"Lügen kosten Schauvliege den Kopf", titel Het Belang van Limburg. "Eine Entschuldigung hat nicht gereicht", so die Schlagzeile von De Morgen. "CD&V geht nach Rücktritt von Schauvliege jetzt angeschlagen in die Wahlen", meint De Tijd auf Seite eins.
Die flämische Ministerin für Umwelt- und Agrarpolitik, Joke Schauvliege von der CD&V, ist am Dienstagabend zurückgetreten. Sie hatte behauptet, dass die Klimaproteste der vergangenen Wochen und Monate von außen manipuliert worden seien. Das habe die Staatssicherheit ihr mitgeteilt. Die Staatssicherheit dementierte das. Als Reaktion auf die heftige Kritik an ihrer Person trat Schauvliege dann am Dienstag unter Tränen zurück.
Dazu kommentiert La Libre Belgique: Der Rücktritt war der einzige Ausweg aus der Sackgasse, in die sich Schauvliege selbst manövriert hatte. Und das übrigens auf unerhörte Weise. Sie hatte nicht nur versucht, die friedlichen Proteste der Schüler zu kriminalisieren. Sie hat auch eine Lüge als Wahrheit ausgegeben und dafür sogar die Staatssicherheit als Alibi angeführt. Das war zynisch, ein selten gesehener Faux-Pas eines Ministers. Der Rücktritt war die logische Konsequenz. Denn Schauvliege hat mit dem Skandal gezeigt, dass sie unwürdig ist, dem Staat im Sinne des Allgemeinwohls zu dienen, findet La Libre Belgique.
Kein Mitleid
Het Laatste Nieuws meint: Mitleid braucht man mit Schauvliege nicht zu haben. Wer lügt und dabei erwischt wird, muss die Konsequenzen dafür tragen. Dabei ist es gar nicht mal so schlimm, dass Schauvliege gelogen hat - denn das machen auch andere Politiker. Schlimm ist allerdings, dass sie den ganzen Streit um das Klima als eine Verschwörung darstellt. Als einen Komplott. Damit enttarnt sie sich als das, wofür viele sie schon lange gehalten haben: als Marionette des Bauernverbandes, notiert Het Laatste Nieuws.
De Morgen sieht das genauso und schreibt: Seit 15 Jahren ist Schauvliege äußerst populär in ihrer Heimatprovinz, dem ländlich geprägten Ostflandern. Hier ist man weit weg vom modernen städtischen Leben. Hier prägen Landwirtschaft und Tradition noch den Alltag der Menschen. Schauvliege weiß das nur zu gut. Ihre ganze Politik der vergangenen Jahre, das "Auf die Bremse-Treten" bei einer ambitionierten Klimapolitik, ist dieser Klientelpolitik zu verdanken. Auch die Äußerungen, über die sie jetzt gestolpert ist. Der Rücktritt als Ministerin dürfte ihrer Popularität bei Bauern und traditionellen CD&V-Wählern aber nicht schaden, glaubt De Morgen.
"Schauvliege hat gesagt, was sie denkt"
De Standaard führt aus: Im Grunde hat Schauvliege bei ihrer Rede vor den Landwirten nur das gesagt, was sie selbst wirklich denkt. Nämlich, dass die ganze Klimadiskussion ein Komplott ist. Das macht sie als Umweltministerin natürlich unhaltbar. Die Klimademonstranten haben jetzt ihren ersten Skalp. Andere könnten folgen. Denn bei der Klimapolitik haben viele Parteien wenig Erfahrung, weiß De Standaard.
Auch L'Echo meint: Der unerklärliche Fehltritt, den sich Schauvliege da geleistet hat, ist nur ein Beispiel dafür, wie unvorbereitet fast alle Parteien darauf waren, dass das Klima plötzlich Thema Nummer eins der gesellschaftlichen Debatte geworden ist. Die N-VA hatte eigentlich Wahlkampf mit ihrem sozio-ökonomischen Programm und der Identitäts-Frage führen wollen. Die MR versucht zu retten, was zu retten ist, indem sie sich hinter das Klima-Gesetz stellt. Andere Parteien beglückwünschen sich, dass sie in der Opposition sitzen und deshalb nicht verantwortlich gemacht werden können für Versäumnisse. Es ist ein Drahtseilakt, den fast alle Parteien beim Thema Klima aufführen. Und da kann man eben auch mal fallen. Nur die Grünen fühlen sich wohl. Die Grünen können sich schon mal auf ein überragendes Ergebnis bei den Wahlen einstellen, prophezeit L'Echo.
Alle wollen mitschwimmen
L'Avenir beobachtet: Alle machen jetzt auf Klima. Nachdem Bürger und Schüler den Protest auf die Straße gebracht haben und damit äußerst erfolgreich sind, wollen jetzt alle auf der "grünen Welle" mitschwimmen. Sogar die Unternehmensbosse rufen jetzt die Politik dazu auf, mehr für das Klima zu tun. Schade, dass diese grüne Welle zurzeit nur in unserem kleinen Belgien herumschwappt. Allein werden wir nicht viel ausrichten können, um für ein besseres Klima zu sorgen. Interessant aber auf jeden Fall, wie plötzlich ein so unerwartetes Thema wie das Klima den gesamten politischen Diskurs bestimmt. So kurz vor den Wahlen hatten viele eigentlich mit anderen Themen gerechnet, erinnert L'Avenir.
Le Soir gibt zu bedenken: Wie es weitergeht mit den Protesten und ob die Klimapolitik sich dauerhaft als Thema bei uns festsetzen wird, ist noch offen. Ungeachtet dessen ist es aber wichtig, das demokratische Momentum dieser Proteste aufzugreifen und in etwas Nützliches zu verwandeln. Da gehen plötzlich Zehntausende Jugendliche auf die Straße, weil sie enttäuscht von der Politik sind, sich von den Politikern verraten fühlen. Diesen Protest sollte man nicht bestrafen, sondern in gemeinsames politisches Handeln übertragen. Das wird nicht einfach sein. Aber es ist notwendig, wenn man eine noch tiefere Spaltung der Gesellschaft oder das Zusammenbrechen bürgerlichen Engagements verhindern will, mahnt Le Soir.
Kay Wagner