"Drittes Mal 'Nein' für May: Jetzt sind die Briten wirklich sauer", notiert Het Laatste Nieuws auf Seite eins. "Und am Ende heißt es immer 'Nein'", titelt Le Soir. "Rückblick auf zwei Jahre, die zum aktuellen Chaos beim Brexit geführt haben", schreibt La Libre Belgique.
Die jüngsten Ereignisse zum Austritt von Großbritannien aus der EU sind heute das große Thema für die Leitartikler. Gestern hatte das britische Unterhaus zum dritten Mal den Austrittsvertrag abgelehnt, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte. Jetzt bleiben noch zwei Optionen übrig, wie Le Soir schon auf seiner Titelseite informiert: ein Brexit ohne Vertrag am 12. April oder eine langfristige Verschiebung des Brexits.
Absurder als jeder Monty Python-Film
Het Nieuwsblad kommentiert: Der Brexit ist mittlerweile absurder als jeder Monty Python-Film. Die britische Politik ist gelähmt. Alles dreht sich nur noch um die Trennung von der EU. Und die Bürger sind mittlerweile komplett desillusioniert von ihren Politikern. Ob es nun zu einem harten Brexit oder zu einer Verlängerung der Frist kommt: Der Brexit hat Wunden geschlagen, die erst in mehreren Jahren vollständig heilen werden. Egal, bei wem man nachfragt – sowohl bei Befürwortern des Brexits als auch bei Gegnern – alle Briten fühlen sich zurzeit verraten, informiert Het Nieuwsblad.
L'Echo orakelt: Bei der Suche nach Auswegen aus der verfahrenen Situation erscheint ein zweites Referendum als die plausibelste aller Alternativen. Im Vergleich zum ersten Referendum, das schon im Vorfeld von Falschmeldungen und Lügen geprägt war, würden die Briten diesmal wissen, worüber sie abstimmen. Sie wüssten heute, welche Konsequenzen sie bei einem Austritt aus der EU zu befürchten hätten. Wie hart das auch Großbritannien selbst treffen würde, analysiert L'Echo.
De Morgen glaubt: Zu einem harten Brexit wird es jetzt wohl nicht mehr kommen. Denn beide Seiten, nämlich die EU und Großbritannien, haben mittlerweile erkannt, dass die Folgen zu verheerend sein würden. Es wird immer wahrscheinlicher, dass die Briten doch noch an den Europawahlen teilnehmen werden. Ein möglicher Austritt würde dann sicher bis 2020 dauern. In der Zwischenzeit könnten die Briten wieder Ordnung bei sich schaffen. Sie könnten Neuwahlen organisieren. Und auch ein neues Referendum abhalten. Nach drei Jahren Brexit-Chaos hätten die Bürger dann immerhin eine neue Sicht auf das, was bei einem Austritt auf sie zukäme, vermutet De Morgen.
Gazet van Antwerpen rät: Das Beste wäre jetzt, eine Pause im Brexit-Prozess einzulegen – so wie das Karel De Gucht diese Woche vorgeschlagen hat. Diese Pause sollte einige Jahre dauern, damit die politischen Parteien sich gründlich überlegen können, was sie denn eigentlich wollen. Und vor allem auch, damit die Bürger selbst überlegen können, was sie wollen. Dann sollen sie noch mal neu entscheiden über einen Brexit. Das wäre der vernünftige Weg. Und es wäre endlich Schluss mit dem unsäglichen Theater, das da gerade in London aufgeführt wird, wettert Gazet van Antwerpen.
Auch La Libre Belgique schimpft: Drei Tage, bevor ihr Land eigentlich aus der EU austreten sollte, fangen die Briten an, erstmals über den Brexit zu debattieren. Der Demokratie wird damit wahrlich nicht gedient. Aber die ganze Brexit-Saga zeigt: Politik kann nur gelingen, wenn sie langfristig geplant ist. Sonst scheitert sie und hinterlässt Chaos. Wenn diese Lehre in Belgien oder auch der EU aus dem Brexit gezogen würde, wäre das Ganze immerhin für etwas gut, versucht La Libre Belgique den Ereignissen etwas Positives abzugewinnen.
Die Bürger warten nicht mehr auf die Politik
Le Soir kommt auf das in der Kammer vorläufig abgelehnte Klimagesetz zurück und führt aus: Aus Sicht der Schüler und der Bürger, die in den vergangenen Monaten für eine ambitioniertere Klimapolitik auf die Straße gegangen sind, kann man dieses Scheitern natürlich bedauern. Doch diese Menschen sollten auch sehen, was ihr Protest alles gebracht hat: Klimapolitik ist plötzlich zum Topthema geworden. Das ist ein Riesenerfolg der Aktivisten. Und ein Zeichen dafür, wieviel Bürgerinitiativen bewirken können. Auch in anderen Bereichen sehen wir immer häufiger, dass die Bürger nicht mehr auf die Politik warten, um zu handeln. Die Bürger organisieren sich selbst und werden aktiv. Die Politiker wären gut beraten, dieses Engagement ernst zu nehmen, empfiehlt Le Soir.
Vereinsamung hat viele Gesichter
De Standaard beschäftigt sich mit einer Studie der flämischen Regierung: Die hat herausgefunden, dass immer mehr Flamen sich einsam fühlen und isoliert. Dazu meint die Zeitung: Vereinsamung hat viele Gesichter. Es sind nicht nur die alten Menschen, deren Lebenspartner verstorben sind, die immer weniger Verwandte und Bekannte haben und sich nur noch schlecht bewegen können, die sich einsam fühlen. Auch junge Menschen und welche, die in Beziehungen leben, können sich verlassen fühlen. Was kann man dagegen tun? Strukturell wirkende Rezepte gegen Vereinsamung gibt es nicht. Ein Gemeinschaftsgefühl müsste erzeugt werden. Doch das lässt sich nicht von jetzt auf gleich erreichen. Die Befriedigung solcher menschlichen Bedürfnisse lässt sich eben nicht per Knopfdruck verwirklichen. Leider, bedauert De Standaard.
Kay Wagner