Bis zu den Wahlen ist es noch über ein Monat. Das sich ankündigende Spitzenduell zwischen Charles Michel und Jan Jambon beschäftigt aber dennoch schon die Leitartikler.
Wenn der Wahlkampf anläuft, können auch die Postenspielchen beginnen, hält etwa Het Nieuwsblad fest. Ex-Innenminister Jan Jambon (N-VA) und der amtierende Regierungschef Charles Michel (MR) sind jetzt offiziell Kandidaten für das Amt des Premiers. Die anderen Parteien lassen sich noch nicht in die Karten gucken. Also schauen wir uns die zwei Kampfhähne im Ring an: Mit der offiziellen Kandidatur von Jambon will die N-VA vor allem Seriosität ausstrahlen und deutlich machen, dass vergangene Träumereien von einem unregierbaren Belgien nach dem 26. Mai lediglich "Witze" waren. Michel hingegen sucht momentan in erster Linie die Konfrontation mit den anderen frankophonen Parteien, analysiert Het Nieuwsblad.
Bei beiden geht es um die Wahlkampfstrategie, nicht um die Vorwegnahme von Koalitionsverhandlungen, glaubt De Standaard. Die N-VA möchte angesichts des unerwarteten Bruchs mit der Regierungskoalition wegen des UN-Migrationspaktes die Wähler in der Mitte nicht abschrecken. Seit den Kommunalwahlen weiß die Partei, dass auf der rechten Seiten Verluste drohen. Sie weiß aber auch, dass eine Radikalisierung ihrer rechten Flanke keinen Erfolg garantiert. Deshalb ist Jan Jambon der Spitzenkandidat der flämischen Nationalisten - und nicht etwa Ex-Asylstaatssekretär Theo Francken. Charles Michel genießt im frankophonen Belgien noch den Bonus des Amtsinhabers. Allzu oft erweckte er aber den Anschein, nur ein Strohmann der verteufelten N-VA zu sein. Seine Chancen, Regierungschef zu bleiben, sind begrenzt, meint De Standaard.
Der Feind im Innern
L'Echo nimmt den letzten Auftritt von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident im Europarlament zum Anlass, um Bilanz zu ziehen: Der Luxemburger ist der letzte Politiker aus der Zeit von Mitterand, Kohl, Delors und Maystadt. Sie hatten Europa vereint und die Gemeinschaftswährung eingeführt. Jean-Claude Juncker gehört zu denjenigen, die Europa mit einer selbstlosen Vision aufgebaut haben. Den zahlreichen Krisen begegnete er mit kühlem Kopf und Strategie. Juncker wollte eine politische EU-Kommission - und er hat sie bekommen. Selbst unter dem Eindruck der nationalistischen Kakophonie der Orbáns und Salvinis.
Aber man wird sein Erbe an den Dutzenden Legislativprojekten messen. Dabei stehen hervor: die Abschaffung der Roaming-Gebühren, das Vorgehen gegen US-Internetkonzerne, der Verbraucherschutz und das soziale Europa. Schwächen gab es vor allem bei Steuerfragen und der Umweltpolitik, schließt L'Echo.
L'Avenir kommentiert anlässlich der Rede von Juncker im EU-Parlament den allgemeinen Zustand der Europäischen Union: Heute müssen sich die Europäer nicht einmal mehr vor den wiederholten Angriffen Donald Trumps auf die Produkte des alten Kontinents fürchten. Der Feind kommt von innen: Er heißt Desillusion, Misstrauen, Politikverdrossenheit und Egoismus. Dagegen kommt auch der Enthusiasmus eines Kommissionspräsidenten kaum an, befürchtet L'Avenir.
Reale Entgleisungen und Fake News
La Dernière Heure beschäftigt sich mit den Reaktionen auf den Brand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame: Neben all der Anteilnahme kursierten im Internet auch hämische und beleidigende Kommentare, wie zum Beispiel "Scheiß auf Frankreich" oder "Allah ist groß". Diese Reaktionen sind absolut dämlich. Wir dürfen aber die riesige Anteilnahme der muslimischen Gemeinde an der Katastrophe nicht vergessen. Die Große Moschee von Paris beispielsweise hat zu Spenden für den Wiederaufbau der Kathedrale aufgerufen.
Neben realen Entgleisungen gab es aber auch eine Menge Fake News, Gerüchte und falscher Nachrichten. Der von Russland finanzierte Fernsehsender Sputnik etwa verbreitete Bilder, die nahelegten, dass Muslime über den Brand von Notre-Dame lachten. Dabei war in keiner Weise deutlich, dass die gezeigten Personen tatsächlich Muslime sind. Nicht einmal, dass sie lachten, war eigentlich eindeutig, warnt La Dernière Heure.
In der Rue de la Loi herrscht Stille
Der Leitartikler von De Tijd befasst sich mit dem Sozialkonflikt bei der Flugaufsicht Skeyes: Die Leitung des Luftverkehrs ist ein öffentliches Interesse. Skeyes ist zudem ein Unternehmen, das zu 100 Prozent dem Staat gehört. In der Rue de la Loi herrscht allerdings seit Wochen Stille, was die Probleme bei Skeyes angeht. Hat irgendjemand etwas von Verkehrsminister François Bellot dazu gehört? Nein. Arbeitsminister Kris Peeters hat immerhin einen Sozialen Dialog angeleiert, um im Arbeitskampf zu vermitteln. Das ist nun fast drei Wochen her und hat bislang keine Ergebnisse gebracht.
Scheinbar hält es die Föderalregierung nicht für nötig, mehr zu unternehmen, um die Probleme bei Skeyes zu lösen. Dabei ist es die verdammte Pflicht der Regierung, einen reibungslosen Flugverkehr zu garantieren. Damit ist sie krachend gescheitert. Die Wahlen kommen immer näher und die Herrschaften haben so viel Druck und allerlei anderes zu tun und können sich nicht mehr um die praktischen Dinge kümmern, die in unserem Land nicht funktionieren. Aber wenn diesen Problemen nicht bald die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wird, kann uns das teuer zu stehen kommen, wettert De Tijd.
Peter Eßer