"Alles weist auf Mord hin", titeln gleichlautend Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad. "Mordermittlung eröffnet", heißt es bei La Dernière Heure auf Seite eins. Und Gazet van Antwerpen schreibt: "Nur noch wenig Hoffnung für Julie".
Viele Zeitungen berichten auf ihren Titelseiten vom Verschwinden einer 23-jährigen Frau am Samstagabend in Antwerpen. Sie war mit dem Fahrrad unterwegs, um sich mit Freundinnen zu treffen. Doch bei denen kam sie nie an. Die Polizei vermutet, dass die Frau Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein könnte.
Die Leitartikel beschäftigen sich allerdings mit anderen Themen. Gleich mehrere greifen die Ankündigung der Busfahrer der flämischen Nahverkehrsgesellschaft De Lijn auf, ab heute am Brüsseler Nordbahnhof nicht mehr zu halten. Sie wollen damit gegen die angeblich unhaltbaren hygienischen Zustände protestieren. Für diese seien vor allem die vielen Flüchtlinge am Nordbahnhof verantwortlich.
Unhaltbare Zustände, die alle angehen
Le Soir kommentiert: Die Busfahrer haben Recht, und das Problem, das sie ansprechen, ist nicht nur ihr Problem und das Problem ihrer Fahrgäste. Sondern die unhaltbaren Zustände am Nordbahnhof gehen uns alle an. Es kann nicht sein, dass Belgien es länger duldet, 200 bis 300 Menschen dort einfach vor sich hin vegetieren zu lassen. Das ist ein menschliches Chaos. Seit zwei Jahren passiert nichts. Es ist dringend Zeit, dass dafür eine Lösung gefunden wird. Sonst entsteht immer mehr der Eindruck, dass sich in Brüssel niemand für irgendwas zuständig fühlt, mahnt Le Soir.
De Standaard erinnert: Fast auf den Tag genau vor einem Jahr war es, als der damalige Innenminister Jan Jambon in der Kammer angekündigt hat, dass man sich jetzt auf einen konkreten Aktionsplan geeinigt hätte. Der Nordbahnhof sollte wieder den Reisenden zurückgegeben werden. Und was ist passiert? Nichts. Keiner hat es gewagt, sich an dem Thema die Finger zu verbrennen. Das muss sich dringend ändern. Dass Menschen mitten in Belgien unter menschenunwürdigen Bedingungen einfach vor sich hin leben, kann nicht länger hingenommen werden. Es muss jetzt gehandelt werden!, fordert De Standaard.
Spannendes Fernsehen war das nicht
De Morgen kommt auf das TV-Duell zwischen Bart De Wever und Hilde Crevits gestern in der VRT zurück. Beide sind Spitzenkandidaten ihrer Parteien, der N-VA und der CD&V, für das Amt des flämischen Ministerpräsidenten. Die Zeitung hält fest: Wer sich einen heftigen Schlagabtausch zwischen den beiden Politikern erhofft hatte, wurde enttäuscht. Gestern wurde keine Schlammschlacht ausgetragen, sondern tatsächlich debattiert. Vorstellungen und Vorschläge wurden ausgetauscht – es sah fast so aus, als ob schon eine gemeinsame Strategie, gerade in Sachen Bildungspolitik, entworfen würde. Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass die Zukunft Flanderns in einer Zusammenarbeit von N-VA und CD&V liegt. Mit Hilde Crevits hat die CD&V jetzt eine Frau an der Spitze, die an Angela Merkel erinnert. Bart De Wever lenkte gestern den Kurs seiner Partei wieder Richtung Mitte. Gut denkbar, dass hieraus so etwas wie das flämische Pendant zur deutschen CDU-CSU-Zusammenarbeit entstehen könnte, orakelt De Morgen.
Gazet van Antwerpen notiert: Spannendes Fernsehen war das gestern nicht. Das fand selbst die VRT. Als wichtigste Eilmeldung aus der Debatte versendete sie die Aussage von Bart De Wever: "Die CD&V wird nur dann den Ministerpräsidenten stellen können, wenn Rot und Grün mit in der Regierung sitzen. Dazu sag' ich: Nicht mit uns!". Eine Überraschung war das nicht. Und was Bart De Wever auf regionaler Ebene noch klar ablehnt, könnte ihm beziehungsweise seiner Partei auf föderaler Ebene durchaus drohen, nämlich eine Zusammenarbeit mit Rot und Grün aus dem südlichen Landesteil, analysiert Gazet van Antwerpen.
La Dernière Heure ärgert sich darüber, dass sich wieder vermehrt flämische Politiker abwertend gegenüber den Wallonen äußern. Das beschränkt sich nicht auf Jan Jambon, führt die Zeitung aus, der ja vor den Milliardentransfers an die Wallonen gewarnt hat, die faul in ihren Hängematten herumliegen würden. Auch N-VA-Parteikollege Theo Francken stößt ins gleiche Horn. Zwar sprach der nicht von "Hängematten", bemühte aber das "Trampolin", auf das man die Wallonen werfen müsste, um sie wieder zum Arbeiten zu bringen. Und Gesundheitsministerin Maggie De Block von der OpenVLD machte das wallonische Quotensystem dafür verantwortlich, dass es zu wenige Allgemeinmediziner im südlichen Landesteil gibt. Solche abwertenden Bemerkungen wird es weiter geben. Der Wallone als Sündenbock des Flamen. Aber nein: Die Wallonen sind nicht verantwortlich für das, was in Flandern schlecht läuft, giftet La Dernière Heure.
Weiter wallonische Waffen nach Saudi-Arabien?
La Libre Belgique beschäftigt sich mit der möglichen Ausfuhr von Waffen nach Saudi-Arabien und notiert: Nichtregierungsorganisationen vermuten Waffen aus der Wallonie auf einem Containerschiff, das gestern den Hafen von Antwerpen verlassen hat. Diesem Verdacht muss unbedingt nachgegangen werden. Es darf nicht sein, dass Belgien weiter Waffen an ein Regime liefert, das zu den barbarischsten auf der Welt gehört, Menschenrechte täglich missachtet und im Jemen einen schändlichen Krieg führt, empört sich La Libre Belgique.
Kay Wagner