"Wie Malta die europäischen Staaten um 1,5 Milliarden Euro prellt", titelt Le Soir. Die Brüsseler Tageszeitung bringt heute den belgischen Teil einer internationalen Recherche über die sogenannten "Malta-Files". Vor einiger Zeit waren dem europäischen Recherchenetzwerk EIC zwei Datensätze zugespielt worden. Zu dem Konsortium gehören neben Le Soir weitere zwölf Medienhäuser, darunter der Spiegel oder das französische Nachrichtenportal Mediapart.
Die geleakten Daten zeigen, "wie Malta zu einem Steuerparadies innerhalb der Europäischen Union werden konnte". Demnach hat der Inselstaat ein veritables System zur Steuervermeidung aufgebaut. Lockmittel sind insbesondere außerordentlich niedrige Steuersätze; die Auflage, dass Unternehmen auch tatsächlich auf der Insel tätig sein müssen, wird in der Praxis häufig nicht angewandt. Das Konsortium verfügt über die Liste aller 53.000 auf Malta registrierten Unternehmen. Darunter sind zahlreiche Tochterfirmen europäischer Konzerne. "Luxus-Yachten fast ohne Mehrwertsteuer, Unternehmen, die so gut wie nicht besteuert werden, das kleine EU-Land setzt den anderen Staaten finanziell mächtig zu", so fasst es Le Soir zusammen und nennt auch namentlich zumindest einen belgischen Steuerflüchtling, nämlich den Zuckermilliardär Eric Wittouck. Das Fazit der Brüsseler Zeitung: "Malta ist eine fiskale Pirateninsel im Mittelmeer".
Ausgerechnet Saudi-Arabien
"Trump geht auf Reisen und das ist nicht ohne Risiko", schreibt derweil De Morgen auf Seite eins. Der US-Präsident ist zu seiner ersten Auslandsreise seit seinem Amtsantritt aufgebrochen. Erste Station ist Saudi-Arabien. Im Anschluss geht es weiter in den Nahen Osten. Und dann nach Brüssel zum Nato-Gipfel. "Vorsicht vor Patzern!", warnt De Standaard. Bei seinen diversen Auftritten kann Trump in den nächsten Tagen zeigen, was er in punkto Diplomatie bislang schon gelernt hat -oder nicht gelernt hat.
De Morgen hebt hervor, dass ausgerechnet Saudi-Arabien das erste Ziel seiner ersten Auslandsreise ist. Die beißende Schlagzeile: "Trump reist zu seinen Moslem-Freunden für ein Waffengeschäft". Besagter Deal hat immerhin einen Gegenwert von geschätzten 100 Milliarden Euro.
Ausgerechnet Saudi-Arabien, meint auch La Libre Belgique in ihrem Leitartikel. Klar: Die Golfmonarchie ist ein langjähriger Verbündeter der Vereinigten Staaten. Dabei scheint man in Washington gerne zu vergessen, dass Saudi-Arabien eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit der Verbreitung von islamistischem Gedankengut beigemessen wird. Und dass 15 der 19 Attentäter vom 11. September die saudische Nationalität hatten. Saudi-Arabien als erstes Auslandsziel des neuen US-Präsidenten, das ist also ein doch seltsames Symbol. Waffendeal hin oder her, aber das hätte man sich besser überlegen sollen.
Europa wird wohl auch kein Heimspiel für The Donald
La Libre Belgique blickt schon auf den kommenden Mittwoch und Donnerstag, wenn Trump für den Nato-Gipfel in Brüssel Halt macht: "Der Brüssel-Aufenthalt wird alle Rahmen sprengen", schreibt das Blatt auf Seite eins; und fügt hinzu: "Tsunami über Brüssel: Trump kommt am Mittwoch". Auf zehn Sonderseiten bringt die Zeitung alle Einzelheiten, insbesondere in Bezug auf die enormen Sicherheitsvorkehrungen, die den Nato-Gipfel begleiten werden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass diverse Kundgebungen angekündigt sind.
Donald Trump dürfte ahnen, dass er in Europa nicht unbedingt von allen mit offenen Armen empfangen wird, meint De Morgen in seinem Kommentar. Sein unverhohlener Sexismus, das Leugnen des Klimawandels, das illegale Einreiseverbot für Moslems, sein Isolationismus – all das hat dafür gesorgt, dass die Glaubwürdigkeit des US-Präsidenten auch in Europa arg gelitten hat. Und natürlich müssen König Philippe und Premierminister Charles Michel in ihren wohl kurzen Unterredungen mit Trump die europäischen Bedenken zum Ausdruck bringen. Allerdings sind die Europäer gut beraten, nicht den Eindruck von moralischer Überlegenheit zu vermitteln. Länder wie Ungarn oder Polen sind auch nicht wirklich vorzeigbar.
Auch das GrenzEcho warnt vor Überheblichkeit. Die Politiker, die auf Trump und populistische Konsorten draufhauen, sollten mal tief in sich hineinblicken und sich fragen, ob sie nicht an dem Erfolg der angeblichen "politischen Alternativen" Schuld sind. Trump ist eigentlich nur der sichtbare Ausdruck der Politikverdrossenheit weltweit.
Nichts aus dem Publifin-Skandal gelernt
Apropos: Le Soir ereifert sich in seinem Leitartikel über den drohenden neuen Skandal beim ISPPC, der Interkommunalen, die die medizinischen Einrichtungen in der Region Charleroi verwaltet. Auch dort soll es zu gravierenden Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Die Wallonische Region setzte umgehend einen Krisenmanager ein. Der Direktor des ISPPC wurde vorläufig suspendiert.
Offensichtlich lernt man in der Wallonie nichts hinzu, wettert Le Soir. Wie ist es möglich, dass die Publifin-Affäre offensichtlich nicht überall als Weckruf gedient hat? Man hätte doch davon ausgehen können, dass andere Interkommunale wie eben das ISPPC im Fahrwasser der Publifin-Affäre spontan eine Selbstbewertung durchgeführt hätten, nach dem Motto: Läuft eigentlich bei uns alles, wie es laufen soll? Das ist offensichtlich nicht passiert. Und das zeigt, dass gute Amtsführung in den Köpfen noch nicht etabliert ist.
Wälder, Dolchstöße und Kriegsbeile
Die flämische Regierung leistet sich derweil eine mittelschwere Krise. "Bourgeois schießt die 'Waldkarte' ab", titelt De Standaard; zu sehen ist aber die flämische Umweltministerin Joke Schauvliege, die den N-VA-Ministerpräsidenten scharf angreift: "Das ist illoyaler Panikfußball", sagt die CD&V-Politikerin. Was ist passiert? Eben diese Joke Schauvliege hatte eine Karte erstellen lassen, die den schützenswerten Wald in Flandern auswies. Da gab es aber ein Problem: Dieser "schützenswerte Wald" stand zum Teil auf Bauland. Die Grundstücke waren also auf einmal deutlich weniger wert.
Weil sich da ein Tumult zusammenbraute, hat also Ministerpräsident Geert Bourgeois die Reißleine gezogen und die Karte vom Tisch gefegt. Das allerdings "einseitig", wie Het Belang van Limburg betont, also ohne die CD&V auch nur zu informieren. "Die CD&V ist wütend über den Dolchstoß von Bourgeois", schreibt Het Nieuwsblad.
Und doch jubelt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Dass diese Waldkarte so schnell im Papierkorb gelandet ist, das ist eine wirklich gute Neuigkeit. Denn, seien wir mal ehrlich: Wenn Bauland über Nacht zum "schützenswerten Wald" erklärt wird, dann ist das mehr oder weniger Diebstahl. Zum Glück hat Ministerpräsident Bourgeois das so schnell eingesehen.
Andere Zeitungen hingegen beklagen den erneuten Amateurismus in der flämischen Regierung. Außerdem scheinen CD&V und N-VA das gerade erst verbuddelte Kriegsbeil schon wieder ausgegraben zu haben, beklagt sinngemäß Het Laatste Nieuws. Het Nieuwsblad spricht von der "Wälder-Soap". Und diesmal kann die Regierung nicht auf andere zeigen. Und Schuld sind auch nicht die Frankophonen.
Roger Pint - Bild: Saul Loeb/AFP