"Bringt euch vor der Hitze in Sicherheit", titelt Het Laatste Nieuws. "Erstmals Alarmstufe Rot", so die Schlagzeile bei Gazet van Antwerpen. "Alarmstufe Rot und am Meer wird es nicht kühler sein", vermeldet Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Die neue Hitze-Periode sorgt für viele Aufmacher und Berichte. Das Königliche Meteorologische Institut hatte gestern Abend erstmals in der Geschichte von Belgien die höchste Alarmstufe für Hitze ausgerufen. Viele Zeitungen versorgen ihre Leser mit Tipps, wie man sich vor negativen Folgen der hohen Temperaturen schützen kann.
L'Avenir kommentiert: Die Hitzewelle sollte auch ein Problem für die Politik sein. Es wäre falsch, einfach nur auf die Vergangenheit zu verweisen und zu sagen: Früher hat es auch heiße Sommer gegeben. Denn die Zeichen des Wandels sind unübersehbar. Wein lässt sich immer einfacher anbauen bei uns und Sonnenblumen wachsen.
Gleichzeitig klagt die Landwirtschaft über Wassermangel. Es kann sein, dass die landwirtschaftliche Produktion dauerhaft zurückgeht. Das würde unweigerlich Folgen für unsere Volkswirtschaft haben, wie auch allgemein jegliche Aktivität durch Wassermangel verändert würde. Die Politik also sollte sich dem Problem der Hitze annehmen. Es nicht zu tun, wäre ein schlechter Ratgeber, meint L'Avenir.
Ein Lügner als Premierminister
Ansonsten widmen sich die Leitartikler ausführlich der Personalie Boris Johnson. Der britische Politiker ist gestern von seiner konservativen Partei als Nachfolger von Theresa May gewählt worden. Heute soll er sein Amt als Premierminister annehmen.
La Libre Belgique zeigt sich davon überrascht und meint: Es ist kaum zu fassen, dass eine der ältesten Demokratien in der Welt jetzt einen Mann als Premierminister bekommt, der ein gewohnheitsmäßiger Lügner ist, keine festen Überzeugungen hat, wenig bekannt ist für seine Loyalität und seinen Arbeitseifer.
Aber Boris Johnson wird schnell verstehen müssen, dass sein nicht von der Hand zu weisendes Charisma nicht reichen wird, um zu regieren. Mit dem Einzug in Downing Street Nr. 10 wird er in eine andere Welt eintreten: In die Welt der Realität, scheint sich La Libre Belgique sicher.
Das glaubt auch Le Soir und führt aus: Wenn Johnson heute Premier wird, fängt für ihn und seine Betrachter alles bei null an. Getrost kann man dann den Clown Johnson vergessen, denn als Premierminister kann er diese Rolle nicht mehr spielen. Die Wirklichkeit sieht dafür zu ernst aus. Willkommen in der Realität, Mister Johnson!, wünscht Le Soir.
Het Laatste Nieuws ist anderer Meinung und rät: Europa sollte jetzt den Sicherheitsgurt anlegen. Denn mit Boris Johnson ist ein Brexit-Hardliner an der Macht, der auch von einem harten Brexit nicht Halt machen wird. So sagt er es zumindest.
Die Europäische Union weiß jetzt also, woran sie ist: Entweder schnürt sie den Vertrag auf, den sie mit Theresa May unter großen Mühen beschlossen hat und verhandelt mit Johnson neu. Oder sie lässt es sein.
Dann kommt es zum harten Brexit am 31. Oktober. Für die Wirtschaft in Belgien hätte das bekanntlich katastrophale Folgen. Unser Land muss ein großes Interesse daran haben, dass der harte Brexit vermieden wird, erinnert Het Laatste Nieuws.
Boris Johnson in der Zwickmühle
De Morgen sieht bei der Brexit-Frage allerdings eher den neuen Premierminister in der Zwickmühle und schreibt: Johnson hat nur zwei Möglichkeiten. Entweder überzeugt er die EU und das britische Parlament von seinen Vorstellungen des Brexits. Oder aber er scheitert damit und müsste dann Anfang Oktober Neuwahlen ausrufen.
Denn eine Legitimität, Großbritannien mit einem harten Brexit zu konfrontieren, besitzt Johnson nicht. Nur 91.153 Mitglieder seiner Partei haben ihn zum Premierminister gewählt. Damit ist Johnson bei weitem nicht Premier aller Briten, urteilt De Morgen.
De Standaard weist darauf hin: Viel Zeit, um sich in sein neues Amt einzuarbeiten hat Johnson nicht. Flitterwochen kann er sich nicht leisten, denn er ist direkt gefordert.
Die Krise mit dem Iran muss er sofort angehen. Es wird spannend sein zu beobachten, ob er das dafür nötige diplomatische Geschick besitzt. Zumal er wahrscheinlich nicht an einem Krieg mit dem Iran interessiert ist.
Davor würde aber US-Präsident Trump nicht zurückschrecken. Und gerade auf diese USA mit Trump als Präsidenten baut Johnson als neuen Partner, wenn Großbritannien aus der EU ausscheiden wird. Diesen Wunschpartner jetzt zu verstimmen, wäre ein schlechter Start, meint De Standaard.
Besser als nichts
De Tijd beschäftigt sich mit der Innenpolitik. Bei der Suche nach einer neuen Föderalregierung planen die beiden Informatoren Johan Vande Lanotte und Didier Reynders, laut Angaben der Zeitung, wohl die Parteivorsitzenden aller neun regierungsfähigen Parteien an einen Tisch zu Gesprächen zu versammeln.
De Tijd findet: Das ist keine brillante Idee. Aber wer eine bessere hat, der sollte sich dringend melden. Es ist eine Möglichkeit, die Dinge ins Rollen zu bringen.
Die Informatoren könnten auf diese Weise einen ersten Austausch zwischen den beiden größten Parteien, PS und N-VA, ermöglichen, ohne dass eine der beiden Seiten das Gesicht verliert. Eine handlungsfähige Regierung muss bald gefunden werden. Nicht nur das wieder wachsende Halshautdefizit macht das nötig, so De Tijd.
Kay Wagner