"Wie groß ist der Schaden für die einst so unantastbare N-VA?", fragt De Morgen. "Kris Van Dijk-Affäre: N-VA vermutet Manöver des Vlaams Belang", titelt Gazet van Antwerpen.
Die Zeitungen beschäftigen sich zwei Tage nach dem Rücktritt des flämischen Parlamentspräsidenten mit den Folgen und Hintergründen des Skandals. Der N-VA-Politiker Kris Van Dijck hatte seinen Hut nehmen müssen. Zuerst hatte er mit 1,4 Promille einen Autounfall verursacht. Wenige Tage später wurden dann auch noch Vorwürfe laut, er habe seinen politischen Einfluss ausgenutzt, um einer Prostituierten, mit der er außerdem ein Verhältnis hatte, Vorteile zu verschaffen.
Het Nieuwsblad erwartet eine Abrechnung: In N-VA-Kreisen wird mittlerweile von einer Art Verschwörung ausgegangen. Es stimmt schon: Der Vlaams-Belang-Politiker Filip Dewinter hatte nach dem Rücktritt von Kris Van Dijck seinen Moment des Ruhms. Als erster Stellvertreter rückte er auf den Posten des Parlamentspräsidenten nach, wenn auch nur für gut 24 Stunden. Das Ganze ist kein hübsches Spektakel. Und Rache ist kein guter Ratgeber. Die Politik im Allgemeinen hat in den vergangenen Wochen schon genug Schaden genommen. Eine Schlammschlacht der Parteien wäre nun wirklich zu viel des Schlechten, warnt Het Nieuwsblad.
Alle haben verloren
Was ist das Traurigste an der ganzen Geschichte?, fragt De Morgen. Kurzum: Es nichts gewonnen, alle haben verloren. Und einer auf peinlichste Weise und durch seine eigene Schuld, fasst die Zeitung es zusammen.
Dass ausgerechnet am flämischen Feiertag der höchste Repräsentant Flanderns mit dem ältesten Gewerbe der Welt in Verbindung gebracht wird, hilft den Möchtegern-Saubermännern um Bart De Wever sicher nicht, stichelt das GrenzEcho. Außerdem hatte Kris Van Dijck vorher zu sehr Bacchus gefrönt, ehe er sich hinter das Steuer seines Wagens klemmte. Und dass Filip Dewinter vom Vlaams Belang erster Bürger Flanderns, wenn auch nur für Stunden, war, ist eine Schande.
Ob das aber dazu führen wird, dass Bart De Wever von seinem Ross absteigt und dabei noch einmal Bodenhaftung bekommt, ist höchst unwahrscheinlich. Der N-VA-Boss wird wohl weiter seine Spielchen spielen und versuchen, die anderen Parteien so lange vor sich herzutreiben, bis diese in der einen oder anderen Form einwilligen, seine Konföderalismusphantasien wenigstens zur Diskussion zuzulassen, prophezeit das GrenzEcho.
Kann der Verbraucher wirklich profitieren?
L'Echo befasst sich mit der angekündigten Zusammenarbeit von Proximus und Orange, bei der ja auch der dritte belgische Mobilfunkanbieter, Telenet, gerne mitmachen würde. Die drei Unternehmen haben eines immer klargemacht: Wenn die belgischen Verbraucher ein bisschen mehr zahlen müssen, dann liegt das vor allem daran, dass sie von bester Qualität bei ihrer Internetverbindung profitieren. In Belgien ist die Netzabdeckung sehr dicht und die Verbindungsgeschwindigkeit im europäischen Vergleich sehr hoch. Ob beim Digitalfernsehen oder beim Breitbandinternet – unsere Anbieter waren immer Vorreiter. Wenn wir sehen, dass Proximus und Orange sich beim Thema 5G zusammentun, dann ist das eine Kooperation zweier Champions. Allerdings: Damit Belgien ein Innovationsstandort für 5G-Technologie wird, braucht es auch den entsprechenden gesetzlichen Rahmen. Und, noch wichtiger: All dies muss auch wirklich zum Vorteil der Verbraucher geschehen. Bisher ist es trotz allem so, dass die Belgier zu viel fürs mobile Internet bezahlen, bemerkt L'Echo.
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch La Libre Belgique in ihrem Leitartikel: Kann die Zusammenarbeit von Proximus und Orange tatsächlich den Verbrauchern nutzen? Was die Qualität der Netze angeht, werden die Auswirkungen langfristig sicherlich positiv sein. Auch der Übergang hin zu 5G dürfte einfacher werden. Aber was die Preise für Telekommunikation in Belgien angeht, die momentan im europäischen Vergleich nun wirklich nicht konkurrenzfähig sind, bleiben berechtigte Zweifel. Es darf nicht passieren, dass die beiden Anbieter von ihrer Verbindung profitieren, um ein 5G-Monopol aufzubauen. Wenn das die versteckte Absicht hinter dem Vorhaben ist, dann werden die belgischen Wettbewerbshüter rasch den Markt für einen vierten Anbieter öffnen, ist sich La Libre Belgique sicher.
Europa scheint von der Bildfläche verschwunden zu sein
L'Avenir kommt auf die Beziehungen mit dem Iran zurück: An diesem Freitag sind weitere Mitglieder der Besatzung des festgesetzten iranischen Öltankers in Gibraltar festgenommen worden. Der Schritt zeigt, dass Großbritannien sich in Sachen Iran an die Position der USA annähert.
Europa scheint derweil von der Bildfläche verschwunden zu sein. Zwar haben Deutschland und Frankreich versucht, die Iraner vom Bruch des Atomabkommens abzubringen, wenn auch ohne große Erfolgsaussichten - aber diese Initiativen waren ohnehin nicht Ausdruck einer starken und geeinten EU. Dass gerade jetzt auch das Führungsteam der Europäischen Union ausgewechselt wird, hilft ebenfalls nicht. Man kann nur hoffen, dass Ursula von der Leyen, sollte sie tatsächlich Kommissionspräsidentin werden, es schafft, in dieser Angelegenheit nationale Interessen hinten anzustellen, mahnt L'Avenir.
Peter Eßer