"Wozu dient der G7-Gipfel überhaupt noch?" titelt fragend La Libre Belgique. Im französischen Biarritz beginnt heute das jährliche Treffen der Regierungschefs der sieben größten Industrienationen. Auf den Titelseiten der Zeitungen spielt das Thema kaum eine Rolle. Dafür umso mehr in den Leitartikeln.
Bei La Libre Belgique heißt es: Der G7-Gipfel hat seinen Sinn verloren. Und das aus zwei Gründen. Zum einen sind die Gespräche, die auf dem G20-Gipfel stattfinden viel wichtiger geworden. Hier treffen sich viel mehr Industrienationen, auch die neuen. Auf dem G20 lässt sich viel besser und mit mehr Betroffenen über die Anliegen der Welt reden. Zum anderen torpediert seit ein paar Jahren Donald Trump die G7-Treffen. Einstimmige Beschlüsse macht er dort quasi unmöglich. Der französische Präsident Macron hat für Biarritz angekündigt, dem G7 eine neue Dynamik zu verleihen. Doch das ist zum Scheitern verurteilt, glaubt La Libre Belgique.
L'Avenir sieht das anders und notiert: Getragen von der ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit möchte Macron dem G7 neues Leben einhauchen. Das Treffen soll wieder ein lebendiger Ort des Gesprächs und des Dialogs werden. Über so ein Projekt kann man sich nur freuen. Denn vieles in der Welt läuft derzeit schief, weil die Großen in der Welt zu wenig miteinander reden. Anstelle des ständigen Gesprächs miteinander ist eine hässliche Kakofonie gegeneinander getreten, bedauert L'Avenir.
Westlicher Block gegen China
Zwar glaubt auch das GrenzEcho, dass der G7 eigentlich längst an Bedeutung verloren hat. Doch auch die deutschsprachige Zeitung sieht neue Perspektiven und erklärt: Interessant ist in diesem Zusammenhang Macrons Annäherungsversuch an Russland im Vorfeld des Gipfels. Man müsse verhindern, so der französische Präsident sinngemäß, dass Putin mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping unter die gleiche Decke schlüpft. Zusammen mit Russland kann man sich die G7, dann wieder als G8, sehr wohl als einen Block in einer Welt vorstellen, in der sich der Westen gemeinsam gegen das aufstrebende China und seine Vasallen stellt. Das ist jedenfalls wahrscheinlicher, als dass die G7 sich ernsthaft Gedanken über eine globale Entschleunigung machen, um Amazonasgroßbrände künftig zu verhindern, notiert das GrenzEcho.
Le Soir sieht das etwas anders und schreibt durchaus erfreut: Macron will die Brände im Amazonas Gebiet aus aktuellem Anlass unbedingt auf das Menü des G7-Gipfels setzen. Anscheinend sind seine Berater sogar schon dabei, konkrete Initiativen zur Rettung des Amazonas auszuarbeiten. Was bei dem neuerlichen Muskelspiel des französischen Präsidenten herauskommt, bleibt letztlich hingegen abzuwarten. Einstimmig wird am Wochenende wohl nichts zum Amazonas verabschiedet werden. Denn an dem Treffen nimmt ja auch US-Präsident Trump teil. Und der ist bekanntlich ein großer Freund des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro, erinnert Le Soir.
Mercosur als Druckmittel
De Tijd weist darauf hin: Zumindest Europa hat in Hinsicht auf die Brände im Amazonas Gebiet ein starkes Druckmittel in der Hand. Nämlich das Freihandelsabkommen Mercosur zwischen der EU und vier südamerikanischen Ländern, darunter Brasilien. Das Abkommen ist noch nicht ratifiziert und könnte eben als Druckmittel dienen, um Bolsonaro zum Löschen der Waldbrände zu zwingen, unterstreicht De Tijd.
La Dernière Heure schreibt zur Kandidatensuche für den nächsten belgischen EU-Kommissar: Während das Land bei der Suche nach einer Föderalregierung blockiert ist, hat die größte Partei im südlichen Landesteil, die PS, nichts Besseres zu tun, als plötzlich Laurette Onkelinx als Kandidatin aus dem Hut zu zaubern. Damit beginnen die Sozialisten wieder einmal diese kleinkarierten politischen Spielchen und Mauscheleien, von denen die Bürger die Schnauze mittlerweile so voll haben. Onkelinx hatte ja schon längst ihren Rücktritt aus der Politik angekündigt. Und jetzt diese Nominierung. In den Sozialen Netzwerken gab es dafür zurecht viel Schelte. Man darf sich nicht wundern, wenn die Bürger den Glauben an unsere Politiker verlieren, schimpft La Dernière Heure.
Onkelinx macht durchaus Sinn
L'Echo hingegen meint: Natürlich scheint diese Nominierung auf den ersten Blick etwas surrealistisch – typisch belgisch könnte man sagen. Doch schaut man genauer hin, macht sie durchaus Sinn. Die PS bildet zusammen mit der SP.A die größte Parteienfamilie in der Kammer. Die PS könnte durchaus eine führende Partei in der künftigen Föderalregierung werden. Dass die EU-Kommissarin auch aus den Reihen der PS kommt, klingt dann fast schon logisch, analysiert L'Echo.
Die flämischen Grünen treffen sich an diesem Wochenende zu einem Parteitag in Nieuwpoort. De Morgen kommentiert: Viel hat man von Groen seit den Wahlen am 26. Mai nicht gehört, und das ist nicht verwunderlich. Groen hat bei den Wahlen enttäuscht. Der leichte Zugewinn von 1,5 Prozent wurde wie eine Niederlage erlebt. Viel zu viel Hoffnung hatten sich die Grünen auf einen deutlicheren Stimmenzuwachs gemacht. In der Parteiführung scheint es zu knistern. Der Partei fehlt es an Ideen, wie sie ihre schön formulierten Vorstellungen in praktische Politik umsetzen will. Bei der flämischen Regierungsbildung spielte Groen schnell keine Rolle mehr. Auf föderaler Ebene drohen die flämischen Grünen ins Abseits zu geraten, weil die frankophone Schwesterpartei Ecolo nicht mit der N-VA sprechen will. Das Treffen am Wochenende wird zeigen, wie Groen die Weichen Richtung Zukunft stellt, so De Morgen
Kay Wagner