"Italien – Die Wahl, die die Zukunft Europas bedroht", titelt La Libre Belgique. Fast alle Zeitungen blicken heute auf Italien, wo morgen ja Parlamentswahlen stattfinden werden. In den Umfragen in Führung liegt die Allianz von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi und einigen europakritischen Parteien, angefangen mit der fremdenfeindlichen Lega-Partei, der früheren Lega-Nord. Dieses Mitte-Rechts-Bündnis hat vor allem populistische Töne angeschlagen, gegen Ausländer, gegen Migration, gegen Europa.
Paradox ist dabei, dass Berlusconi wegen einer Verurteilung unter anderem wegen Steuerhinterziehung gar nicht kandidieren darf. Und doch war er der Strippenzieher auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Aber "selbst ein Berlusconi wird Italien nicht kaputt kriegen", sagt der Altpremier und derzeitige Europaabgeordnete Guy Verhofstadt auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
Andere sind offensichtlich nicht ganz so zuversichtlich: "In Italien entscheidet sich die Zukunft der EU", schreibt etwa De Tijd. Frage ist nämlich, inwieweit die populistische Welle überschwappen könnte.
Italien – Chronik eines angekündigten Chaos'
Neben den Vorbehalten gegen Berlusconi und vor allem gegen einige seiner Verbündeten geht in vielen europäischen Hauptstädten aber die Angst vor politischen Chaos in Rom um. Konkret: Es steht zu befürchten, dass keines der Lager die erforderliche Mehrheit erzielen wird, um regieren zu können.
"Es ist die Chronik eines angekündigten Chaos'", so formuliert es denn auch La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Die Zeichen stehen jedenfalls auf Sturm. Vieles deutet darauf hin, dass Italien nach der Wahl in eine handfeste politische Krise schlittert. Auf der rechten Seite gibt es einige fremdenfeindliche und neofaschistische Kräfte, das linke Lager ist gespalten, und die Fünf-Sterne-Bewegung, die ebenfalls auf der Populismus-Welle surft, wäre auch nicht wirklich ein vorzeigbarer Koalitionspartner. Italien steht wohl vor einer schwierigen Regierungsbildung.
Und damit wäre Italien ja nur das letzte Land in einer ganzen Serie von vergleichbaren Situationen, analysiert L'Avenir. In Spanien oder zuletzt in Deutschland konnte ja ebenfalls nur mit Mühe eine Regierung gebildet werden. Und eine "GroKo" nach deutschem Vorbild taugt nur bedingt als mögliches Modell. Das kann schon an der Persönlichkeit einiger Protagonisten scheitern, allen voran Silvio Berlusconi, dessen Vergangenheit nur schwer auszublenden ist.
Berlusconi in der Rolle des Hoffnungsträgers!?
In diesem Zusammenhang mag die Schlagzeile von De Standaard überraschen. "Europa drückt Berlusconi die Daumen", schreibt das Blatt. Das gilt demnach mindestens für den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Damit verbunden ist anscheinend in erster Linie die Hoffnung, dass Italien schnell wieder eine stabile Regierung bekommt.
Für Berlusconis Rehabilitierung auf der europäischen Bühne gibt es wohl auch noch andere Gründe, analysiert De Morgen in seinem Kommentar. Das hat wohl am ehesten auch damit zu tun, dass Berlusconi als das kleinere Übel wahrgenommen wird, meint das Blatt sinngemäß. In seinem Schlepptau befinden sich offen europafeindliche Parteien wie die Lega, die sogar den Ausstieg aus dem Euro predigt. Aus Sicht von Berlin und Paris sähe das Idealszenario also so aus: Berlusconi setzt seinen alten Weggefährten Antonio Tajani als Premier ein, und der gilt nicht nur als Pro-Europäer, er ist ja im Moment sogar Präsident des EU-Parlamentes. Und um diesen Tajani herum kann sich dann eine Allianz der Mitte bilden. In jedem Fall, so das Fazit von De Morgen, ist Berlusconi wohl der "Königsmacher".
Neue Nachwehen des 22. März
De Morgen bringt heute im Übrigen auch eine spektakuläre Schlagzeile auf seiner Titelseite: "Wie die Polizei den Maelbeek-Attentäter laufen ließ", schreibt das Blatt. Es geht um Khalid El Bakraoui, der sich am 22. März 2016 in der Metro-Station Maelbeek in die Luft gesprengt hatte. Anscheinend wurde der Mann damals beschattet und sogar abgehört. "Und doch hat er die Anschläge von Paris planen und sich danach sogar noch an den Attentaten von Brüssel beteiligen können", schreibt anklagend De Morgen.
Apropos: La Dernière Heure bringt heute ein Exklusiv-Interview mit Fayçal Cheffou. Der Journalist war gleich nach den Anschlägen von Brüssel verdächtigt worden, der "Mann mit Hut" zu sein, also der überlebende Attentäter von Zaventem. Fünf Tage lang stand er ganz oben auf der Fahndungsliste. Und das hat er bis heute nicht verwunden: "Zwei Jahre, nachdem er der meist gehasste Mann der Welt war, ist Fayçal Cheffou ein gebrochener Mann", schreibt La Dernière Heure.
Der Samstag ist ja auch der Tag der politischen Interviews. La Libre Belgique und La Dernière Heure haben mit Asylstaatssekretär Theo Francken gesprochen. Für den N-VA-Politiker ist erstmal erwiesen, dass er im Zusammenhang mit der Ausweisung sudanesischer Migranten keinen Fehler gemacht hat. Er bekomme im Übrigen auch viel Zuspruch aus dem frankophonen Landesteil. Und noch etwas: "Er fände es toll, wenn Didier Reynders nach der nächsten Wahl Ministerpräsident der Region Brüssel-Hauptstadt würde", sagt Francken in La Libre und La Dernière Heure.
In Het Belang van Limburg meldet sich die Staatssekretärin Zuhal Demir zurück. Die N-VA-Politikerin hatte ja nach der Geburt ihrer ersten Tochter ihre Elternzeit genommen. Ihre Angriffslust und Bissigkeit hat sie dabei aber offensichtlich nicht verloren.
Neue Zweifel am Atomausstieg?
Het Laatste Nieuws und De Morgen schließlich enthüllen heute eine Info, die noch viel Staub aufwirbeln könnte. "Der Bericht, den niemand sehen durfte", schreibt De Morgen. Es geht um die Impaktstudie, die die Energieministerin Marie-Christine Marghem in Auftrag gegeben hatte. Darin wurde ja untersucht, welche Auswirkungen der geplante Atomausstieg hätte. Eine Info hat die Ministerin da anscheinend unterschlagen: Der Atomausstieg würde den CO2-Ausstoß im belgischen Energiesektor um mehr als 70 Prozent ansteigen lassen. Dieses Plus würde erst gegen 2040 durch grüne Energiequellen ausgeglichen.
Damit wird sich die N-VA in ihrem Nein zum Atomausstieg gleich wieder bestätigt sehen, ist Het Laatste Nieuws überzeugt. Das aber nicht nur wegen der Zahl. Nein, es ist vor allem die Geheimniskrämerei der Madame Marghem, die die Akte wieder ein bisschen mehr vergiftet hat. Manchmal könnte man den Eindruck haben, dass die Frau das Spiel des Energie-Riesen Engie Electrabel spielt. Lieber Herr Premierminister, wendet sich Het Laatste Nieuws an Charles Michel: Tun Sie uns den Gefallen und ziehen sie die Akte Atomausstieg an sich. Merci!
Roger Pint