"Koalitionspartner torpedieren Franckens Idee für ein Gefängnisschiff", titelt Gazet van Antwerpen. "Francken (noch) kein Kapitän eines Gefängnisschiffes", so Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite.
Asylstaatssekretär Theo Francken hat gestern seine Pläne zum Kampf gegen die Transitmigranten vorgestellt. Darunter war auch der Vorschlag, Transitmigranten zeitweise auf Schiffen einzusperren. Diese Idee wurde zunächst verworfen.
Zu dem Thema kommentiert Le Soir: Premierminister Charles Michel hatte Francken Anfang der Woche dazu aufgefordert, einen Plan zur Lösung des Problems der Transitmigranten zu präsentieren. Gestern nun kam das Ergebnis. Aber ein Plan war das nicht. Vielmehr wissen wir nur, dass 100 neue Plätze für Transitmigranten entstehen sollen und dass Bart De Wever ihnen die Smartphones abnehmen will. Nichts als heiße Luft. So wird die Sache nicht gelöst. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass keiner an einer sachgerechten Lösung für das komplexe Problem der Einwanderung arbeitet, bedauert Le Soir.
L'Avenir stellt fest: Offiziell ist die Debatte um Francken jetzt mal wieder beendet. Doch gelöst ist nichts. Die Probleme, die zu der Aufregung um den Asylstaatssekretär geführt haben, werden das Land weiter beschäftigen. Und wieder einmal ist klargeworden: Das Thema Flüchtlinge und Einwanderung ist das große Thema für die Wahlen geworden. An ihm scheiden sich die Geister. Zwischen links und rechts. Zwischen denen, die die Politik der Regierung unterstützen oder ablehnen, notiert L'Avenir.
L'Echo findet: Jedes einzelne Schicksal jedes einzelnen Flüchtlings ist bedauernswert, traurig und tragisch. Jedes einzelne Schicksal ruft uns eigentlich dazu auf, diesen Menschen zu helfen. Um auf einen Schlag Schluss zu machen mit diesem Missstand, könnte Belgien sich dazu entscheiden, allen aktuellen Flüchtlingen ein Aufenthaltsrecht zu geben. Dann wäre vielen von ihnen zwar geholfen, aber das Signal wäre fatal. Denn dann kämen viele weitere Flüchtlinge nach Belgien, angezogen durch die humanitäre Politik. Deshalb kann das keine Lösung für das Problem der Flüchtlinge sein. Die einzige sinnvolle Lösung für einen Staat ist es, die Debatte zu entemotionalisieren. Ein Rechtsstaat muss eine Einwanderungspolitik führen, die klare und verständliche Regeln hat. Und die müssen dann auch konsequent angewendet werden, fordert L'Echo.
De Morgen schaut beim Thema Flüchtlinge nach Österreich und schreibt: Der EU-Gipfel in Salzburg hat deutlich gemacht, dass es eine europäische Lösung für das Flüchtlingsproblem auf lange Sicht nicht geben wird. Mehrere Länder, angeführt von Ungarn, verhindern jeglichen Lösungsversuch. Denn so lange das Problem der Flüchtlinge ein Problem bleibt, können die Regierungen dieser Länder bei ihren Wählern punkten. Wahrscheinlich wird es also dazu kommen, dass sich nur eine "Koalition der willigen EU-Mitgliedstaaten" zusammenschließt, um die notwendige Lösung zu finden. Wird Belgien dieser Koalition angehören?, fragt sich gespannt De Morgen.
Rosinenpickerei? Nicht mit uns.
Auch De Standaard beschäftigt sich mit dem EU-Gipfel in Salzburg, greift aber das Thema Brexit auf, und führt aus: Wieder einmal musste Großbritanniens Premierministerin Theresa May feststellen, dass die EU-Mitgliedsstaaten beim Thema Brexit eine ungewohnte Einigkeit an den Tag legen. Sie bleiben bei ihrem Standpunkt: Rosinenpickerei wird es mit uns nicht geben. Die ganze Situation ist problematisch. Denn dadurch wird ein Durchbruch bei den festgefahrenen Brexit-Verhandlungen immer unwahrscheinlicher.
Zudem gerät May in ihrem eigenen Land immer weiter unter Druck: Es könnte sein, dass bald schon der Quälgeist Boris Johnson May ablöst. Ein Brexit ohne Abkommen würde dann immer wahrscheinlicher. Schadenfreude wäre in diesem Fall nicht angebracht, denn nicht nur Großbritannien würde darunter leiden, erinnert De Standaard.
Schlechte Nachricht für die N-VA
Het Nieuwsblad warnt in seiner Titelstory vor steigenden Strompreisen, weil in diesem Winter wahrscheinlich nur einer von sieben belgischen Atomreaktoren am Netz sein wird. Das hatte gestern der Energiekonzern Engie Electrabel bekanntgegeben. Dazu kommentiert das Blatt: Für die N-VA ist das eine ärgerliche Nachricht. Denn sie ist außer dem Vlaams Belang die einzige Partei, die Atomstrom weiter für unverzichtbar hält. Jetzt zu erfahren, dass Atomstrom fehlen und sogar für höhere Preise für die Bürger sorgen wird, ist eben eine schlechte Nachricht.
Die N-VA muss jetzt vorsichtig mit dem Thema umgehen – genauso wie mit dem Thema Asylpolitik, einem anderen Lieblingsthema. Schwierig für die Partei, denn Vorsicht ist nicht ihre große Stärke, stichelt Het Nieuwsblad.
Werte zählen im Zweifelsfall wenig
La Libre Belgique meint zur Ankündigung des chinesischen Elektroautobauers "Thunder Power", ein Werk auf dem ehemaligen Gelände von Caterpillar bei Charleroi bauen zu wollen: Die eigentlich gute Nachricht hat einen Haken. Denn die Chinesen haben die wallonische Finanzierungsgesellschaft Sogepa dazu gezwungen, 50 Millionen Euro in einer Holding auf den Britischen Jungferninseln zu deponieren - also in einem Steuerparadies. Das geht gegen die Werte, für die sich unsere Regierungen starkmachen.
Die Angelegenheit zeigt wieder einmal, wie wenig diese Werte zählen, wenn es darum geht, große Wirtschaftsunternehmen ins Land zu locken, bedauert La Libre Belgique.
Kay Wagner