"Theresa May versucht, die 27 zu einer Verschiebung des Brexits zu bringen", titelt La Libre Belgique. "EU stellt Großbritannien vor die Wahl: Mays Deal oder No deal", schreibt De Tijd auf Seite eins. Beim heutigen EU-Gipfel in Brüssel will die britische Premierministerin Theresa May die anderen Staats- und Regierungschefs darum bitten, den Brexit um drei Monate zu verschieben. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat allerdings schon deutlich gemacht, dass die EU dem nur zustimmen werde, wenn die Briten zuvor den Austrittsvertrag annehmen. Ansonsten werde es am 29. März zu einem Brexit ohne Vertrag kommen.
De Tijd analysiert: Tusk setzt May damit unter Druck. Aber er hat Recht. Fast drei Jahre lang hatten die Briten Zeit, sich auf ihren Austritt aus der EU vorzubereiten. Das Theater, das sie jetzt kurz vor Schluss aufführen, muss endlich aufhören. Sonst droht das Chaos auch noch auf die EU überzugreifen. Dann lieber einen harten Brexit. Auch, wenn das gerade für die flämischen Unternehmen die schlechteste aller Lösungen wäre, bedauert De Tijd.
De Standaard sieht das genauso und führt aus: Wenn die EU den Briten einen Aufschub gewährt, ohne dass sie zuvor den Austrittsvertrag angenommen haben, ist das Chaos gleichsam schon vorprogrammiert. Denn wer kann schon sagen, dass die Briten am 30. Juni dann wirklich mehr wissen als heute? Wenn dann weiterhin nichts geregelt wäre, würden sie weiter in der EU bleiben. Das Europaparlament, das dann gerade ohne britische Abgeordnete neu gewählt worden wäre, hätte dann ein Legitimitätsdefizit. So ein Risiko darf die EU nicht eingehen. Tusks harte Linie ist richtig, schlussfolgert De Standaard.
Auch Het Belang van Limburg meint: Die Briten tun gerade so, als ob sie den Zeitplan für ihren Brexit bestimmen könnten. Die EU habe dem nur zuzustimmen. Deshalb ist es völlig legitim, dass die EU dem gegensteuert. Viele EU-Mitgliedsstaaten haben das britische Hin und Her satt. Schon gestern war aus EU-Kreisen zu hören, dass viele die britische Bitte um einen Aufschub des Brexits gerne mit Nein beantworten würden, so Het Belang van Limburg.
Trennung von Orbán – naja, zumindest ein bisschen
Le Soir bemerkt zur Entscheidung der Europäischen Volkspartei EVP, die Mitgliedschaft der Fidesz-Partei von Ungarns umstrittenem Premierminister Viktor Orbán für sechs Monate auszusetzen: Die EVP hat sich damit um eine klare Entscheidung gedrückt. Und jedem ist klar warum: Sie will zunächst Zeit gewinnen, um das lästige Thema Orbán nicht mit in den Wahlkampf zu schleppen. Der deutsche EVP-Fraktionsführer Manfred Weber will ja die Wahlen gewinnen und dann EU-Kommissionspräsident werden. Danach ist immer noch Zeit, zu schauen, was man mit Orbán macht, kritisiert Le Soir.
Anders La Libre Belgique, die findet: Das war eine gute Entscheidung der EVP und ein Sieg für die belgischen Christdemokraten. Sie hatten als erste eine Trennung von Orbán gefordert. Und sicher, die Trennung ist noch nicht ganz vollzogen. Aber dass Orbán wirklich eines Tages wieder voll in die EVP aufgenommen wird, scheint unwahrscheinlich. Das bedeutet eine Schwächung der EVP. Aber das, was sie an Kraft einbüßt, wird sie sicher an Geradlinigkeit gewinnen. Und das ist gar nicht mal so schlecht, freut sich La Libre Belgique.
Wallonisches Trauerspiel in (zurzeit) drei Akten
Zur Regierungskrise in der Wallonie kommentiert L'Echo: Nach der Publifin-Affäre hatte man geglaubt, dass in der Wallonie jetzt wieder Ernsthaftigkeit in das politische Leben einziehen würde. Das aktuelle Theater in Namur zeigt: Man hat sich getäuscht. Es ist ein Trauerspiel mit zurzeit drei Akten. Akt eins: Die unbedeutende MR-Abgeordnete Patricia Potigny verlässt aus eher persönlichen Gründen ihre Partei. Dadurch verliert die Regierung aus MR und CDH ihre Mehrheit. Akt zwei: Die rechten Listes Destexhe, zu denen Potigny übergelaufen ist, nehmen das ganze Parlament in Geiselhaft. Der demokratische Abstimmungsprozess wird ausgesetzt. Akt drei: Der CDH-Präsident und Abgeordnete im Parlament, Maxime Prévot, ist auf einem Trail in Lappland und wäre sowieso bei der Abstimmung über ein Gesetz, das für die Regierung äußerst wichtig ist, nicht anwesend gewesen. So sieht es aus in der Wallonie. Wer bislang noch nicht wusste, ob er sein Interesse an der Politik verlieren soll, hat jetzt eine deutliche Entscheidungshilfe bekommen, ätzt L'Echo.
L'Avenir notiert: Dass MR und CDH gestern die Abstimmung im wallonischen Parlament verschoben haben, ist schlecht für die Demokratie. PS und Ecolo haben da Recht mit ihrer Kritik. Denn eine Abstimmung nur zu verschieben, weil es gerade turbulent ist und Prévot in Lappland auf Rentieren herumreitet, entspricht nicht demokratischen Prinzipien, schimpft L'Avenir.
Erstaunliches Verständnis für die Unzufriedenheit
De Morgen schreibt zum gestrigen Streik der flämischen Lehrer: Es war schon erstaunlich, zu sehen, dass alle Parteien die Lehrer unterstützt haben. Alle Parteien hatten Verständnis für die Unzufriedenheit der Lehrer und waren sich einig, dass alles besser werden müsse. Gerade von der N-VA und der OpenVLD ist das erstaunlich. Beide sitzen seit 2004 fast ununterbrochen in der flämischen Regierung. Gerade sie hätten für eine bessere Ausstattung der Schulen sorgen können, betont De Morgen.
Kay Wagner