"Weltmeisterin!", titelt L'Avenir. "Phänomenale Nafi", jubelt Het Nieuwsblad. "Beispiellos", schreibt Het Belang van Limburg. "Nafi ist unschlagbar", so die Schlagzeile von Le Soir. "Lang lebe die Königin", so die Parole auf der Titelseite von Het Laatste Nieuws.
Nafissatou Thiam hat es heute auf ausnahmslos alle Titelseiten geschafft. Die 22-jährige Sportlerin aus Namur hat gestern bei der Leichtathletik-WM in London Gold im Siebenkampf geholt. Sie hat damit ihr Olympia-Gold vom vergangenen Jahr bestätigt und auch dem entsprechenden Erfolgsdruck standgehalten. Mehr noch: "Nafi Thiam beschert Belgien die erste Goldmedaille überhaupt auf einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft", heben De Morgen und Gazet van Antwerpen auf Seite eins hervor.
Deswegen nennen La Libre Belgique und das GrenzEcho den gestrigen Erfolg denn auch "historisch". Nafi Thiam stehen jetzt jedenfalls alle Türen offen. Gazet van Antwerpen nennt sie den "neuen Superstar der Leichtathletik". Anscheinend winken jetzt lukrative Werbeverträge. Ein großer amerikanischer Sportartikel-Hersteller will die bescheidene Belgierin zum Gesicht einer weltweiten Werbe-Kampagne machen; "als einzige Europäerin", wie Het Nieuwsblad unterstreicht. Die Schlagzeile von La Dernière Heure liest sich denn auch wie ein Fazit: "Nafi Thiam ist schon jetzt eine Legende".
Das Schweigen der Afsca
Belgien macht in diesen Tagen aber auch wieder Negativschlagzeilen: "Die Agentur für Lebensmittelsicherheit steht unter Beschuss", titelt etwa De Morgen. Die Afsca wusste anscheinend schon seit längerer Zeit von einem möglichen Problem mit Eiern, die mit dem Insektizid Fipronil verseucht sein könnten. Die erste Warnung ging am 2. Juni ein und kam aus einem Geflügel-Betrieb aus Sint-Niklaas. Daraufhin wurden auch gerichtliche Ermittlungen eingeleitet. Und weil es nun mal das Ermittlungsgeheimnis gibt, habe die Behörde nicht kommunizieren können, begründete eine Sprecherin das Schweigen der Afsca.
Nichtsdestotrotz gab es am Wochenende scharfe Kritik. "Die Nachbarländer, allen voran Deutschland, sind wütend auf Belgien wegen der mangelhaften Transparenz und Kommunikation", notiert etwa Gazet van Antwerpen. Vor diesem Hintergrund verlangt der neue föderale Landwirtschaftsminister Denis Ducarme einen detaillierten Bericht von der Afsca. "Die Krise der kontaminierten Eier zwingt die Regierung zu einer Reaktion", so denn auch die Schlagzeile von La Libre Belgique.
Le Soir ist schärfer: "Die Fipronil-Eier entwickeln sich zu einer politischen Krise". Tatsächlich feuert jetzt auch die Opposition aus allen Rohren. Sozialisten und Grüne fordern eine Sondersitzung des zuständigen Parlamentsausschusses, der womöglich schon morgen zusammenkommen wird. Einige Zeitungen glauben zu wissen, warum die AFSCA so spät reagiert hat: "In Belgien werden Eier nicht auf Fipronil getestet", schreiben Het Nieuwsblad und Het Laatste Nieuws.
"Hallo Afsca, jemand zu Hause?"
Ein Zitat steht heute in vielen Zeitungen und sogar auf Seite eins von Gazet van Antwerpen: "Belgien hat aus der Dioxin-Krise nichts gelernt". Das ist die Meinung von Freddy Willocks, der 1999 als Regierungskommissar für das Krisen-Management im Dioxin-Skandal zuständig war.
"Hallo Afsca, jemand zu Hause?", giftet Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Ausgerechnet die Afsca, die ja 1999 gegründet wurde, um ein Informationschaos wie bei der damaligen Dioxin-Krise künftig zu vermeiden, hat jetzt offensichtlich Informationen zurückgehalten. Und genau wie damals laufen unsere Politiker derzeit wieder herum wie die buchstäblichen kopflosen Hühner. Und genau wie damals sind wir wieder in einem Teufelskreis von Nuancierungen, Dementis und Vogelstrauß-Politik.
Und wieder sind wir sprachlos, meint auch Gazet van Antwerpen; erschüttert über die Haltung einer Behörde, die über die Sicherheit unserer Lebensmittel wachen soll. Wie ist es möglich, dass eine Agentur wie die Afsca so stümperhaft arbeitet? Hier darf in jedem Fall nicht das letzte Wort gesprochen sein.
"Lust auf ein Fipronil-Omelette?"
Denn hier geht es um Glaubwürdigkeit, hakt La Dernière Heure ein. Die Glaubwürdigkeit nicht nur der Afsca, sondern gleich des ganzen Landes. Mag ja sein, dass die Fipronil-Konzentrationen in belgischen Eiern niedriger sind als in Deutschland oder den Niederlanden. Die Kommunikation und letztlich auch der Schutz der Verbraucher müssen aber in jedem Fall oberste Priorität haben.
"Lust auf ein Fipronil-Omelette?", ätzt derweil Het Laatste Nieuws. Die Afsca hat es offensichtlich in Kauf genommen, dass die Verbraucher ohne ihr Wissen Fipronil-Eier auf den Teller bekamen. Weil ja die Konzentrationen angeblich so niedrig waren. Die Deutschen und Niederländer sind zurecht wütend. In einer Demokratie gibt es nur ein Leitmotiv: "Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information", vor allem, wenn es um unsere Lebensmittel geht.
Und es muss immer das Vorbeugeprinzip gelten, findet La Libre Belgique. Ermittlungsgeheimnis hin oder her, aber die Afsca musste kommunizieren. Alles andere ist kontra-produktiv. Wie wir jetzt sehen, werden durch das Verschweigen von Informationen allenfalls Zweifel und Misstrauen gesät.
Und die armen Landwirte bleiben wieder auf ihren Erzeugnissen sitzen, konstatiert verbittert L'Avenir. Gerade für kleinere Betriebe ist das ebenso dramatisch wie absurd. Sie stellen in ihrem Alltag immer wieder fest, dass die Afsca ihnen gegenüber deutlich mehr Kontrolleifer an den Tag legt als bei den Industrie-Betrieben. Aber apropos, ist es nicht genau diese industrialisierte Landwirtschaft, die hier einmal mehr der Grund allen Übels ist?
Roger Pint - Bild: Dirk Waem/Belga