"Bart De Wever will nach Flandern", titelt Gazet van Antwerpen. De Morgen, L'Echo und L'Avenir sind präziser: "Bart De Wever sähe sich gerne als der nächste flämische Ministerpräsident", so die gleichlautende Schlagzeile. "Bart De Wever setzt alles auf eine Karte", schreibt Het Belang van Limburg auf Seite eins.
Die N-VA hat gestern "Freund und Feind überrascht", wie es Gazet van Antwerpen formuliert. Parteichef Bart De Wever will bei den Wahlen vom 26. Mai als Spitzenkandidat für Flandern ins Rennen gehen. Damit würde Einiges in Bewegung geraten. "Stühlerücken", schreibt denn auch Het Nieuwsblad in großen Lettern auf Seite eins.
Sollte er tatsächlich flämischer Ministerpräsident werden, dann müsste De Wever nicht nur den Parteivorsitz, sondern auch den Posten des Antwerpener Bürgermeisters abgeben. Und noch eine bemerkenswerte Neuausrichtung: Der frühere Innenminister Jan Jambon ist ausdrücklich Kandidat für den Posten des Premierministers. Bislang hatte die N-VA keinerlei Ambitionen für die föderale Ebene gezeigt.
Das Ganze legt zumindest in groben Zügen die Strategie der N-VA offen. Ein Zitat von De Wever auf Seite eins von Het Laatste Nieuws bringt auf den Punkt: "Alle müssen an die Front".
Die N-VA weiß, dass es eine schwierige Wahl wird. Insbesondere wolle man mit allen Mitteln verhindern, dass die PS wieder an die Macht kommt. Deswegen müsse man eben die besten Leute in die Schlacht schicken. "Alles, um das Bollwerk Flandern zu verteidigen", notiert Het Belang van Limburg. "Und die N-VA zieht mit Bart De Wever ihr As", bemerkt Le Soir.
Die N-VA hat gelernt
Die Zuspitzung auf die PS als Erzfeind erinnert an 2014. "De Wever und Di Rupo stehen vor einem neuen Clash", schreibt denn auch De Tijd auf Seite eins. Die N-VA hat augenscheinlich die Lehren aus der Vergangenheit gezogen, sind sich viele Leitartikler einig.
Erste Lektion, meint etwa De Tijd: Die Kommunalwahlen haben gezeigt, dass es nicht reicht, größte Partei zu werden. Wer wirklich ruhig schlafen will, der muss unumgänglich sein. Zweite Lektion: Wer auf der föderalen Ebene ein Eisen im Feuer haben will, der versucht, so schnell wie möglich auf der regionalen Ebene eine Koalition zu schmieden.
Dass De Wever für Flandern kandidiert, ist denn auch kein Zufall. Genau das hatte die PS 2014 vorgemacht. Zwar reichte es nicht für eine föderale Regierungsbeteiligung, die PS konnte aber ihre regionale Macht nutzen, um die föderale Ebene zu ärgern.
De Morgen macht eine ähnliche Analyse. Die N-VA wendet die PS-Strategie an: Erst macht man sich in seiner eigenen Region unumgänglich. Und das ist dann der Steigbügel für die föderale Ebene. Für die PS ist das 2014 nur gescheitert, weil die MR das Wagnis einging, alleine in die Föderalregierung zu gehen. Die PS hatte sich aber zumindest einen Teil ihrer Macht gesichert.
Steilvorlage von der PS?
Bei alledem hält sich die Partei aber auch ein Eisen im föderalen Feuer, glaubt L'Echo. Dies in Person von Jan Jambon, der auch auf frankophoner Seite vergleichsweise populär ist. Das zeigt: Die N-VA will nicht nur die Themen "Migration" und "Konföderalismus" setzen, sondern auch die Bilanz der letzten vier Jahre auf der föderalen Ebene verteidigen.
Die N-VA weiß freilich, dass es ihr schwerfallen dürfte, Koalitionspartner zu finden, glaubt De Standaard. Insbesondere MR und CD&V sind nach wie vor tief geschockt, angesichts des Abgangs der Nationalisten. Hinzu kommt: Die Partei spürt den heißen Atem des rechtsextremen Vlaams Belang im Nacken.
Es ist denkbarer denn je, dass die anderen Parteien versuchen werden, die N-VA auszubooten. Die Partei hat die Gefahr erkannt. PS-Chef Elio Di Rupo hat De Wever jetzt aber mit seinen Aussagen über die Milliarden-Transfers von Flandern in die Wallonie den Anlass geliefert, in die Offensive gehen zu können.
Apropos, mahnt Le Soir, es wäre schön, wenn PS-Chef Elio Di Rupo seine Ablehnung des Konföderalismus mal ein bisschen besser unterfüttern würde. Es reicht bestimmt nicht, sein Festhalten an Belgien nur damit zu erklären, dass fünf Milliarden Euro vom Norden in den Süden fließen.
Für den Konföderalismus à la N-VA gibt es bislang aber ohnehin keine Mehrheit. Deswegen will die N-VA jetzt offensichtlich versuchen, die flämische Regierung als Hebel zu benutzen, um die föderale Ebene zu blockieren. Das ist allerdings kein wirkliches Projekt für Flandern.
La Libre Belgique sieht das ähnlich: Die Nationalisten wollen jetzt ihren Konföderalismus auf dem kalten Weg durchdrücken. Sie versuchen mit allen Mitteln, den Föderalstaat auszuhöhlen. Dabei vergessen sie aber, dass die Mehrheit der Bevölkerung - auch in Flandern - eine Spaltung des Landes nicht will. Es gibt eine andere Lösung: Man muss nur dafür sorgen, dass dieser Staat funktioniert.
Muss De Wever früher weichen?
Die Tatsache, dass De Wever jetzt auch seinen Posten als Antwerpener Bürgermeister aufs Spiel setzt, sorgt indes für Unmut. "De Wever steht unter Druck, um die Schärpe nun auch frühzeitig weiter zu reichen", titelt etwa De Standaard.
Gazet van Antwerpen bringt eine oft gehörte Meinung in der Scheldestadt auf den Punkt: "Sorry Antwerpen, aber die Partei geht vor". All die schönen Worte, all die Liebesbekundungen an seine Heimatstadt, all die Loblieder auf den neuen Koalitionsvertrag - wie hohl klingt das alles jetzt?
Denn welcher Eindruck entsteht hier? Der Bürgermeister-Posten in der größten Stadt Flanderns ist entweder ein bloßes Sprungbrett. Oder, wenn die Pläne nicht aufgehen, ein Trostpreis. Antwerpen verdient mehr.
Ja, die Entscheidung von Bart De Wever ist schon unglaublich, meint auch Het Nieuwsblad. De Wever ist wohl der einzige Politiker, der sich so etwas erlauben darf. Und seine Anhänger werden immer noch sagen: "Was ist dieser De Wever doch genial", glaubt Het Laatste Nieuws.
Dabei verhält sich der Bürgermeister wie ein Transitmigrant, der Antwerpen nur als Zwischenetappe betrachtet. Wenn er in ein paar Monaten auch den Parteivorsitz aufgibt, dann betritt die N-VA allerdings Neuland. Das wäre irgendwie wie Apple ohne Steve Jobs.
De Wever geht es nur um die Macht. Und wenn er am Ende doch bleibt, wo er ist, auch dann werden seine Fans noch sagen: " Was ist dieser De Wever doch genial".
Britisches Brexit-Chaos
Es gibt heute noch ein zweites großes Thema: "Ab heute Abend droht das britische Chaos", titelt De Morgen. Dienstag Abend muss das britische Parlament über den Brexit-Deal von Premierministerin Theresa May abstimmen. "Zwei Jahre Verhandlungen stehen auf dem Spiel", schreibt Le Soir.
Wird der Text abgelehnt, dann droht ein ungeregelter Brexit, ein "No-Deal". Langsam bereitet man sich darauf vor, wie L'Echo und De Tijd berichten: "Charles Michel arbeitet an einem Brexit-Notgesetz".
Die EU ist in jedem Fall gut beraten, hart zu bleiben und nicht Großbritannien gegenüber weitere Zugeständnisse zu machen, findet das GrenzEcho. Die vier Freiheiten des EU-Binnenmarktes sind existentielle Grundpfeiler der EU. Diese auf dem Altar einer weicheren wirtschaftlichen Landung zu opfern, wäre ein gravierender Fehler. Statt ein Auge zuzudrücken, ist "Augen zu und durch" auf lange Sicht oft besser.
rop/jp