"Wer nach Europa kommt, verliert Recht auf Asyl", heißt es in der Schlagzeile bei Het Nieuwsblad. Die Zeitung zitiert damit aus einem Interview, das sie mit Asylstaatssekretär Theo Francken geführt hat. Der N-VA-Politiker will Flüchtlingen, die illegal nach Europa einreisen, das Recht absprechen, einen Asylantrag in europäischen Staaten zu stellen. Nur, wer einen Antrag außerhalb der europäischen Grenzen stellt, dürfe auch auf Asyl hoffen.
Het Nieuwsblad kommentiert: Mit diesem Vorschlag geht Francken eindeutig zu weit. Denn Flüchtlinge haben Rechte - unabhängig davon, wo sie diese geltend machen. Sich bei der Suche nach einer Lösung für das aktuelle Flüchtlingsproblem von diesem Grundsatz zu trennen, ist falsch, urteilt Het Nieuwsblad.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo macht sich grundsätzlichere Gedanken zur aktuellen Flüchtlingsdebatte und führt aus: Überall in Europa ist die Frage Gegenstand innenpolitischer Debatten geworden. In Osteuropa dient sie dazu, das schwache Europa zu diskreditieren. Im Westen trägt sie dazu bei, den Unterschied zwischen Rechts und Links weiter zu vergrößern. Das führt manchmal sogar zu unglücklicher Rhetorik. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hat jetzt von der "Achse der Willigen" gesprochen und damit an die deutsch-italienisch-japanische Allianz im Zweiten Weltkrieg erinnert. Dabei gibt es bereits Lösungen für die Flüchtlingsfrage. Die sogenannte Dublin III-Regelung wäre so ein Beispiel. Die sagt ja, dass jeder Flüchtling in dem ersten europäischen Land Asyl beantragen muss, das er betritt. Wenn sich die EU die Mittel geben würde, dieses System wirklich durchzusetzen, wäre ein Großteil der Krise schon gelöst, ist sich L'Echo sicher.
Keine gute Entwicklung
Zu den angekündigten Streiks bei der Bahn stellt L'Avenir fest: Wer ab Ende nächster Woche mit dem Zug fahren will, sollte sich vorher erkundigen, ob der Zug überhaupt fährt. Wahrscheinlich wird das bis zum 11. Juli so dauern. Gleich mehrere Gewerkschaften haben für unterschiedliche Tage unterschiedlich lange Streiks angekündigt. Überflüssig zu sagen, dass das ein Ärgernis ist. Vor allem legt es nahe, dass die verschiedenen Gewerkschaften ihre Kräfte bündeln sollten. Dann hätten sie zusammen mehr Schlagkraft und könnten ihre Forderungen im Prozess der Privatisierung der Bahn auch besser vertreten, rät L'Avenir.
De Tijd erklärt: Dass so viele unterschiedliche Gewerkschaften zu unterschiedlichen Zeiten streiken, ist dem Wahlkampf geschuldet. Gegen Ende des Jahres dürfen die Arbeitnehmer ihre Vertreter wählen. Jede Gewerkschaft will so viele Stimmen wie möglich bekommen. Jede will sich durch den Streik jetzt als beste profilieren. Leidtragende sind die Zugreisenden. Auch Premierminister Charles Michel regt sich über die Streiks auf. Dabei trägt auch die Politik eine Verantwortung: Sie hat es bislang versäumt, die Bahn wirklich grundsätzlich zu reformieren. Dass sie davor zurückschreckt, bezahlt sie mit immer wiederkehrenden Streiks, weiß De Tijd.
Gazet van Antwerpen schimpft: Diese Streiks sind unverschämt. Denn sie haben keinen nachvollziehbaren Grund. Einziges Ziel der Streikenden ist es, dass alle Berufe bei der SNCB als "schwer" bei der geplanten Rentenreform eingestuft werden. Alle SNCB-Mitarbeiter wollen früher in Rente. Keine Einsicht, dass man länger arbeiten muss. Mit so viel Egoismus verspielen die Gewerkschaften jeglichen Kredit bei der Bevölkerung. Ein Jammer, findet Gazet van Antwerpen.
Ähnlich sieht das Het Laatste Nieuws und schreibt: Die Gewerkschaften laufen mit ihren Streiks Gefahr, sich noch unbeliebter bei der Bevölkerung zu machen. Dabei haben Gewerkschaften eine wichtige Aufgabe: Sie sind ein wichtiger Teil des Sozialdialogs. Sie haben in der Vergangenheit viel erreicht für die Gesellschaft. Doch bei den normalen Menschen ist es mittlerweile weit verbreitet, die Gewerkschaften nur noch als Störfaktor zu sehen. Keine gute Entwicklung, kommentiert Het Laatste Nieuws.
Noch einmal unvoreingenommen alle Optionen abwägen
Le Soir notiert zur Debatte um die Neuanschaffung von Kampfjets für das belgische Militär: Gestern hat sich der Ministerrat darauf geeinigt, die Entscheidungsphase einzuläuten. Bis zum 14. Oktober will man ein Ergebnis haben. Vier Optionen sollen dabei geprüft werden: eine Modernisierung der aktuellen F-16-Flieger, die Anschaffung amerikanischer F-35-Kampfjets oder von Eurofightern, sowie der französische Vorschlag, der neben dem Flugzeug Rafale auch noch eine Wirtschaftskooperation beinhaltet.
Nach all den bisherigen Diskussionen über die Vorschläge ist es jetzt gut, dass über alle noch einmal unvoreingenommen nachgedacht werden kann. Die Entscheidung für die eine oder andere Option darf nicht emotional, sondern muss professionell gefällt werden, mahnt Le Soir.
Weiche Methoden statt harter Hand
De Morgen hat ein ausführliches Interview mit dem Leiter des Antiterrorstabs Ocam geführt und kommentiert: Der Ocam-Boss, so sagt er selbst, kommt immer mehr zu der Einsicht, dass eine harte Hand gegen Radikalisierte nicht die beste Methode ist. Diese Menschen einfach wegzusperren, ändert sie nicht.
Besser sei es, mehr Geld für Sozialarbeiter, Streetworker und Experten für Deradikalisierung auszugeben. Also für "weiche" Methoden. Kurz: in Prävention zu investieren. Es wird schwierig sein, im aktuellen Klima die Politik davon zu überzeugen, glaubt De Morgen.
Kay Wagner
"Deradikalisierung" gibt es nicht. Einen religiös überzeugten Menschen umpolen, käme einem Wunder gleich. Die das fertig bekommen, müssen ja aus ganz besonderem Holz geschnitzt sein.
Die genannte Dublin III-Verordnung ist nicht die Lösung, sondern das Problem in der Flüchtlingsfrage, solange es nicht den Willen der EU-Mitgliedsstaaten gibt, anerkannte (!) Asylbewerber oder Kriegsflüchtlinge (!) solidarisch auf die Mitgliedsstaaten zu verteilen.
Selbst der absurde Francken-Vorschlag oder welche wo auch immer eingerichteten „Ankerzentren“ würden an diesem mangelnden europäischen Willen scheitern. Ohne kohärentes Vorgehen der EU gibt es keine Lösung in der Flüchtlingsfrage und nationale Alleingänge beseitigen keine Probleme sondern verlagern sie nur.
Die diesbezügliche Diskussion in Deutschland, die möglicherweise zu einer Regierungskrise führen wird und in erster Linie dem bayrischen Wahlkampf geschuldet ist toppt den Francken-Vorschlag jedoch in seiner Menschenverachtung um Längen. Nach Dobrindts „Flüchtlingsindustrie“ prägt der neue bayrische Sonnenkönig Markus Söder neuerdings den Begriff des „Asyltourismus“ und des „Asylgehaltes“.
„Geht es eigentlich noch erbärmlicher?“ bemerkte der deutsche Journalist Udo Stiehl, der die Hintergründe dieses Begriffs-Framing beleuchtete.
Wohl kaum!