"Die EU verschiebt den Brexit-D-Day", titelt De Standaard. "Brexit: Die EU schlägt zwei Aufschubs-Optionen vor", so die Schlagzeile von Le Soir. Spät am Abend hat sich der EU-Gipfel auf eine neue Vorgehensweise in Sachen Brexit verständigt. Die britische Premierministerin Theresa May hatte einen Aufschub bis zum 30. Juni beantragt. Den bekommen die Briten aber nicht. Das wäre nämlich nach den Europawahlen.
Deswegen legten die 27 verbleibenden EU-Staaten jetzt zwei mögliche Szenarien fest: Wenn das britische Parlament nun doch noch den Deal von Theresa May verabschiedet, dann gibt es einen "technischen Aufschub" bis zum 22. Mai, um also den Ausstieg vorbereiten zu können. Wenn es keine Einigung auf einen Deal gibt, dann müssen die Briten bis zum 12. April entscheiden, ob sie Europawahlen organisieren oder nicht. Wollen sie das nicht, dann sind sie am 12. April ohne Deal draußen. "Die europäischen Staats- und Regierungschefs legen den Brexit-Druck wieder in das Lager der Briten", so fasst es de Tijd zusammen. Het Nieuwsblad ist plastischer: "Europa legt den Briten das Messer an die Kehle".
Brüsseler Anschläge: Justiz geht neue Wege
Viele Zeitungen erinnern heute an die Anschläge vom 22. März 2016. "Drei Jahre schon", stellt La Dernière Heure fest. Viele Blätter berichten bei der Gelegenheit über die Opfer der beiden Attentate am Brussels Airport und in der Metrostation Maelbeek. "Nach drei Jahren warten sie immer noch auf Hilfe", prangert etwa Het Nieuwsblad an. Die Angehörigen fühlen sie nach wie vor allein gelassen. De Standaard hat wieder Karen Northshield besucht. Die junge Frau hatte am 22. März grässliche Verletzungen davongetragen und hat die letzten drei Jahre weitgehend im Krankenhaus verbracht. Inzwischen hat sie 50 Operationen über sich ergehen lassen müssen. Und auch sie fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen.
Inzwischen wirft der Prozess in dieser Mega-Akte seine Schatten voraus. "Brüsseler Attentate: Prozess 'hoffentlich' im Jahr 2020", bemerkt etwa das GrenzEcho dazu. "Das Verfahren dürfte mindestens sechs Monate dauern", berichtet La Libre Belgique. "Der 22. März hat die Justiz verändert", konstatiert seinerseits Le Soir. Allein der schiere Umfang des Dossiers hat dazu geführt, dass die Justiz neue Wege gehen musste.
Wir vergessen nicht, aber wir blicken nach vorne, meint dazu La Libre Belgique. Die Ermittlungen haben einen enormen Umfang und gestalten sich als schwierig. Dies nicht zuletzt, weil die beiden Drahtzieher tot sind, nämlich Oussama Atar und Abdelhamid Abaaoud. Dabei dürfen die Opfer aber nicht vergessen werden. Noch können wir die Seite nicht umblättern; stehenbleiben dürfen wir aber auch nicht.
Die Zeit ist eine relative Größe, meint Le Soir in seinem Leitartikel. Drei Jahre: Für die Opfer und Angehörigen fühlt sich das an, als wäre es gestern gewesen. Für die Justiz sind diese drei Jahre eine bloße Zwischenetappe auf dem langen Weg hin zu einem Prozess. Die Zeit ist aber auch gleichbedeutend mit einem Prozess des "Sich-Gewöhnens". Wir haben gelernt, mit der Bedrohung zu leben. Und wir haben zugleich Gesetze akzeptiert, die unsere Freiheiten einschränken. Populisten aller Couleur würden diese Freiheiten gerne noch weiter einschränken. Wenn wir das zulassen, wäre das auch ein Sieg für die Terroristen.
Politischer Erdrutsch in den Niederlanden
Apropos Populisten. In den Niederlanden hat sich bei den jüngsten Provinzwahlen ein politischer Erdrutsch ereignet. Die Bewegung "Forum für Demokratie", kurz FvD des Rechtspopulisten Thierry Baudet wurde überraschend zur stärksten politischen Kraft. "Und das legt eine Bombe unter die Regierung von Premierminister Mark Rutte", analysiert De Tijd. Die niederländische Parteienlandschaft wird damit jedenfalls einmal mehr kräftig durchgeschüttelt.
Wahlen wirken mehr denn je wie Russisch Roulette, findet Het Belang van Limburg. Populisten sind dazu in der Lage, buchstäblich über Nacht neue Fakten zu schaffen. Gerade in den Niederlanden muss man feststellen, dass der Wähler extrem volatil geworden ist. immer mehr Bürger fühlen sich hingezogen zu Parteien mit extremen Standpunkten. Erst recht, wenn an der Spitze solcher Parteien charismatische Führer stehen wie der smarte Thierry Baudet, der ebenso klug wie gutaussehend ist.
"Nackt, großkotzig, aber ein Sieger-Typ", so porträtiert Gazet van Antwerpen den neuen Wonderboy der niederländischen Politik. Thierry Baudet hat sogar Nacktbilder von sich veröffentlichen lassen. Politisch ist er verwandt mit Donald Trump, verweist etwa vergleichsweise unverhohlen auf den großen rechtsradikalen Traum von einer puren, überlegenen, weißen Gesellschaft. Und um Tatsachen geht es ihm auch nicht. Der Doktor der Rechtswissenschaften hält nichts von wissenschaftlichen Erkenntnissen, bezweifelt etwa den Klimawandel. Populisten schaffen eben ihre eigene Wirklichkeit. In letzter Konsequenz kann das dramatische Folgen haben.
Auch De Morgen sieht diese Gefahr. In seiner Siegesrede hat Baudet ein Plädoyer gehalten für ein weißes Europa, was düstere Erinnerungen weckt an die faschistischen Säuberungen. Außerdem hat er wenig Respekt für freie Meinungsäußerung, freie Presse und Wissenschaft.
Rechtspopulismus hat den Zenit noch nicht überschritten
Seine Mischung aus Abendland-Pessimismus und einem geschwollenen Nationalismus könnte eigentlich als lächerliche Karikatur durchgehen, meint De Standaard. Und doch konnte sich einer von sechs Niederländer dafür begeistern. Jeder neue extremrechte Aufsteiger wirkt ausgekochter. Zwei Monate vor den Europawahlen zeigt uns sein Wahlsieg, worum es in Zukunft gehen wird.
Rechtspopulismus wurde in den Niederlanden schon zweimal für tot erklärt. Jetzt müssen wir erkennen, wir voreilig das war, konstatiert Het Nieuwsblad. Nach Pim Fortuyn und Geert Wilders ist nun wieder ein rechter Tribun aufgestiegen. Auch in Belgien hat so mancher geglaubt, dass der Rechtspopulismus seinen Zenit überschritten hat. Die Niederlande zeigen, dass so viel Selbstzufriedenheit fehl am Platze ist.
Het Laatste Nieuws sieht das genauso. Vor zwei Jahren dachte Europa noch, dass die Bestie besiegt sei. Da war offensichtlich der Wunsch der Vater des Gedankens. Thierry Baudet sorgt in den Niederlanden für einen Urknall. Seine Partei besteht seit drei Jahren und hat drei Standpunkte: gegen die Migration, gegen die EU und gegen eine Klimaschutzpolitik. Exakt diese Bruchlinien gibt es auch bei uns. Baudet hat die Wahl insbesondere im Internet gewonnen, mit einem gnadenlosen Krieg in den Sozialen Netzwerken, wo Wahrheit und Wissenschaft keine Rolle spielten. Und auch das sehen wir auch schon bei uns.
Roger Pint