"N-VA droht mit Sturz der Regierung", titelt Het Laatste Nieuws. "Noch zehn Tage, um die Regierung zu retten", so die Schlagzeile bei Het Nieuwsblad.
Die Regierungskrise wegen des Streits um die geplante Unterzeichnung des UN-Migrationspakts am 10. Dezember in Marrakesch beschäftigt mehrere Zeitungen auch in ihren Leitartikeln. Gestern hatte es zu dem Thema noch einmal eine Debatte in der Kammer gegeben.
Het Nieuwsblad kommentiert: An den Positionen hat sich nichts geändert. Ganz im Gegenteil: Es scheint so, als ob sich die Parteien gestern noch tiefer in ihre Gräber verschanzt hätten: Die N-VA will den Pakt auf keinen Fall unterzeichnen. OpenVLD und CD&V wollen ihn unbedingt unterzeichnen, genauso wie Premier Michel.
Sechs Monate vor den Föderalwahlen beharrt jeder auf seine Positionen. Keiner ist zu einem noch so kleinen Zugeständnis bereit. Keiner will sein Gesicht verlieren, schon gar noch die N-VA. Den Schlachtruf "Marrakesch" will dem Vlaams Belang nicht als Wahlgeschenk präsentieren, analysiert Het Nieuwsblad.
Für die N-VA steht viel auf dem Spiel
Het Laatste Nieuws meint: Zum Lachen ist gerade keinem mehr in der Föderalregierung zumute. Auch für die N-VA steht viel auf dem Spiel. Entweder entscheidet sie sich dazu, sich als Retter des Landes vor einem unsicheren Vertragstext aufzuschwingen. Oder aber sie wählt die Option, noch sechs Monate weiter die Migrationspolitik und auch die Wirtschaftspolitik des Landes mit zu gestalten. Beides zusammen wird nicht gehen.
Bei der Entscheidung muss die N-VA auch an die Zukunft denken. Die MR von Premierminister Charles Michel ist der einzig mögliche Koalitionspartner auf frankophoner Seite. Beide Entscheidungsmöglichkeiten werden Konsequenzen für die Partei haben. Die Schuld für diese Konsequenzen kann die N-VA diesmal nicht bei anderen suchen, hält Het Laatste Nieuws fest.
Het Belang van Limburg glaubt: Sollte die Regierung auseinanderbrechen und es zu Neuwahlen im Januar kommen, hätte auch die N-VA nicht viel zu gewinnen. Zum einen würde die N-VA der PS ein großes Geschenk machen.
Zum anderen läuft sie die Gefahr, dass viele Wähler lieber das Original der Antimigrationspartei, sprich den Vlaams Belang wählen, als die Kopie, also die N-VA. Und letztlich ist es eine Tatsache, dass selten eine Partei dafür belohnt wurde, eine Regierung gestürzt zu haben, erinnert Het Belang van Limburg.
Symbolpolitik und Kalkül
Das GrenzEcho bedauert: Dass der Migrationspakt in Belgien zu einer Regierungskrise führt, ist bitter. Vor allem, wenn man weiß, dass es sich bei dem Dokument um ein nicht rechtsverbindliches Papier handelt. Und dass der Pakt etwas an der gängigen Praxis ändern wird, ist kaum zu erwarten. Man muss also einmal mehr feststellen, dass vorrangig Symbolpolitik betrieben wird, statt endlich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Fluchtursachen an der Basis zu bekämpfen, und die bestehenden Gesetze rigoros umzusetzen.
Statt etwas Wirksames zu tun, versteigt man sich in unnötige Diskussionen. Und damit schadet man, trotz bester Intention, nicht nur den Flüchtlingen, sondern im Endeffekt auch der Demokratie, findet das GrenzEcho.
De Morgen beschäftigt sich mit Asylstaatssekretär Theo Francken. Der hatte vor kurzem angeordnet, dass pro Tag nur noch 60 Asylanträge bearbeitet werden dürfen. Außerdem weigert sich Francken, zusätzliche Unterkünfte für Migranten zur Verfügung zu stellen, obwohl die Asylzentren voll sind.
De Morgen kommentiert: Das ist eine gezielte Politik von Francken. Denn dass er anders kann, hat er durch den Eifer am Beginn seiner Tätigkeit gezeigt. Jetzt will Francken bewusst eine Atmosphäre schaffen, in der Migranten als ein Problem und eine Bedrohung von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden sollen.
Das ist bewusstes Kalkül angesichts der aktuellen Debatte um den Migrationspakt und in Hinsicht auf die Föderalwahlen. Kalkül auf dem Rücken der Migranten, schimpft De Morgen.
Nachteilige Abhängigkeit vom Ausland
Die Wirtschaftszeitung L'Echo berichtet, dass der Verwaltungsrat des Lütticher Flughafens gestern Abend grünes Licht für die Ansiedelung des chinesischen Onlineriesen Alibaba am Lütticher Flughafen gegeben hat.
Dazu notiert L'Echo: Es ist bedauerlich, dass diese Entscheidung zeitweise durch ein drohendes Veto der Pariser Flughafengesellschaft bedroht war. Die wollte ihren Großkunden, den US-Expressdienstleister FedEx schützen, der sich von Alibaba in Lüttich bedroht fühlt. Gut, dass die Franzosen doch noch eingelenkt haben.
Aber die Episode zeigt wieder einmal, welche Nachteile es hat, wenn belgische Unternehmen sich abhängig machen von ausländischen Anteilhabern. Für diese spielen belgische Interessen kaum eine Rolle – wie ja auch das Beispiel Electrabel und Engie gerade wieder einmal zeigt, so L'Echo.
La Libre Belgique schreibt zum heutigen Protest der Gelbwesten in Brüssel: Die Bewegung hat in den vergangenen zwei Wochen viele Sympathien in der Bevölkerung gewonnen. Es ist zu hoffen, dass das auch nach dem heutigen Tag so bleibt. Die Gelbwesten müssen Acht geben, dass ihr Protest heute nicht von Randalierern missbraucht wird, warnt La Libre Belgique.
Kay Wagner