"Der erste Landeversuch von Jambon I ist missglückt", titelt Het Nieuwsblad. "Jambon I legt eine raue Landung hin", so die Schlagzeile von Gazet van Antwerpen.
Die neue flämische Regierung lässt weiter auf sich warten. In der Nacht ist es N-VA, CD&V und OpenVLD wieder nicht gelungen, ihren Koalitionsvertrag abzurunden. Es ist bereits das zweite Mal, dass eine nächtliche Verhandlungsrunde am Ende ergebnislos abgebrochen werden musste. Für heute sind lediglich Gespräche auf Expertenebene geplant. Die Parteispitzen wollen erst morgen wieder zusammenkommen. "Jambon I wird jetzt zur Wochenend-Arbeit", bemerkt De Tijd auf Seite eins.
Flämisches Koalitionsabkommen: Jeder Punkt und jedes Komma
Dass die Koalitionspartner um den designierten N-VA-Ministerpräsidenten Jan Jambon so langsam vorankommen, dafür gibt es anscheinend Gründe, analysiert Het Nieuwsblad. Nach außen hin wollen die drei Parteien die Botschaft aussenden, dass es den Partnern vor allem um den Inhalt geht. Konkret: Ziel ist es, 100-prozentig wasserdichte Absprachen zu treffen, die auf jeden Punkt und jedes Komma abgeklopft werden, um künftige Streitigkeiten auszuschließen. Man will offensichtlich eine Neuauflage des "Kabelkabinetts" um jeden Preis verhindern. Schließlich wurden die drei Parteien wohl vor allem deswegen vom Wähler abgestraft. Sie müssen sich allerdings am Resultat messen lassen. Wenn das Regierungsabkommen einmal vorliegt, dann wird sich zeigen, ob diese langatmige Prozedur wirklich nötig war, oder eben doch nur der Außenwirkung diente.
Apropos Inhalt: Einigen Zeitungen sind schon Teilaspekte des wohl künftigen flämischen Koalitionsabkommens zu Ohren gekommen. Diverse Reformprojekte sind demnach geplant, unter anderem eine neue Steuerregelung bei Immobilienankäufen, strengere Einbürgerungsprozeduren und dringend nötige Investitionen im Sozialbereich. Het Laatste Nieuws berichtet über eine bislang noch nicht bekannte Maßnahme: "Die Wahlpflicht in den Gemeinden soll abgeschafft werden", schreibt das Blatt auf Seite eins. Das würde aber, wohlgemerkt, nur in Flandern gelten.
"Show me the money"
Der Grund, weswegen die Koalitionsverhandlungen nicht vorankommen, das ist aber offensichtlich der Haushalt. Nach übereinstimmenden Medieninformationen wollen die flämischen Koalitionspartner sich offensichtlich aber in einer ersten Phase von der schwarzen Null verabschieden. Das Haushaltsgleichgewicht soll erst gegen 2024 wiederhergestellt werden. Das sorgt für zuweilen giftige Kommentare in einigen flämischen Zeitungen.
"Show me the money", "Zeig' mir das Geld", schreibt etwa Het Laatste Nieuws. Diesen Satz hat N-VA-Chef Bart De Wever im Wahlkampf 2014 geprägt. Mit diesen Worten wandte er sich seinerzeit an den damaligen PS-Vorsitzenden Paul Magnette; "Show me the money", damit wollte De Wever seine Zweifel darüber zum Ausdruck bringen, ob die damalige Regierung wirklich die Einsparungen vorgenommen hatte, auf die sie so stolz war. "Show me the money", das trifft aber längst auch auf Flandern zu. Investitionen wie die Fertigstellung des Antwerpener Autobahnrings werden jetzt auch in Flandern aus dem Haushalt herausgerechnet. Wir geben die Milliarden aus, aber das steht nirgendwo. Und dann will sich die neue Regierung obendrauf auch noch von der Schwarzen Null verabschieden? Wie sagte De Wever noch 2014? "Je länger man mit der Haushaltssanierung wartet, desto schwieriger wird die Aufgabe". Der Eine oder andere sollte sich diese Aussagen von vor fünf Jahren vielleicht nochmal anhören.
"Jambon, der neue Di Rupo"
"Französisch-Flandern", stichelt polemisch De Tijd. Nicht nur, dass der föderale Haushalt vollends entgleist ist, jetzt will auch noch die flämische Regierung ungeniert ins Minus gehen. Da scheint man sich also plötzlich an den so oft geschmähten Wallonen zu inspirieren. Das Ganze ist irgendwie symptomatisch: Die Parteien haben Angst. Angst vor dem Wähler. Die kleinste Steuererhöhung kann das Ende einer politischen Karriere bedeuten. Man erinnere sich zum Beispiel an die so genannte Turteltaks, die seinerzeit das Platzen der Photovoltaik-Blase kompensieren sollte. So wird auch Flandern, das einst schuldenfrei war, mit jeder Wahl ein bisschen weniger niederländisch und ein bisschen mehr wallonisch.
De Morgen geht da sogar noch einen Schritt weiter. "Jambon, der neue Di Rupo", meint das Blatt provokativ in seinem Leitartikel. Der designierte N-VA- Ministerpräsident Jan Jambon scheint sich den PS-Vorsitzenden Elio Di Rupo zum Vorbild genommen zu haben. Die politischen Ticks und Taktiken sind in jedem Fall vergleichbar. Di Rupo etwa geht jedes Koalitionsabkommen gefühlt 36 Mal durch, bis er wirklich sicher ist, dass alles klar und wasserdicht ist. Bei Jambon haben wir jetzt das Gleiche gesehen. Und inhaltlich gibt es auch Parallelen. Hier gilt offensichtlich: Wenn die Wallonen Miese machen dürfen, dann dürfen wir das auch. Bislang hatten die Flamen doch immer arrogant auf die angeblich verschwenderischen Wallonen herabgeblickt. Wenn Jambon irgendwann seinen Koalitionsvertrag vorstellen wird, dann werden wir wohl wahrscheinlich auch die gleichen Worte hören, die ein Di Rupo auch schon in den Mund genommen hat.
No "sense of urgency"
Unseren Politikern ist wohl der "Sense of urgency", der Handlungsdruck, abhanden gekommen, kritisiert auch Het Belang van Limburg. Sie vergessen die haushaltspolitischen Dringlichkeiten. Und das ungeachtet unseres gewaltigen Schuldenbergs, der steigenden Pensionskosten und der militärischen Verpflichtungen im Rahmen der Nato. All das hängt wie ein Mühlstein an unserem Hals.
Wichtiger ist für die flämischen Parteien offensichtlich die Frage, wie man den flämischen Löwen noch leuchtender strahlen lassen kann, zischt Gazet van Antwerpen. Wie man hört, umfasst das neue Koalitionsabkommen offensichtlich tatsächlich eine Reihe von, nennen wir es mal, "symbolischen" Maßnahmen. Etwa den flämischen Kanon, also eine Liste von Schlüsselereignissen aus der flämischen Geschichte. Oder den Beschluss, dass flämische Bürgermeister künftig nicht mehr zwingend die belgische Schärpe anlegen müssen; die darf jetzt auch gelb-schwarz sein. Diese und noch einige weitere Maßnahmen, die das Sinnbild eines neuen, idealisierten Flanderns sein sollen, die sind und bleiben beunruhigend.
Belgisches Regenbogen-Trikot in Sicht?
Viele Zeitungen freuen sich auf Radsport-Weltmeisterschaft: An diesem Sonntag werden die Fahrer um das begehrte Regenbogen-Trikot kämpfen. "Noch nie waren so viele Belgier Favoriten", schreibt stolz Het Nieuwsblad. Drei Namen stellt die Zeitung in den Raum: Philippe Gilbert, Greg Van Avermaet und Remco Evenepoel.
La Dernière Heure nennt dieselben Namen: "Drei Chancen auf das Regenbogen-Trikot". Het Laatste Nieuws denkt anscheinend vor allem an das junge Supertalent Remco Evenepoel. Die Frage: "Kriegen wir am Ende vielleicht einen Weltmeister von 19 Jahren?"