"CDH geht in die Opposition", titelt das GrenzEcho. "Die humanistische Oppositionskur", so die Schlagzeile bei Le Soir. "Schon wieder eine Option weniger für eine Regierungskoalition", bemerkt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
Die frankophonen Zentrumshumanisten von der CDH haben am Mittwoch beschlossen, sich weder auf föderaler, noch auf regionaler und gemeinschaftlicher Ebene an Regierungen beteiligen zu wollen. Die Parteispitze begründet das mit den deutlichen Verlusten bei den Wahlen am 26. Mai. Die Zeit in der Opposition will die Partei nutzen, um sich neu aufzustellen.
Dazu kommentiert La Libre Belgique: Der Schritt ist weise. Doch einfach nur in der Opposition sein wird nicht reichen, um wieder Gewicht im politischen Machtspiel zu bekommen. Die Zentrumshumanisten müssen die Zeit nutzen, um ihre Botschaft grundlegend neu zu formulieren. Sie müssen darüber nachdenken, wofür sie eigentlich stehen. Zurzeit ist das nämlich nicht klar. Die Partei hat immer gesagt, wofür sie nicht ist. Aber wofür sie konkret steht und was sie will, das weiß man eigentlich nicht, bemängelt La Libre Belgique.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo hält fest: Die Entscheidung ist historisch für eine Partei, die gefühlt eigentlich immer mit in allen Regierungen saß. Die CDH, das ist eine Regierungspartei par excellence. Politisch in der Mitte kann sie sowohl mit Rechts, als auch mit Links. Der Schritt in die Opposition ist deshalb auch riskant. Denn um in der Opposition zu bestehen, benötigt man einen guten Schuss Radikalität. Das ist allerdings nicht wirklich das Kerngeschäft der Zentrumshumanisten, urteilt L'Echo.
Auch Le Soir meint: Nachdem die Christsozialen 126 Jahre auf der föderalen Ebene und 33 von 38 Jahren in der Wallonie an der Macht waren, gehen sie jetzt freiwillig in die Opposition. Das ist historisch. Eine historische Verantwortung. Für die CDH ist zu hoffen, dass der Schritt nicht zu einem historischen Fehler wird. Denn ob es wirklich verantwortungsvoll ist, was die Partei jetzt macht, ist umstritten. Aus Sicht der Partei mag das durchaus sein. Aber mit Blick auf die Gesellschaft eher nicht. Denn durch den Schritt überlässt die CDH es allen anderen Parteien, Lösungen für die Bildung von Regierungskoalitionen zu finden, kritisiert Le Soir.
Eine Entscheidung mit Folgen
De Tijd zieht eine Parallele: Wie vor fünf Jahren hat auch jetzt wieder die CDH für eine erste Entscheidung im Regierungsbildungs-Poker gesorgt. Damals gab sie ihr Einverständnis zu einer Regierung mit der PS in der Wallonie. Diesmal verweigert sie sich jeglicher Regierungsverantwortung. Damals wie heute hat das Folgen. Es bringt die MR als Regierungspartner wieder ins Spiel. Gleichzeitig macht die CDH Ecolo überflüssig. Nirgends würden die frankophonen Grünen mehr gebraucht, um eine Regierung zu bilden, wenn PS und MR jetzt quasi gezwungenermaßen zusammenarbeiten würden, analysiert De Tijd.
Het Laatste Nieuws allerdings glaubt: Auf Ecolo werden PS und MR in der Wallonie nur schwer verzichten können. Rein rechnerisch würden die Grünen für eine Mehrheit zwar nicht gebraucht. Aber sie sind der klare Wahlsieger. So eine rot-blau-grüne, sprich lila-grüne Koalition könnte dann auch mit den jeweiligen Schwesterparteien aus Flandern auf föderaler Ebene für eine Mehrheit sorgen. Utopisch? Nicht unbedingt. Aber für die flämischen Liberalen von der OpenVLD wäre es wahrscheinlich ein Selbstmord auf Raten. Im Föderalparlament würden sie dann durch die flämischen Mehrheitsparteien unter Dauerbeschuss genommen. Parteien, denen die OpenVLD eigentlich inhaltlich näher steht, als den Grünen und Sozialisten, so Het Laatste Nieuws.
Hinter der neuen Fassade das alte Gedankengut
Gazet van Antwerpen kommt zurück auf die umstrittenen Äußerungen von Politikern des Vlaams Belang in den vergangenen Tagen: Die Parteispitze hat sich über diese Äußerungen aufgeregt. "Dumme Gans" schrieb der stellvertretende Parteichef Chris Janssens über Dominiek Sneppe. Die hatte sich abfällig über Schwule, Lesben und Bisexuelle geäußert.
Es gehört zum neuen Bild, das sich die Partei geben möchte, dass man sich über solche Äußerungen aufregt. Doch für den Außenstehenden sind solcher Entgleisungen nützlich. Denn sie zeigen, dass hinter der neuen Fassade, die der Vlaams Belang sich gerade durch das Gesicht seines Vorsitzenden Tom Van Grieken gibt, das alte Gedankengut weiter gepflegt wird, unterstreicht Gazet van Antwerpen.
Statt Nostalgie: die Zeichen der Zeit erkennen
In der Normandie wird am Donnerstag der Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg gedacht. Vor genau 75 Jahren begann damit die Befreiung Westeuropas von Nazi-Deutschland. Dazu kommentiert das GrenzEcho: Heute und in den nächsten Monaten wird die europäisch-amerikanische Freundschaft wieder gefeiert werden. Doch statt sich jetzt von Nostalgie einlullen zu lassen, wäre Europa gut beraten, die Zeichen der Zeit zu erkennen.
Trumps ostentative Freude über den Brexit beweist, dass ein starkes Europa einem "America first" im Weg steht. Europa sollte die ohnehin ausgetrocknete Nabelschnur zu den USA durchtrennen und den Blick endlich nach außen richten. Die neue multipolare Welt hat einen Platz für Europa bereit. Sie wird aber nicht ewig auf Europa warten, mahnt das GrenzEcho.
Kay Wagner