"Es wird die heißeste Woche aller Zeiten", titelt Het Belang van Limburg und liefert gleich zwei alarmierende Zahlen: "Morgen kriegen wir 39 und übermorgen 40 Grad". L'Avenir bringt auf Seite eins eine Warnung: "Für alle Autos und Lebewesen – Achtung! Es wird heiß!". "Belgien stehen heiße Tage bevor", schreibt auch das GrenzEcho.
"Hitzewelle – Belgien steht an der Schwelle zur Alarmstufe rot", so die Schlagzeile von Le Soir. Das Ganze beginnt sich anzufühlen wie ein schlechter Science-Fiction-Film, meint die Zeitung in ihrem Leitartikel. In Indien etwa sind zuweilen schon unfassbare Szenen zu beobachten. Menschen, die wegen einer Auseinandersetzung um Wasser gelyncht werden; angegriffene Wassertransporter. Sieht so unsere Zukunft aus? Wie es sich anfühlt, in einem Treibhaus zu leben, das werden wir in den nächsten Tagen einmal testen können. Aber, um uns zu erholen, können wir dann ja ein Flugzeug nehmen, oder einen Zweitwagen kaufen, oder im Dezember Erdbeeren essen. Wenn wir wirklich so schlau sind, wie es der Begriff Homo sapiens suggeriert, dann sollten wir schnellstens unsere Lebensweise überdenken.
Erhöhter Druck im Hinblick auf die Regierungsbildung
"Alarmstufe rot", das gilt aber auch für den Staatshaushalt. "Vier Milliarden Euro Schulden seit dem Ende von Michel I", titelt etwa Het Nieuwsblad. "Das Budget entgleist um vier Milliarden Euro", schreiben auch L'Echo und Het Laatste Nieuws. Die Diagnose kommt vom so genannten Monitoring-Komitee. Das Gremium besteht im Wesentlichen aus Spitzenbeamten diverser Ministerien, deren Aufgabe es ist, die Haushaltsentwicklung im Auge zu behalten. Der Befund ist alarmierend: In diesem Jahr wird sich das Haushaltsdefizit auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes belaufen. Das entspricht einem Fehlbetrag von knapp sieben Milliarden Euro. Und das sind vier Milliarden mehr als Belgien mit der EU für 2019 vereinbart hatte. Das Problem: Eine geschäftsführende Regierung kann keine effizienten Maßnahmen zur Korrektur ergreifen. "Das Haushaltsdefizit sollte jetzt den Druck auf die Parteien mit Blick auf die Regierungsbildung erhöhen", glauben denn auch De Morgen und De Tijd.
Immer nur heiße Luft in die Zahlen geblasen
"Schneller als gedacht kollidiert das politische Nachwahl-Patt mit der harten ökonomischen Realität", analysiert De Standaard. Denn: Dass der Haushalt entgleisen würde, das wusste jeder. Naja, nicht ganz. Der frühere N-VA-Finanzminister Johan Van Overtveldt hatte vor einigen Monaten noch erklärt, dass zusätzliche Einnahmen das Defizit teilweise ausgleichen würden. Jetzt sehen wir das Gegenteil. Währenddessen haben die politischen Parteien weiterhin alle Hände voll zu tun mit abwarten, sich gegenseitig auszuschließen. Der Wähler erwartet aber, dass die Politiker regieren, statt darüber zu diskutieren, mit wem sie denn regieren wollen.
"Sieben Milliarden!", bläst Het Belang van Limburg in die Backen. Das Haushaltsdefizit erreicht mal wieder schwindelnde Höhen. Und je länger die Parteien noch brauchen, um eine Regierung zu bilden, desto mehr müssen sie sich mit dem Thema Sparmaßnahmen beschäftigen, statt mit frischen Ideen. Und was werden diese Sparmaßnahmen produzieren? Noch mehr Proteststimmen! "Jede Stunde ohne handlungsfähige Regierung kostet Geld", sagte der amtierende Finanzminister Alexander De Croo, insbesondere in Richtung N-VA. Doch die N-VA findet immer jemanden, dem sie die Schuld in die Schuhe schieben kann.
"Wäre die N-VA in der Regierung geblieben, dann wäre das nicht passiert", hört man da häufig. Das ist aber Unsinn, meint Het Laatste Nieuws. Vier Jahre lang hatte die vollzählige Regierung Michel auch keine Marrakesch-Krise nötig, um durch haushaltspolitische Nonchalance zu glänzen. Bei jeder Haushaltskontrolle wurde noch ein bisschen mehr heiße Luft in die Zahlen geblasen. Die Mitte-Rechts-Regierung hatte einen sträflich schludrigen Umgang mit Zahlen. Hätte Michel I das Budget wie versprochen ins Gleichgewicht gebracht, dann müsste jetzt auch nicht über neue Steuern nachgedacht werden. Oder glaubt jemand in der Rue de la Loi, dass er ohne zusätzliche Maßnahmen die Kosten für die Vergreisung auffangen kann?
Bömbchen geht nach hinten los
"Der Putsch, der zum Rohrkrepierer wurde", schreibt derweil La Libre Belgique auf Seite eins. Sechs anonyme MR-Mandatsträger hatten gestern in der Zeitung Le Soir den vorzeitigen Abgang von Parteichef Charles Michel gefordert. Michel übernimmt ja am ersten Dezember den Posten des EU-Ratsvorsitzenden. Der Putschversuch wurde aber im Keim erstickt. 45 MR-Persönlichkeiten stellten sich demonstrativ hinter ihren Präsidenten. "Die MR schließt die Reihen", stellt auch Le Soir fest. "Das Bömbchen hat das Gegenteil des erhofften Effekts bewirkt", glaubt La Libre Belgique. Charles Michel hätte sich keinen besseren Plan ausdenken können, um seine Autorität innerhalb der MR noch einmal zu untermauern. Der Überraschungsschlag der sechs anonymen MR- Mandatsträger war ein Schlag ins Wasser. Und in der Tat: Für einen parteiinternen Machtkampf wäre es in diesen Zeiten der Koalitionsbildungen der denkbar schlechteste Zeitpunkt gewesen.
Chicago an der Schelde
Verblüffende Schlagzeile schließlich auf Seite eins von Gazet van Antwerpen: "Die Drogenmafia wirft Handgranaten auf das falsche Haus". In Antwerpen fliegen inzwischen quasi täglich Handgranaten. "13 Anschläge innerhalb von anderthalb Jahren, es wird zu einer traurigen Gewohnheit", schreibt resigniert Het Nieuwsblad. Gestern gab es wieder Explosionen. Es entstand schwerer Sachschaden. Gazet van Antwerpen glaubt zu wissen, wer im Visier der Attentäter war. Nur wohnt dieser Mann schon seit Monaten nicht mehr an dieser Adresse.
"Chicago an der Schelde", so weit ist es vielleicht noch nicht, aber es beginnt sich zumindest so anzufühlen, meint Het Nieuwsblad. Der Kampf gegen die Drogenschmuggler ist im Moment fast aussichtslos. Man hat schlichtweg zu spät reagiert. Jetzt sind enorme Mittel nötig, um dem Problem Herr zu werden. Eine geschäftsführende Regierung kann die entsprechenden Maßnahmen nicht ergreifen. Ein Grund mehr für die Parteien, sich jetzt endlich zu bewegen.
Roger Pint