"39,9" – diese Zahl steht am Donnerstag auf fast allen Titelseiten. Oft sogar extragroß gedruckt. "Historische 39,9 Grad", titeln Het Nieuwsblad und Het Belang van Limburg. Diese Temperatur wurde am Mittwoch in Kleine Brogel in der Provinz Limburg gemessen. Entsprechend sieht man auf vielen Titelseiten Menschen, die sich auf irgendeine Art und Weise abkühlen. "39,9 Grad: neuer Hitzerekord", schreiben De Morgen, das GrenzEcho und La Dernière Heure. "Und heute wird es noch heißer", hakt Het Laatste Nieuws ein. "Wird der neue Rekord heute schon wieder gebrochen?", fragt sich L'Avenir. Für Het Nieuwsblad besteht kein Zweifel: "Heute werden es bis zu 42 Grad".
"Die Klimaerwärmung schlägt nun weltweit zu", bemerkt derweil De Morgen auf seiner Titelseite. L'Echo formuliert es anders: "Was heute extrem ist, das wird bald die Norm sein".
"Wo sind nur unsere verregneten Sommer hin?", fragt sich sarkastisch La Libre Belgique. Kaum ist ein Hitzerekord gebrochen, da drohen schon neue Höchstwerte. Die Frage, ob oder inwieweit das die Folge der durch den Menschen verursachten Klimaerwärmung ist, die stellt sich längst nicht mehr. Jetzt geht es nur noch darum, wie wir am besten darauf reagieren können. In Belgien haben die Politiker und auch die Bürger mal wieder ihren legendären Pragmatismus an den Tag gelegt: Man bastelt sich irgendwas zusammen und wartet darauf, "dass es vorbeigeht". Sich darauf zu beschränken, abzuwarten und die Hände in den Schoß zu legen, das entspricht aber einer Einstellung nach dem Motto: "Es reicht, sich an das Ungewohnte zu gewöhnen." Das ist schlicht und einfach keine Option.
Man kann's aber auch nie richtig machen!
Einigen scheint es dabei Spaß zu machen, die diversen "Hitzepläne" lächerlich zu machen, ärgert sich De Morgen. Man kann's aber auch nie richtig machen! Wenn die Behörden nichts tun, dann ist das ein sträfliches Versäumnis, unterlassene Hilfeleistung. Und wenn sie Vorsichtsmaßnahmen treffen, dann heißt es plötzlich, die Bürger würden betüttelt. Die Hitzepläne sind aber das falsche Feindbild. Nicht vergessen: In Frankreich sind infolge der großen Hitzewelle von 2003 rund 14.000 Menschen gestorben. Lieber einen Hitzeplan, als eine Regierung, die in einem Untersuchungsausschuss einräumen muss, dass sie keine Lehren aus den Katastrophen der Vergangenheit gezogen hat.
"Mehr Bäume!", fordert seinerseits Het Nieuwsblad. In diesen Hundstagen singen auffallend viele Menschen in sozialen Netzwerken eine Ode an den Baum. Nicht nur, weil er Schatten spendet, Bäume spielen auch eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Klimaerwärmung. Und nicht nur, dass sie Kohlendioxid aufnehmen, sie dienen auch als Wasserspeicher. Genau das hatten die Grünen im Wahlkampf gepredigt. Damals haben sich aber viel zu viele Leute noch an die Frühjahrsstürme erinnert. Die Wahl haben die Grünen jedenfalls verloren.
Stunde der Wahrheit?
Apropos: Die beiden Informatoren Didier Reynders und Johan Vande Lanotte versuchen nach wie vor, das Wahlergebnis vom 26. Mai gewissermaßen in Bahnen zu lenken. Am kommenden Montag müssen sie wieder dem König Bericht erstatten. Viele Zeitungen wagen die vorsichtige Prognose: "Verlängerung in Sicht (mit einer kurzen Pause)", so bringt es etwa De Standaard auf den Punkt. Allerdings wollen die beiden Informatoren jetzt offensichtlich doch mal unmittelbarer den Puls fühlen. Es halten sich hartnäckige Gerüchte, wonach Reynders und Vande Lanotte in den nächsten Tagen Vertreter der Parteien zu einem großen Rundtischgespräch einladen wollen.
Wäre das dann wohl so etwas wie die Stunde der Wahrheit?, fragt sich L'Avenir in seinem Leitartikel. Nicht so schnell! Reynders und Vande Lanotte wissen sehr genau, dass sie ihre Politiker-Kollegen jetzt nicht unter Druck setzen dürfen. Besagter Runder Tisch, das wäre in erster Linie ein Mittel, um die verschiedenen Protagonisten mal zusammenzubringen. Rein physisch! Mehr darf man nicht erwarten. Es gilt zu klären, ob es noch möglich ist, Elio Di Rupo und Bart De Wever in einem Zimmer zu versammeln, ohne dass das gleich mit einem Fenstersturz endet. Genau an diesem Punkt sind wir. Anders gesagt: nicht wirklich weit.
Man kann ein Pferd an die Tränke führen...
De Standaard sieht das ähnlich: Inhaltlich ist von einem solchen Rundtischgespräch wohl nicht sehr viel zu erwarten. Allein der Rahmen erlaubt das schon nicht. Oder glaubt jemand, dass PS und N-VA aufeinander zugehen, wenn die versammelte Konkurrenz dabei zuschaut, die dann auch noch in der Presse genüsslich ausplaudern kann, wer wann eingeknickt ist? Wie müssen wir uns dieses Rundtischgespräch also vorstellen? Es wird wohl ein Treffen in angespannter Atmosphäre, bei dem die Protagonisten nicht wirklich miteinander reden, sondern nur Aussagen in den Raum stellen. Und die Gefahr kommt wohl eher aus der jeweils eigenen Sprachgruppe, als von der anderen Seite.
Dass wir eigentlich gar keine Zeit zu verlieren haben, das ändert offensichtlich nichts, beklagt neben De Standaard auch Het Belang van Limburg. Trotz besorgniserregender Zahlen dürfte die föderale Regierungsbildung eine langwierige Angelegenheit werden. Johan Vande Lanotte hat schon häufiger ein Sprichwort bemüht: "Man kann ein Pferd zur Tränke führen, man kann es aber nicht dazu zwingen, zu trinken." Die Frage ist diesmal allerdings, ob genug Wasser in der Tränke wäre.
Roger Pint