"Ein Nobelpreis im Namen der Frauen", schreibt L'Avenir auf Seite eins. "Nobelpreis für zwei Helden im Kampf gegen Vergewaltigung als Kriegswaffe", titelt Le Soir.
Lediglich die frankophonen Zeitungen widmen der Verleihung des Friedensnobelpreises Aufmacher und Leitartikel. Der Preis ist gestern an den kongolesischen Frauenarzt Denis Mukwege und an die irakische Jesidin Nadia Murad verliehen worden. Beide setzen sich für Opfer von Vergewaltigungen in Konfliktgebieten ein.
La Libre Belgique kommentiert: In der Vergangenheit hat sich das Nobelkomitee gerne große Institutionen wie die Europäische Union oder Staatschefs wie den US-Präsidenten Barack Obama ausgesucht, um sie mit dem Friedensnobelpreis zu ehren. Und das, obwohl deren zentrale Beschäftigung im Alltag nicht die Arbeit für Frieden ist. Deshalb ist es eine äußerst glückliche Entscheidung, dass es dieses Jahr anders ist. Den Preis bekommen diesmal zwei Menschen, die sich vor Ort jeden Tag um Frieden bemühen. Die Frage ist, was dieser Preis wert ist. Denn nachdem die Weltöffentlichkeit jetzt auf das Problem von Vergewaltigung als Kriegswaffe aufmerksam gemacht worden ist, ist jetzt die Politik gefragt. Sie muss dafür sorgen, dass der Kampf gegen dieses Übel weitergeht. Fraglich, ob das passieren wird, zweifelt La Libre Belgique.
Zwei Lichter in der Dunkelheit
L'Echo findet: Ein Glück, dass der Preis nicht an solche Hochstapler wie US-Präsident Donald Trump oder den Nordkoreaner Kim Jong-un gegangen ist – diese zwei Populisten, die abwechselnd die Rolle des Terroristen oder Friedensstifters einnehmen. Denis Mukwege und Nadia Murad hingegen sind das genaue Gegenteil. Sie leuchten wie zwei Lichter in einer Dunkelheit, die eine Schande für die Menschheit im 21. Jahrhundert ist. Trotz allen technischen Fortschritts und der fortschreitenden Zivilisierung sind solche Gräueltaten, die Mukwege und Murad bekämpfen, immer noch an der Tagesordnung. Gut, dass wir jetzt gezwungen werden, uns mit dieser Realität zu beschäftigen, findet L'Echo.
Le Soir weiß: Die beiden Preisträger stehen stellvertretend für all diejenigen, die durch die Konflikte im Ostkongo und Irak als lebende Tote weiterexistieren müssen. So wie Mukwege und Murad setzen sich auch Juristen, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten für die Belange dieser Opfer ein. Auch ihre Arbeit wird durch diesen Preis mitgewürdigt, freut sich Le Soir.
Ein Jahr #MeToo
L'Avenir meint: Das war eine starke Geste gestern vom Nobelkomitee. Denn der Preis ehrt nicht nur Mukwege und Murad, sondern ist gleichzeitig eine Anerkennung des Leids all der Menschen, um die sich die Preisträger kümmern. Der Preis ist ein Zeichen, dass die Welt dieses Leid wahrnimmt, es ernst nimmt. Und dass es richtig ist, über dieses Leid zu sprechen. Damit schafft das Nobelkomitee auch die Verbindung zur #MeToo-Bewegung. Die fordert ja auch seit einem Jahr, dass Frauen über sexuelle Übergriffe reden, so L'Avenir.
De Morgen schreibt zu diesem einjährigen Bestehen der #MeToo-Bewegung: Das einflussreiche US-Wochenmagazin "The Economist" bezeichnet die #MeToo-Bewegung als die wichtigste feministische Revolution seit der Einführung des Stimmrechts für Frauen. Das ist nicht übertrieben. Denn die #MeToo-Bewegung ist in alle Lebensbereiche vorgedrungen und verändert die Gesellschaft. Der Kampf der Frauen um mehr Gleichberechtigung hat neuen Schwung bekommen, resümiert De Morgen.
Die Amerikanisierung des lokalen Wahlkampfs
De Tijd blickt, wie viele andere flämische Zeitungen heute auch, auf die Kommunalwahlen, die in gut einer Woche stattfinden, und führt aus: Vor einem Jahr hatte der SP.A-Vorsitzende John Crombez gesagt, dass die Wahl ein Kampf der Modelle werden wird - ein Kampf des SP.A-Modells von Gent gegen das N-VA-Modell von Antwerpen. Spätestens seit dem Skandal um Sozialwohnungen, der die Genter SP.A in den vergangenen Tagen eingeholt hat, ist von diesem Duell nichts mehr übrig. Es war sowieso falsch, diesen Modellvergleich zu ziehen. Denn bei Gemeinderatswahlen geht es um lokale Belange, um Alltagsdinge, die die Bürger beschäftigen. Nicht um Modelle. Und auch nicht um nationale Politik, obwohl die Ergebnisse von nächstem Sonntag unausweichlich auch die föderale Politik beeinflussen werden, glaubt De Tijd.
Das sieht auch De Standaard so und bedauert: Die zunehmende Vereinnahmung der Gemeinderatswahlen für nationale Anliegen der Parteien ist eine Gefahr für die lokale Demokratie. Denn Tendenzen, die sich bei regionalen und föderalen Wahlkämpfen abzeichnen, schlagen jetzt auch auf die lokale Ebene durch. Diese Tendenzen, das ist zum einen die immer stärker werdende Fokussierung auf einzelne Personen statt auf Inhalte. Zum anderen die Bemühungen der Gegenseite, diese Personen mit allen Mitteln schlechtzumachen. In einem Wort: die Amerikanisierung des Wahlkampfs. Auf lokaler Ebene ist das Gift. Denn es schreckt den einfachen Bürger davon ab, ein politisches Engagement zu wagen, um etwas bei sich, vor Ort, ganz lokal zu verändern, ärgert sich De Standaard.
Kay Wagner