"Die extreme Rechte infiltriert den Flämischen Jugendrat", titelt Het Nieuwsblad. De Morgen bringt dieselbe Schlagzeile, spricht aber sogar von "Ultrarechten".
Das VRT-Magazin Pano hat gestern mit einer explosiven Reportage viel Staub aufgewirbelt. Im Mittelpunkt steht die Jugendorganisation "Schild en Vrienden". Die bezeichnet sich selbst als "gemäßigt rechts". Die VRT-Journalisten haben sich Zugang verschaffen können, unter anderem zu einer internen Chatgruppe. Und da zeigt sich das "wahre Gesicht" der Gruppe, wie einige Zeitungen festhalten. "Die geheime Agenda von Schild en Vrienden", so formuliert es De Standaard. Demnach ist die Organisation bis ins Mark rechtsradikal, rassistisch und antisemitisch. Verschiedene Zeitungen zeigen einen Facebook-Post eines Führungsmitglieds der Organisation. Darauf ist er vor dem Eiffelturm zu sehen - daneben das Bild von Adolf Hitler an derselben Stelle. "Wer macht es besser?", fragt der junge Mann.
Schild en Vrienden würde offensichtlich sogar vor Gewalt nicht zurückschrecken. De Morgen zeigt auf seiner Titelseite das Foto eines Mitglieds mit einer flämischen Flagge und offensichtlich mehreren Waffen. "Schild en Vrienden bewaffnet sich für den angeblich anstehenden Bürgerkrieg", so die Schlagzeile auf Seite eins von Het Laatste Nieuws. "Gewalt und ranziger Rassismus", so auch das Fazit von Gazet van Antwerpen.
Diese Organisation soll jedenfalls einige Gremien unterwandert haben. Das gilt offensichtlich unter anderem für den Flämischen Jugendrat, der die flämische Regierung in der Jugendpolitik berät. Die Hälfte der Mitglieder dieses Rates soll Verbindungen zu Schild en Vrienden haben.
Het Nieuwsblad scheint die Meldungen über die rechtsextreme Vereinigung relativieren zu wollen: Das hatten wir doch alles schon mal, meint das Blatt. Man erinnere sich etwa an den VMO, den Vlaamse Militanten Orde, jenes Grüppchen von Nazis, die in Uniform durch die Straßen paradierten und sogar Trainingslager in den Ardennen organisierten. War das wirklich eine Gefahr für unsere Demokratie? Naja... Hören wir uns also erst einmal die Verteidigung der jungen Leute an, meint das Blatt sinngemäß. Festhalten muss man allerdings, dass sich die Gruppe auf "Werte und Normen" beruft. Und das sind wohl die am meisten missbrauchten Begriffe unserer Zeit.
De Morgen ist da deutlich weniger wohlwollend: Hitlerverherrlichung, sogar klare Zurschaustellung von Waffen, das ist dann doch sehr besorgniserregend. Man sollte diese Leute jetzt nicht einfach nur als harmlose Spinner lächerlich machen. Wenn junge Moslemfundamentalisten sich auf vergleichbare Art und Weise darstellen würden, dann würden die Sicherheitsdienste wohl sofort aktiv werden. Und das zu Recht. Am Anfang wurde "Sharia4Belgium" auch ausgelacht. Inzwischen wissen wir, dass das eine grausame Fehleinschätzung war.
Der Rechtsstaat vor dem Einsturz
"Trauriger Zustand", titelt seinerseits Le Soir. Diese Schlagzeile passt zum vorherigen Thema, gemeint ist aber der Brüsseler Justizpalast. "Im Brüsseler Justizpalast sind Teile der Decke eingestürzt", so die Schlagzeile von L'Echo und De Tijd. Und die Bilder sind tatsächlich beeindruckend. Aktenschränke und Papiere sind von Schutt bedeckt; zum Glück war in dem Moment niemand in dem betreffenden Büro. Der Justizpalast ist ja schon seit Jahren in einem jämmerlichen Zustand.
Es ist eine Schande, meint sinngemäß Le Soir. Aber wie das in Belgien immer so ist: Keiner will schuld sein. Nicht ich bin schuld, sondern die anderen. Es gibt ja sogar ein Stichdatum für das Ende der Restaurierungsarbeiten: 2040! Das muss man sich einmal vorstellen! Aber das wirklich Erschreckende ist nicht, dass die Decke eingestürzt ist, sondern dass sich niemand darüber wundert.
Das ist ein trauriges Symbol, bemerkt dazu De Tijd. Jahrelang hat sich die Politik für den einfachen Weg entschieden. Um Protestdemonstrationen gegen Sparmaßnahmen zu vermeiden, hat man nicht auf dem Rücken von Personen gespart, sondern auf Kosten von Gebäuden. Die eingestürzte Decke im Justizpalast ist ein trauriges Beispiel eines Landes, das nicht korrekt in die Zukunft investiert.
"Unser Rechtsstaat steht buchstäblich vor dem Einsturz", meint Het Laatste Nieuws. Der Brüsseler Justizpalast ist schon seit Jahrzehnten baufällig. Die meisten Magistrate und Anwälte haben das imposante Gebäude nie ohne Baugerüst gekannt. Justizvertreter, allen voran der Erste Präsident des Kassationshofes, Jean de Codt, beklagen schon seit Jahren, dass der Staat seine Justiz am langen Arm verhungern lasse; de Codt sah Belgien sich sogar schon zum "Schurkenstaat" entwickeln. Eine Renovierung wäre aber tatsächlich viel zu teuer; man sollte vielleicht über eine funktionale Alternative nachdenken.
Allianz mit der PTB kein Tabu
"Ich würde in Charleroi eine Koalition mit der PTB nicht ausschließen", das sagt der amtierende PS-Bürgermeister Paul Magnette in La Libre Belgique und La Dernière Heure. Er würde sich jedenfalls wünschen, dass er sein Mandat auch nach der Kommunalwahl vom 14. Oktober fortsetzen kann. Und eine Allianz mit der marxistischen PTB sei da kein Tabu. Auf die nationale Politik angesprochen schließt Magnette jegliche Zusammenarbeit mit der N-VA aus. Mit der CDH könne man irgendwann wohl wieder reden, aber nicht mit Benoît Lutgen. Lutgen hatte ja im vergangenen Jahr alle Koalitionen mit der PS einseitig aufgekündigt.
Ein waches Auge auf die Umwelt
Das GrenzEcho schließlich stellt in seinem Kommentar fest, dass der allgemein zu beobachtende Rechtsruck in Ostbelgien bislang ausgeblieben ist. Noch jedenfalls. Wir sollten aber ein waches Auge auf das halten, was um uns herum geschieht. Und ein mindestens ebenso waches, was in Ostbelgien selbst passiert. Mit jeder Übertragung von Zuständigkeiten nimmt die DG einen größeren Platz in unserem Alltag ein. Prinzipiell ist das kein Problem. Im Gegenteil. Angesichts dieser Konstellation muss man sich aber starke Gemeinden mit starken Bürgermeistern wünschen. Denn jede Demokratie lebt von Gleichgewichten und gegenseitiger Kontrolle.
Roger Pint