"Die Grünen sind die größte politische Familie des Landes", so die Schlagzeile auf Seite eins von Le Soir und Het Laatste Nieuws. Beide Zeitungen veröffentlichen zusammen mit den Fernsehsendern RTL-TVI und VTM ihr neues Politbarometer. Und das scheint den Höhenflug der Umweltparteien zu bestätigen.
In Brüssel ist demnach Ecolo sogar die stärkste politische Partei. In Flandern landet Groen auf Platz zwei, allerdings ganze zwölf Punkte hinter der N-VA, die immer noch mit rund 27 Prozent unangefochten an der Spitze steht. "Die N-VA wird nicht für den Sturz der Regierung abgestraft", analysiert Le Soir. In der Wallonie landet Ecolo auf Platz drei, kann aber sein Ergebnis im Vergleich zur letzten Wahl 2014 verdoppeln.
Grüne Welle
Die grünen Parteien profitieren natürlich von der derzeitigen Mobilisierung für den Klimaschutz. Het Laatste Nieuws drückt es so aus: "Dem günstigen Klima sei es gedankt". "Grüne Welle bestätigt – Liberale im Abwärtsstrudel", so fasst das GrenzEcho die Ergebnisse des Politbarometers zusammen. Denn in der Tat: Insbesondere die frankophonen Liberalen MR haben schon bessere Zeiten erlebt. Die sozialistische PS kann nach ihrem Stimmungstief die Talfahrt immerhin stoppen. Insgesamt scheinen die traditionellen Parteien aber auf einem absteigenden Ast zu sein.
Die Parteienlandschaft dürfte wohl durch die Umfrage mal kräftig durchgeschüttelt werden, analysiert Le Soir leicht amüsiert in seinem Leitartikel. Zwar muss sich das Ganze am 26. Mai erst noch bestätigen, die grüne Welle hatte sich aber schon bei den Kommunalwahlen angedeutet. Das alles sorgt für spürbare Nervosität, insbesondere bei den traditionellen Parteien. Die können natürlich noch darauf hoffen, dass sich der Effekt abwetzt. Es wäre nicht der erste Umfrage-Champion, der am Ende doch noch auf die Nase fällt. Feststellen muss man dennoch, dass die Bürger den Parteien mit den jüngsten Kundgebungen das Heft aus der Hand genommen haben.
Von ökologischer und ökonomischer Glaubwürdigkeit
Das Klima könnte für die Grünen nicht besser sein, meint auch Het Laatste Nieuws. Die Klimaschutz-Demos liefern Ecolo und Groen ein perfektes Marketing-Argument. Denn wer ist schon gegen sauberere Luft? Allerdings: Die Grünen werden ihr Programm noch mit Zahlen unterfüttern müssen. Das Resultat am 26. Mai wird nicht nur von ihrer ökologischen Agenda abhängen, sondern auch von ihrer ökonomischen Glaubwürdigkeit. Sie müssen ihre Ziele beziffern. Das allerdings gilt auch für die anderen Parteien.
"Ich bin kein Fußabtreter", sagt die Ecolo-Ko-Vorsitzende Zakia Khattabi heute auf Seite eins von La Dernière Heure. Das ist keine Reaktion auf die Umfrage, La Dernière Heure kannte die Ergebnisse noch nicht. Khattabi reagiert vielmehr auf das, was sie sich so in sozialen Netzwerken anhören muss. Sie sei viel zu oft mit sexistischen und frauenfeindlichen Angriffen konfrontiert.
Zu alledem passt auch der Leitartikel von La Dernière Heure. Nach wie vor kann man feststellen, dass sich N-VA-Politiker auch im frankophonen Landesteil einer erstaunlichen Beliebtheit erfreuen. In der Wallonie und auch in Brüssel ist etwa Theo Francken nach wie vor in den Top Ten der populärsten Politiker. Man sollte sich da aber nicht blenden lassen, meint die Zeitung. Leute wie Theo Francken oder Jan Jambon mögen durch ihre entschlossene Politik etwa in Sachen Migration den einen oder anderen überzeugen. Das ist aber nur ein Gesicht der N-VA. In erster Linie handelt es sich aber um eine Nationalistenpartei. Die Satzungen der N-VA geben nach wie vor ein unabhängiges Flandern als oberstes Ziel aus. Die Frankophonen müssen wissen: Für die N-VA gilt allein die Maxime: Flandern und die Flamen zuerst.
Vorsicht bei Krediten!
"Der Zugang zu Hypothekendarlehen wird wohl schwieriger", so derweil die Aufmachergeschichte von L'Echo. Die Nationalbank hat eine ungewöhnlich deutliche Warnung an die Adresse der Banken gerichtet. Die sollten demnach Wohnungskredite vorsichtiger vergeben. Größtes Problem: Banken gewähren inzwischen Kredite, die von einigen Familien schon im Normalfall kaum abgezahlt werden können. Bei der kleinsten Krise droht da ein Zahlungsausfall. Parallel dazu sind auch die Margen der Banken zu klein. Eine spürbare Zinserhöhung würde den Banken zusätzlich den Hals zuschnüren. Bezeichnenderweise plädiert sogar der Finanzsektor für eine striktere Reglementierung.
Die Warnung der Nationalbank ist nicht zu unterschätzen, mahnt De Tijd. Ganz offensichtlich besteht die Gefahr, dass die Banken Risiken anhäufen, die letztlich die Stabilität des Finanzsystems gefährden könnten. Eine Folge ist aber, dass es schwieriger werden dürfte, ein Darlehen zu bekommen. Und doch ist der Käufer hier nicht notwendigerweise der Dumme. Wenn Kredite nicht mehr so freigiebig vergeben werden, dann dürfte dadurch nämlich der Höhenflug der Immobilienpreise gestoppt werden.
Europa hat schon bessere Zeiten erlebt
Besorgniserregende Schlagzeile auf Seite eins von De Standaard: "Warum die EU wankt", schreibt das Blatt. Die Zeitung kann nur feststellen, dass in 13 der 28 Mitgliedstaaten Minderheitsregierungen die Geschäfte führen. An drei Regierungen sind Rechtsextreme beteiligt und zwei Staaten sind inzwischen "illiberale Demokratien", gemeint ist in erster Linie Ungarn. Europa hat wohl schon bessere Zeiten erlebt.
Einige Blätter schließlich blicken nach Washington. "Trump ruft den nationalen Notstand aus, um seine Mauer bauen zu können", schreibt etwa Het Belang van Limburg auf Seite eins. "Jetzt wirds lustig in den USA", meint dazu sarkastisch das GrenzEcho. Für diesen "nationalen Notstand" gibt es nämlich keinerlei Anlass. Hier zeigt sich: Wenn Trump nicht bekommt, was er will, dann nimmt er es sich doch. Vielleicht hat er hier aber eine rote Linie überschritten. Wegen dieser Geschichte könnten ihm am Ende selbst einige Republikaner die Gefolgschaft verweigern.
Präsident Trump und die Gewaltenteilung
"Trump versinkt in einer Sackgasse", meint La Libre Belgique. Erst hatte er versprochen, dass Mexiko seine "schöne große Mauer" bezahlen sollte. Dann hat er dem Kongress die Rechnung präsentieren wollen. Alles immer ohne Erfolg. Jetzt ruft er ohne Not den Notstand aus. Damit riskiert er einen nie da gewesenen politischen Krieg. Und da geht es um nicht weniger als die Gewaltenteilung, das verfassungsmäßige Recht der Legislative, die Exekutive zu kontrollieren.
Auch Gazet van Antwerpen prognostiziert eine Auseinandersetzung, wie Amerika sie selbst unter Trump noch nicht erlebt hat. Nur um ein Wahlversprechen einzulösen, durchbricht der US-Präsident auf grobe Art und Weise die Gewaltenteilung. Die Grenzmauer wird damit zum perfekten Symbol des Populismus: eine ebenso simple wie radikale angebliche "Lösung" für alle Probleme. Und Millionen von Amerikanern glauben diesen Unsinn. Die fünf Milliarden Dollar kommen freilich aus dem Steuersäckel, in das Trump selbst über Jahre hinweg keinen einzigen Dollar eingezahlt hat. Außerdem hat Trump noch die Steuern für die Reichen gesenkt. In einem populistischen Regime bekommt man dafür aber nicht die Quittung.
Kay Wagner