein Vater und Vorgänger Albert der Zweite diesen Kunstgriff angewandt. 2010, während der 541-Tage-Krise, schickte der Palast auch schon mal die Präsidenten von Kammer und Senat in die Arena; das waren damals André Flahaut und Danny Pieters.
"Neuer Tag, neues Duo", bemerkt leicht resigniert Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Het Nieuwsblad ist seinerseits voll des Lobes für den König. Mit Sabine Laruelle und Patrick Dewael hat er ein ausgewogenes Duo ins Feld geschickt. Schon allein deswegen, weil mit Sabine Laruelle erstmals eine Frau in königlicher Mission unterwegs sein wird. Eine gute Wahl also. Insider betonen ja schon seit längerer Zeit, dass der König wesentlich gewiefter ist, als die Außenwelt glaubt. Hinzu kommt: Bei diesem Duo stehen nicht nur die Personen im Vordergrund, sondern die Institutionen, die sie vertreten. Es sind mehr als zwei Politiker, beide stehen für die erste Macht im Staat. Allerdings: So geschickt der Schachzug auch sein mag, das ändert nichts daran, dass wir einen Tiefpunkt erreicht haben. Der einzige Ausweg aus diesem Tal ist der Weg nach oben.
Verschnaufpause
La Libre Belgique übt sich in Durchhalteparolen: "Vertrauen, Geduld. Glückauf!", schreibt das Blatt. Jetzt bitte mal die Panzerfäuste, die Granaten und die schwere Artillerie wegpacken; nach dem Muskelspielchen und der Dramatisierung ist es jetzt Zeit für eine Verschnaufpause. Der König hat zwei Weisen mit einer Mission betraut, und endlich auch mal eine Frau. Und dieses liberale Duo verfügt über eine Reihe von Trümpfen. Die werden sie aber auch brauchen. Wir stecken in einer politischen Sackgasse. Das Misstrauen regiert. In Flandern träumen die Nationalisten von einer "flämischen Front". Anders gesagt: Sie wollen das System blockieren. Belgien geht es gerade nicht besonders gut.
"Wir haben alle die Nase voll", meint resigniert Le Soir in Anlehnung an das inzwischen berühmte "J'en ai marre" von PS-Chef Paul Magnette. Sabine Laruelle und Patrick Dewael sind jetzt schon die Nummer neun und Nummer zehn auf der Liste der königlichen Beauftragten, die der Palast seit der Wahl benannt hat. Und mit jeder Stunde, mit jedem Tag, mit jeder Woche wird die Atmosphäre erdrückender. Am schlimmsten ist wohl, dass Paul Magnette mit seinem "J'en ai marre" die gemeinschaftspolitischen Geister geweckt hat. Flamen und Frankophone befinden sich wieder in einem Grabenkrieg. Einziger Lichtblick in dieser Schlammschlacht: Alle haben einen gemeinsamen Feind, die Extreme. Das gemeinsame Interesse aller Protagonisten ist es, Neuwahlen zu verhindern. Wenn die Wähler einmal ihre Wut zum Ausdruck bringen dürfen, dann werden das alle bereuen.
Diagnose: Wahnsinn
Auch L'Avenir wirkt irgendwie deprimiert: Was gibt's Neues seit Mittwochabend? Nichts! Naja, vielleicht mit Ausnahme der Tatsache, dass der CD&V-Vorsitzende Joachim Coens am Mittwoch nicht seinen inzwischen berühmten karierten Mantel trug. Gut, zugegeben, es gibt jetzt zwei neue königliche Gesandte. Ohne ihnen zu nahe treten zu wollen, aber das wird wohl eine Fußnote der Geschichte bleiben. Die Wochen und Monate ziehen ins Land, aber es ändert sich nichts. Wir Bürger haben den Eindruck, dass wir dazu verdammt sind, denselben schlechten Film in Endlosschleife anschauen zu müssen. Selten in der Geschichte unseres Landes sind wir von derart blinden und geschichtsvergessenden Politiker regiert worden; naja, wenn sie denn regieren würden. Das Ganze wirkt irgendwie, als wäre das Ende einer Ära angebrochen.
Wir nähern uns der Phase einer hartnäckig betriebenen künstlichen Lebensverlängerung, meint auch De Standaard. Mit Parteivorsitzenden, die nichts anderes tun, als quasi rituell ihren Parteistandpunkt herunterzubeten, die sich in ihre Positionen eingegraben haben, die keine Kompromisslinien andeuten, mit solchen Politikern ist kein Staat zu machen. Und nichts deutet darauf hin, dass das neue Duo Laruelle-Dewael jetzt plötzlich einen frischen, neuen Plan aus dem Hut zaubern könnte, der das Ganze wieder in Schwung bringt. Zu glauben, dass man nur immer das Gleiche versuchen muss, um dann irgendwann ein anderes Ergebnis zu bekommen, das ist die Definition von Wahnsinn. Der Palast hat offensichtlich nur noch ein Ziel: Neuwahlen zu verhindern. Der König spielt seine letzten Trümpfe aus.
Roger Pint