"Brexit: Die Scheidungspapiere sind fertig", schreibt L'Echo auf Seite eins. "Die Stunde der Wahrheit für den Brexit", so die Schlagzeile von De Morgen. "Historischer und riskanter Tag für May", wertet De Standaard auf seiner Titelseite.
Die Verhandlungsführer der Europäischen Union und Großbritanniens haben sich gestern auf ein Vorabkommen für den Brexit geeinigt. Der Einigungsentwurf soll heute im britischen Ministerrat besprochen werden. Bei der EU wollen sich die Botschafter der Mitgliedsländer mit dem Entwurf befassen.
Erster Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen
De Tijd kommentiert: Das sind gute Neuigkeiten, die gestern Abend in Sachen Brexit zu hören waren. Denn immerhin ist ein Durchbruch geschafft, ein erstes Papier zustande gekommen, auf das sich zumindest die Verhandlungsführer beider Seiten endlich haben einigen können. Über den Inhalt kann man noch nichts sagen. Dafür ist einfach zu wenig bekannt. Ob es tatsächlich der große Durchbruch war, muss sich erst noch zeigen. Denn schon heute könnte alles wieder zunichte gemacht werden, wenn die Minister von Theresa May die Einigung ablehnen. Aber auch bei Zustimmung bleiben noch viele andere Hürden: das britische Parlament, die EU-Mitgliedsstaaten und das Europaparlament, warnt De Tijd vor verfrühtem Jubel.
Het Nieuwsblad sieht das genauso und ärgert sich schon über die ersten Reaktionen in Großbritannien. Das Blatt notiert: Bereits gestern Abend kritisierten einige Konservative den Entwurf aufs Heftigste, obwohl sie ihn wahrscheinlich noch gar nicht gelesen hatten. Solchen Politikern ist es zu verdanken, dass Europa 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs wieder dabei ist, sich zu spalten. Diese Politiker verwechseln Patriotismus mit nationalem Hochmut und haben damit Erfolg bei den Bürgern. Einen Krieg wird es deshalb nicht geben, aber ein wirtschaftliches Blutbad zwischen Europa und Großbritannien zeichnet sich ab. In Washington, Peking und Moskau würde man dem genüsslich zuschauen. Das Monster, das die Briten mit dem Brexit-Votum geschaffen haben, scheint sich langsam zu einem Frankenstein zu wandeln, befürchtet Het Nieuwsblad.
Online-Wirtschaft: Zu einem wilden Westen darf es nicht kommen
Apropos Peking: Gestern wurde bekannt, dass der chinesische Online-Riese Alibaba sein europäisches Verteilerzentrum in Lüttich bauen wird. L'Echo weiß: Solche großen Fische kriegt man nicht an die Angel, wenn man sie nicht durch weitgehende Zugeständnisse geködert hat. Was genau Premierminister Charles Michel und seine Leute den Chinesen versprochen haben, wissen wir nicht. Aber mit Sicherheit wird eine flexible Handhabung der Arbeitszeiten dazugehören. Denn ohne Nachtarbeit wird es nicht gehen bei Alibaba.
Die Online-Industrie ist schon lange dabei, hier mehr Flexibilität in der belgischen Gesetzgebung zu fordern. Mit Alibaba wird diese jetzt kommen. Und grundsätzlich ist das auch gut so. Nur muss man acht geben, dass nicht gleich alle Regelungen über Bord geschmissen werden. Einen wilden Westen darf es auch bei der Online-Wirtschaft nicht geben, fordert L'Echo.
Het Laatste Nieuws erinnert: In den vergangenen Jahren hat Belgien die Millionen-Investitionen von Zalando, Amazon, Lidl und UPS verpasst, weil die Niederlande und Deutschland einfach attraktiver waren. Premier Michel hat durch seine Reformen dafür gesorgt, dass jetzt auch Belgien attraktiv ist für Wirtschaftsriesen. Auch bei uns werden jetzt viele neue Arbeitsplätze entstehen. Leider sind es nicht die besten. Und so ein Konzern wie Alibaba bedeutet auch: mehr Kleintransporter auf unseren Straßen und dadurch mehr Staus, mehr Druck auf lokale Händler und noch mehr chinesische Billigprodukte auf unserem Markt, gibt Het Laatste Nieuws zu bedenken.
L'Avenir schlägt in die gleiche Kerbe und schimpft: Alibaba, das bedeutet: schnell bestellt, schnell geliefert, schnell konsumiert, schnell weggeworfen. Nichts Nachhaltiges also. Das gilt auch für die Jobs, die jetzt geschaffen werden sollen. Und auch für die Produkte, die mit Alibaba kommen: chinesischer Billigramsch von schlechter Qualität. Wünschen wir uns wirklich, so einen Wirtschaftskonzern bei uns zu haben?, fragt rhetorisch L'Avenir.
Kampf gegen Terrorismus noch längst nicht gewonnen
La Dernière Heure schreibt zum gestrigen dritten Jahrestag der Anschläge von Paris: Der Kampf gegen den Terrorismus ist noch längst nicht gewonnen. Richtig ist zwar, dass der Islamische Staat militärisch besiegt worden ist. Aber überall auf der Welt gibt es immer noch radikale Islamisten, die im Namen von Allah morden. Jeden Tag passiert irgendwo auf der Welt ein Attentat, auch wenn nicht immer darüber berichtet wird. Wie jetzt zum Beispiel in Australien, wo am Freitag ein bekannter Restaurant-Besitzer und Freund von Russel Crowe von einem radikalisierten somalischen Flüchtling erstochen worden ist, bemerkt wütend La Dernière Heure.
Zur neuerlichen Gewalt im Gaza-Streifen meint Le Soir: Israels Premier Netanjahu hat kein Interesse daran, die Hamas zu vernichten. Denn die ständigen Angriffe der Hamas auf Israel werfen ein schlechtes Licht auf die Palästinenser. Deren Lebensumstände im Gaza-Streifen werden immer unerträglicher. Allein aus humanitären Gründen müssen die Grenzen des Gaza-Streifens geöffnet werden. Unverzüglich, fordert Le Soir.
Kay Wagner