"Der letzte große französische Präsident", schreibt De Morgen auf Seite eins. "Der letzte republikanische König", notiert überspitzt Het Nieuwsblad. "Trauer um Jacques Chirac", so die nüchterne Schlagzeile des GrenzEcho.
Ausnahmslos alle Zeitungen nehmen am Freitag Abschied von Jacques Chirac. Der frühere französische Staatspräsident ist am Donnerstag im Alter von 86 Jahren verstorben. Einige Blätter heben Charaktereigenschaften hervor: "Abschied von einem politischen Alphatier", so etwa die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "Ein Mann der Eroberungen", schreibt La Libre Belgique. Damit sind wohl auch die zahllosen Affären gemeint, die man Jacques Chirac nachgesagt hat. "Chirac, das politische Oxymoron", schreibt etwas kryptisch L'Echo. Heißt wohl so viel, dass Chirac ein Politiker voller Gegensätze war. La Dernière Heure erinnert an den volksnahen Politiker: "Jacques Chirac, Frankreich ohne Schnickschnack". "Er war der Präsident, den die Franzosen geliebt haben", titeln Le Soir und L'Avenir.
Chirac, der Präsident der "guten alten Zeit"
Er war der sympathische Präsident, meint La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Er war volksnah und authentisch. Und paradoxerweise war seine Stärke, dass er alles und sein Gegenteil sagen konnte. Für viele war er wohl das Sinnbild der "guten alten Zeit", als ein Staatspräsident noch ungeniert trinken, rauchen und öffentlich flirten durfte.
Die heutige Politikergeneration könnte sich zumindest in diesem Bereich von Chirac eine Scheibe abschneiden, meint sinngemäß Le Soir. Chirac repräsentiert eine Epoche, in der der Präsident der Franzosen mit all seinen Macken und Fehlern so etwas wie das Spiegelbild seiner Wähler war. Ob man ihn beziehungsweise seine Politik nun mochte oder nicht, irgendwie wirkte Jacques Chirac wie der Vater der Nation. Die Tatsache, dass eine Satireshow ihre Chirac-Puppe "Super-Menteur", Superlügner" genannt hatte, machte ihn paradoxerweise noch populärer. Chirac war aber auch der Mann, der auf der internationalen Bühne Haltung zeigen konnte, etwa als er den USA vor dem Irakkrieg die Gefolgschaft verweigerte.
Ein Abbild von Frankreich mit seinen Höhen und Tiefen
Chirac war ein großer Politiker, volksnah und authentisch, meint auch La Libre Belgique. Auf der Pariser Landwirtschaftsmesse war er Stammgast, sprach mit den Menschen, stundenlang, wenn es sein musste. Politisch konnte er grandios scheitern, etwa als er 1997 das Parlament auflöste, um die anschließende Wahl zu verlieren. Er war aber auch ein Mann der Überzeugungen. Er weigerte sich, mit Vertretern des rechtsextremen Front National überhaupt zu debattieren.
1995 räumt er eine Mitschuld des französischen Staates an der Judendeportation während der Besatzung durch Nazi-Deutschland ein. 2002 warnte er eindringlich vor den Folgen von Umweltverschmutzung und Klimawandel. Der heutige Staatspräsident Emmanuel Macron kann sich an seinem Vorgänger inspirieren, an seiner Volksnähe und an seiner fast körperlichen Liebe für Frankreich und die Franzosen.
Chirac war ein Abbild von Frankreich, mit all seinen Höhen und Tiefen, glaubt L'Echo. Jacques Chirac wirkte wie eine Romanfigur: komplex, voller Tatendrang und Passion, aber auch gegensätzlich. Er konnte Größe zeigen, wurde aber auch wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verurteilt. Er konnte Wahlen ebenso grandios gewinnen wie verlieren.
Eben das war sein Rezept, glaubt L'Avenir. Chirac war authentisch, echt und hatte Überzeugungen. Und genau diese Charaktereigenschaften mögen wohl erklären, dass ihm die Franzosen so viele Ausrutscher verziehen haben.
Problempunkt "Haushalt" bei der flämischen Regierung
"Für Jambon I ist Licht am Ende des Tunnels", so derweil die Schlagzeile von De Morgen. Beobachter hatten eigentlich damit gerechnet, dass Flandern am Freitagmorgen wach wird mit einer neuen Regierung. Der Weiße Rauch lässt aber noch auf sich warten. Am Freitag wollen die Vertreter von N-VA, CD&V und OpenVLD einen neuen Anlauf starten. Die Schlagzeile von De Tijd wirkt denn auch mehr denn je wie ein Fazit: "Die Regierung Jambon schleppt sich zum Start".
Und auch die Liste der Knackpunkte, die De Tijd in ihrem Leitartikel auflistet, hat sich offensichtlich nicht verändert: Der Haushalt ist das zentrale Problem, glaubt die Wirtschaftszeitung. Die Regierung wird ein Gleichgewicht finden müssen zwischen den Sorgen von heute und den Nöten von morgen. Weitere Streitpunkte sind die Bereiche Einbürgerung und Klimaschutz. Und gerade, weil diese Punkte so umstritten sind, wären die Partner hier gut beraten, ihr Koalitionsabkommen möglichst detailliert auszuformulieren, um künftige Streitigkeiten zu vermeiden.
"Dem Steuerzahler ins Gesicht gespuckt"
Aber apropos Haushalt, meint Het Nieuwsblad: Wie man liest und hört, wird die neue flämische Regierung wohl das Dogma einer Schwarzen Null fallen lassen, sprich: Neue Schulden sind nicht mehr tabu. Früher galt noch die Maxime des früheren flämischen CD&V-Ministerpräsident Gaston Geens: "Was wir selbst machen, müssen wir besser machen". Im Moment kann man allerdings den Eindruck haben, dass das flämische Regierungsabkommen am Ende so aussehen wird wie das wallonische. Aber gut, man muss schließlich auch nicht immer glauben, besser sein zu müssen als andere. Hauptsache ist, dass die Regierung die richtigen Akzente setzt und die Weichen Richtung Zukunft stellt.
"Doch was ist mit der föderalen Ebene?", fragt sich sinngemäß Gazet van Antwerpen. Hier gibt es ja, wie wir seit Donnerstag wissen, eine neue, sackschwere Herausforderung: Das Defizit in der Sozialen Sicherheit beläuft sich auf inzwischen drei Milliarden Euro. Die Frage lautet schlicht und einfach: Wie sicher ist unser soziales Sicherheitsnetz noch und wer soll das bezahlen? Wenn man jetzt schon wieder hört, dass hochrangige N-VA-Politiker ihrer Parteibasis erzählen, dass eine Koalition mit der PS nicht in Frage komme, dann ist das auf jeden Fall ein schlechtes Omen. Welches Spiel wird hier gespielt? Wenn die Parteien von beiden Seiten der Sprachgrenze jetzt nicht langsam zu Potte kommen, dann ist es jedenfalls beinahe so, als spuckten sie den Steuerzahlern ins Gesicht.
Roger Pint