"Hausdurchsuchungen bei Dominique Leroy", titeln Het Laatste Nieuws und Het Belang van Limburg. "Die Justiz schaut sich gewisse Aktionen von Dominique Leroy mal genauer an", so die Schlagzeile von L'Echo. "Die Justiz untersucht den Verdacht des Insiderhandels", schreibt De Tijd auf Seite eins.
Für die Proximus-Geschäftsführerin Dominique Leroy ist es heute der letzte Arbeitstag in dem Unternehmen. Die 54-Jährige wechselt zum niederländischen Konkurrenten KPN. Diese Entscheidung hatte Leroy vor zwei Wochen bekanntgegeben. Kurz davor, also Anfang August, hatte sie aber noch schnell ein Paket Proximus-Aktien verkauft. Erlös: fast 300.000 Euro. Angesichts dieses Timings schrillten bei der Börsenaufsicht FSMA die Alarmglocken.
Wenn Dominique Leroy Anfang August schon wusste, dass sie Proximus verlassen würde, dann handelt es sich hier nämlich um einen Fall von Insiderhandel. Im Fahrwasser der FSMA leitete auch die Justiz eine Untersuchung ein. Dass dann aber auch gleich schon mehrere Hausdurchsuchungen stattfanden, das bezeichnet De Morgen auf seiner Titelseite als "selten gesehene Aktion". Le Soir kann nur feststellen: "Es ist ein lauter Abgang von Dominique Leroy".
"In Lüttich herrscht das nackte Chaos"
Die neuerlichen Skandale um Nethys beschäftigen auch heute wieder die Zeitungen. Die Tochtergesellschaft der Lütticher Interkommunalen Enodia hat nämlich nicht nur den Verkauf von VOO und Win beschlossen, die Neustrukturierung des Unternehmens geht deutlich weiter: "Nethys verkauft einen Windpark für'n Appel und 'n Ei", so die anklagende Schlagzeile von De Tijd. Auf Seite eins von L'Echo wählt ein Branchenkenner noch drastischere Worte: "Der Verkauf von Elicio ist ein gigantischer Diebstahl". Nethys will Elicio, das frühere Electrawinds, an das Lütticher Unternehmen Ardentia veräußern. Angeblich für einen symbolischen Euro. Ardentia, das ist eine Firma, die dem Lütticher Geschäftsmann François Fornieri gehört, dem Gründer des Pharmaunternehmens Mithra. Ardentia ist gerade erst gegründet worden. Geschäftsführer soll kein Geringerer werden als der derzeitige Nethys-Chef Stéphane Moreau. Für die neue wallonische Regierung kommen diese Negativschlagzeilen sehr ungelegen. "Der Regenbogen will die Kontrolle an sich reißen", bemerkt Le Soir auf seiner Titelseite. Die Regierung aus Sozialisten, Liberalen und Grünen hat Nethys aufgefordert, innerhalb von fünf Tagen schriftlich auf eine Reihe von Fragen zu antworten.
"In Lüttich herrscht das nackte Chaos", beklagt Le Soir in seinem Leitartikel. Die Umstrukturierung von Nethys ist in den letzten Wochen weitgehend im Dunkeln erfolgt. Jetzt, wo sich die Scheinwerfer wieder auf Nethys richten, kann man Szenen von Hysterie beobachten. Jetzt mobilisieren sich plötzlich die Bürgermeister der Gemeinden, die der Interkommunalen angehören. Jetzt herrscht auch Aufruhr im neu zusammengestellten wallonischen Parlament. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass lokale Mandatsträger letztlich Entscheidungen und Weichenstellungen anprangern, die von Spitzenleuten ihrer eigenen Parteien vorgenommen wurden. Denn inzwischen weiß man, dass Schlüsselfiguren insbesondere der PS und der MR durchaus im Bilde waren über die Vorgänge bei Nethys. Im Moment kann man denn auch das dumpfe Gefühl haben, dass sich der Nebel auch in den nächsten Wochen nicht auflösen wird.
Verluste werden sozialisiert, Gewinne privatisiert
Es gibt viele Spielarten des Kapitalismus, aber was wir in Lüttich sehen, das ist die schlechteste aller Varianten, analysiert De Tijd. In Lüttich ist im Gewand einer Interkommunalen ein kleines Imperium entstanden, das niemand mehr zu fassen bekommt. Nicht die wallonische Regierung. Und selbst nicht der große PS-Vorsitzende Elio Di Rupo. Hier werden Deals geschlossen, die niemand sehen darf, hier werden Unternehmen, die mit öffentlichen Geldern aufgebaut wurden, für einen symbolischen Euro verkauft: Die Verluste werden sozialisiert, die Gewinne privatisiert. Bei Nethys ist die öffentliche Hand um Lichtjahre vom idealen Weg abgekommen.
Die Nethys-Affäre wirft die Frage auf, wie zukunftsfähig die Wallonie ist, meint das GrenzEcho. Fest steht: Schon bevor die neue Regionalregierung ihre erste Feuertaufe bestehen musste, brennt der Dachstuhl schon lichterloh. Ehe die Zukunft begonnen hat, droht die Vergangenheit die Regenbogenkoalition schon wieder einzuholen. Mehr denn je geht es jetzt um die Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die von der Regierung versprochene Neuausrichtung der wallonischen Region.
Herkulesaufgabe
Einige flämische Zeitungen beschäftigen sich mit der Zukunft der sozialistischen SP.A. Parteichef John Crombez sitzt offensichtlich auf dem Schleudersitz. Jedenfalls wird schon eifrig nach einem Nachfolger gesucht. Nachdem die bekanntesten Gesichter allesamt dankend abgelehnt hatten, gilt jetzt der erst 26-jährige Conner Rousseau als aussichtsreichster Kandidat.
Auf den nächsten SP.A-Chef wartet eine Herkulesaufgabe, ist Het Nieuwsblad überzeugt. In erster Linie müssen sich die Sozialisten endlich mal klar positionieren. Im Moment weiß nämlich niemand mehr, wofür die Partei eigentlich steht. Zudem hat sie ein Imageproblem. Die Analyse von Conner Rousseau ist da schon durchaus richtig: Die Sorgen vieler Wähler entsprechen in der Tat den Prioritäten der SP.A, Beispiel Pensionen, Beispiel Lebensstandard. Nur wählen die Menschen stattdessen Groen oder den Vlaams Belang.
Die Analyse an sich mag richtig sein, doch muss man jetzt noch den richtigen Weg finden, glauben Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen. Die erste Maßnahme des neuen SP.A-Chefs sollte aber die sein, dass man das idiotische innerparteiliche Kumulationsverbot aufhebt: Wenn beispielsweise ein Bürgermeister auch den Parteivorsitz übernehmen dürfte, dann wäre die SP.A gar nicht in dieser Zwangslage. Die Sozialisten brauchen jetzt alle Talente, über die sie noch verfügen.
Roger Pint