"Ich hätte gerne, dass Sie uns einen Gefallen tun", titeln De Standaard und De Morgen. Das ist ein Zitat von Donald Trump. Genau diesen Satz hat der US-Präsident in einem Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj gesagt. Das geht aus einem schriftlichen Protokoll hervor. Welchen Dienst der ukrainische Präsident dem US-Kollegen erweisen sollte, das steht auch in der Abschrift: Grob gerafft, sollte Selenskyj belastendes Material zusammentragen lassen über Joe Biden; das ist einer der aussichtsreichsten Gegenkandidaten von Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr.
"Die Demokraten glauben, genug Munition zu haben, um Trump abzusetzen", titelt De Tijd. Die Opposition ist überzeugt, dass Trump hier sein Amt missbraucht hat für persönliche Zwecke. La Libre Belgique scheint das ähnlich zu sehen: "Der Ukraine-Gate-Skandal bringt die Präsidentschaft von Donald Trump in Gefahr", so die Schlagzeile auf Seite eins. Het Nieuwsblad scheint derweil seine Zweifel zu haben: "Trump hat einen Fehler gemacht, aber vielleicht ist der nicht schwerwiegend genug", notiert das Blatt auf seiner Titelseite. Die Schlagzeile von L'Echo liest sich wie ein Fazit: "Die Schlacht um das Impeachment hat begonnen".
Amtsenthebungsverfahren mit Risiken
"Die Demokraten spielen hier Alles oder Nichts", analysiert Le Soir in seinem Leitartikel. Klar: Was Donald Trump da versucht hat, ist moralisch gesehen unterste Schublade. Der US-Präsident missbraucht sein Amt für reine Wahlkampfzwecke. Dass die Demokraten jetzt ein Amtsenthebungsverfahren einleiten wollen, ist dennoch gefährlich. Dies zunächst aus dem einfachen Grund, dass die Erfolgsaussichten gering sind. Die Republikaner verfügen schließlich über die Mehrheit im Senat. Gleichzeitig kann sich Donald Trump in seiner Paraderolle zeigen, der des Opfers nämlich, was ihm letztlich eher nützen könnte.
Die Demokraten sind eindeutig in einem Dilemma: auf der einen Seite ein Präsident, der grob gegen die Verfassung verstößt, auf der anderen Seite wahlkampfstrategische Erwägungen. Verzichtet man auf ein Impeachment, dann schwächt man den Rechtsstaat. Zieht man das Verfahren durch, dann trägt man vielleicht zur Wiederwahl von Donald Trump bei.
De Tijd sieht das ähnlich. Der Schritt der Demokraten ist eine gute Entscheidung, aber eine schlechte Wahlkampfstrategie. Unter Normalumständen wäre die Entscheidung, Trump abzusetzen, in allen Belangen logisch und richtig. Nur leben wir nicht in normalen Zeiten. Und Trump ist auch kein normaler Präsident. Man könnte fast meinen, dass er das Amtsenthebungsverfahren wissentlich provoziert hat, um seinem Wahlkampf einen fliegenden Start zu ermöglichen. Wenn diese Schlacht verloren geht, dann stehen die Demokraten jedenfalls vor einem Scherbenhaufen. Das einzige, was übrigbleibt, ist dann eine noch größere Wut der Trump-Wähler.
Wahlkampf artet in regelrechten Kulturkampf aus
Die Demokraten hatten keine andere Wahl, als ein Impeachment einzuleiten, ist La Libre Belgique überzeugt. Wie seinerzeit auch schon Richard Nixon hat Donald Trump versucht, eine Wahl zu manipulieren. Nixon hat das sein Amt gekostet. In jedem Fall konnte nicht weiter toleriert werden, dass sich ein Präsident über dem Gesetz wähnt. Hier geht es letztlich um die Glaubwürdigkeit und Integrität des Parlaments als zentrale Institution einer Demokratie. Und auch republikanische Abgeordnete und Senatoren sollten eigentlich ausreichend Gründe dafür sehen, diesen Präsidenten in die Schranken zu weisen.
Man konnte nicht länger zusehen, wie Trump die Grenze überschreitet, ist auch Het Nieuwsblad überzeugt. Vielleicht schadet das Verfahren tatsächlich in erster Linie den Demokraten selbst. Dieser Gefahr sind sie sich auch bewusst. Doch irgendwann muss Schluss sein, muss man an die Interessen des Staates und der Demokratie denken. In der Hoffnung, dass der Wähler das genauso sieht.
Die Demokraten hatten keine andere Wahl, als das schwerstmögliche Geschütz aufzufahren, meint auch De Morgen. Sie sind sich wohl selbst der Gefahr bewusst, dass die Prozedur am Ende im Sande verläuft. Wahrscheinlich ist, dass am Ende nicht der Kongress darüber entscheidet, ob dieser US-Präsident abgesetzt wird oder nicht, sondern die Wähler. Schon jetzt zeigt sich aber, dass das kein Wahlkampf mehr sein wird, sondern ein regelrechter Kulturkampf.
Gefährliche Komiker
De Standaard zieht eine Parallele zwischen Donald Trump und dem britischen Premierminister Boris Johnson. "Diese Komiker schaffen es, die Demokratie gegen sich selbst zu wenden", meint das Blatt in einem nachdenklichen Kommentar. Beide - Trump und Johnson - überschreiten systematisch die roten Linien, die ihr Mandat eingrenzen. Plötzlich müssen Sicherheitsriegel aktiviert werden, die irgendwann mal für den unwahrscheinlichen Fall vorgesehen wurden, dass eine exekutive Macht totalitäre Züge entwickelt.
Nicht nur, dass diese Leute die Grundregeln mit Füßen treten, sie tun das auch noch angeblich "im Namen des Volkes". Gegengewichte und Wächter, wie Gerichte oder internationale Organisationen, stehen demnach dem Volk im Weg. Das Ganze mit einem Anstrich von Nonchalance und Humor. Und genau das macht sie so gefährlich.
Die belgische Küste und der Klimawandel
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit dem neuesten Bericht des Weltklimarates. Hier handelt es sich um einen Sonderbericht, bei dem es nur um die Ozeane und die Eisschmelze geht. "Die Meeresspiegel könnten bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als einen Meter ansteigen", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. Die für Belgien anschaulichsten Folgen stehen auf Seite eins von zwei frankophonen Zeitungen: "Die belgische Küste ist in Lebensgefahr", titelt La Dernière Heure. "Der Antwerpener Hafen wird durch den neuen Klimabericht versenkt", bemerkt L'Avenir. Auf den Titelseiten der flämischen Zeitungen ist das übrigens kein Thema.
Gazet van Antwerpen widmet dem Thema aber seinen Leitartikel. Das alles klingt apokalyptisch, ist aber bitterer Ernst, meint das Blatt. Viel zu oft fokussiert man sich da aber auf die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Die 16-Jährige polarisiert, sorgt gleichermaßen für Bewunderung und für regelrechten Hass. Es wäre aber unvernünftig, sich dadurch blenden zu lassen. Der Klimaschutz darf sich nicht um Greta Thunberg oder Anuna De Wever drehen; hier geht es um unsere Kinder und Kindeskinder. Die verdienen eine Erde, die nicht durch ihre Vorfahren zugrunde gerichtet wurde.
Roger Pint