"Magnette wirft das Handtuch – zurück auf das Chaos-Feld", so die doch beißende Schlagzeile bei Le Soir. "Vom Regen in die Traufe", titelt Het Nieuwsblad. "Magnette schmeißt hin – Wer will jetzt noch eine Regierung bilden?", fragt sich De Morgen auf seiner Titelseite.
PS-Chef Paul Magnette hat gestern den König darum gebeten, von seiner Mission als Informator entbunden zu werden. Das Staatsoberhaupt hat das Gesuch noch nicht angenommen. König Philippe hat erst mit einer neuen Konsultationsrunde begonnen, um sich selbst ein Bild machen zu können. "Der König will Ruhe einkehren lassen", titelt denn auch das GrenzEcho. De Standaard spricht von den "behutsamen Manövern von König Philippe". L'Echo stellt die Ursachen für den neuerlichen Rückschlag in den Vordergrund. "Die 'Nicht-Fleisch-Nicht-Fisch-Haltung' der OpenVLD hat Magnette erstmal auf die Matte geworfen", schreibt das Blatt. Denn, in der Tat, die flämischen Liberalen haben bis zuletzt gezögert, einem Regenbogen beizutreten. Die CD&V wollte ihrerseits nicht für eine komfortablere Mehrheit in die Bresche springen, sondern stattdessen erst N-VA-Chef Bart De Wever eine Chance geben. La Libre Belgique stellt die Frage aller Fragen: "Soll man den Regenbogen nun doch weiterverfolgen oder nicht?".
"Die N-VA drinnen oder draußen? Beides ist riskant", bemerkt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Sorgt man dafür, dass die flämischen Nationalisten an der Seitenlinie bleiben, dann muss sich jede Regierung auf eine knallharte Opposition einstellen. Das wären dann im Wesentlichen nur noch die PTB, die N-VA und der rechtsextreme Vlaams Belang. Dem N-VA-Chef jetzt das Feld zu überlassen, ist aber ebenfalls gefährlich. Welche neuen Erkenntnisse wären da zu erwarten? Dass eine Koalition aus PS und N-VA unmöglich ist, das wissen wir längst. Das Ende des Tunnels ist noch weit entfernt.
Armer König Philippe!
"Der arme König!", meint mitfühlend Gazet van Antwerpen. Die einzige gute Neuigkeit ist wohl, dass wir jetzt den Tiefpunkt erreicht haben. Es gibt keinen Weg, der nicht von diversen Vetos und No-Gos zugestellt wäre. Auf der flämischen Seite haben die Mitte-Rechts-Parteien CD&V und OpenVLD eine Heidenangst vor einer Koalition ohne die N-VA, weil man dann vier Jahre lang dem nationalistischen Sperrfeuer ausgesetzt wäre. Auf der frankophonen Seite gibt es einen großen Konsens gegen eine Regierungsbeteiligung der N-VA, frei nach Boris Johnson: "Lieber tot im Graben als eine Regierung mit den flämischen Nationalisten". Das allerdings ist in Teilen nachvollziehbar. Die N-VA gibt sich die größte Mühe, die frankophonen Verwandten aus dem Süden zu beleidigen und zu brüskieren. Da kann man schwerlich Applaus von eben diesen Wallonen erwarten. Was kann der arme König da noch tun als Staatsoberhaupt eines hoffnungslos gespaltenen Landes?
Auch Het Laatste Nieuws kann König Philippe nur bedauern. Übermorgen sind es genau 200 Tage her, dass wir gewählt haben. Seit einem Jahr ist die Regierung nur noch geschäftsführend im Amt. Und wo stehen wir? Nirgendwo! Auf den ersten Blick mag der nächste Schritt auf der Hand liegen: Jetzt müsste eigentlich Bart De Wever mit einer Mission betraut werden. Nicht nur, dass der N-VA-Chef selbst eine Rolle für sich beansprucht, sogar die CD&V plädiert in diese Richtung. Sollte der Palast De Wever dennoch außen vorlassen, dann kann die N-VA vier Jahre lang den Märtyrer spielen. Besser also, man lässt De Wever ran. Aber um was zu tun? Um noch einmal die Unmöglichkeit einer lila-gelben-Koalition zu beweisen? Das kann man sich eigentlich ersparen. Das tragische Fazit: Wir wissen nicht, wo es hingehen soll, aber wir gehen geradewegs drauf zu".
Calimero ersetzt den Staatsmann
Früher war der Staatsmann der ideale Politikertypus. Heute ist es Calimero, stellt Het Nieuwsblad fest. Seit einer Woche bettelt Bart De Wever fast schon darum, jetzt auch mal eine Rolle spielen zu dürfen. Er steht schmollend an der Seitenlinie, eben wie Calimero, das schwarze Küken mit der Eierschale auf dem Kopf, das ständig glaubt, alle Welt habe sich gegen ihn verschworen. Nur wenn De Wever es wirklich ernst meint, dann hat er sich nicht wirklich für eine Vermittlerrolle empfohlen. Da wäre doch eigentlich Diplomatie gefragt. Stattdessen hat De Wever wild um sich geschlagen. Von nahezu allen Parteien bekommen wir im Moment nur Schmierentheater zu sehen, das sich allein an die jeweilige Basis richtet. Im Grunde ist es doch genau das, was der Wähler am 26. Mai abgestraft hat.
"Natürlich! Da hätten wir doch gleich draufkommen können! Man muss die anderen beleidigen", giftet sarkastisch Le Soir. All die Politiker, die ihre Wortwahl pflegen, um dadurch ihrer Rolle gerecht zu werden: Witzfiguren sind das! Um einen Ausweg aus der Krise zu finden, ist es doch viel zielführender, auf die anderen Parteien einzudreschen. Wie Bart De Wever, der gestern über die frankophonen und die angeblich verräterische OpenVLD hergezogen hat. Will er sich damit unmöglich machen? Denkbar! Das Eis ist im Moment doch ziemlich dünn, nicht wahr? Wir brauchen mehr denn je Politiker, die über der Mêlée stehen, jedenfalls keine Hofnarren und auch keine Brandstifter.
Flanderns Mañana-Kultur
Zweites großes Thema, vor allem in den flämischen Zeitungen, ist der neue flämische Klimaplan. Die flämische Regierung hat gestern, etwas verspätet, das Dokument vorgelegt. Flandern war die letzte Region, die noch keinen Klimaplan hatte. Einige inhaltliche Schwerpunkte: "Der Klimaplan lässt uns langsamer fahren", bemerkt etwa Het Nieuwsblad. Auf dem Brüsseler Ring soll nämlich ein Tempolimit von 100 km/h eingeführt werden. "Aber, das wird nichts bringen", schreibt Het Laatste Nieuws. "Der Klimaplan wird sieben Milliarden kosten", schreibt De Standaard. "Aber für die EU ist dieser Plan ungenügend", warnt De Morgen. Und De Tijd präsentiert schon die Rechnung: "Es droht eine Geldbuße von 433 Millionen Euro". Viele Leitartikler sind sich einig: Ehrgeizig ist der Plan nicht. Die flämische Regierung betont, dass der Plan eben "realistisch" sei. Wenn das die einzige Ambition ist, dann ist das angesichts der Herausforderungen zu wenig, meint De Standaard. Die Flamen sind hier belgischer beziehungsweise lateinischer, als ihnen lieb ist, stichelt De Morgen. Wir sehen hier, die klassische Mañana-Kultur: Lass' uns das erstmal auf morgen verschieben.
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