"Theresa May wird Mrs. Brexit", titelt La Libre Belgique. "Theresa May: die Frau, die den Brexit abwickeln soll", so die Schlagzeile von Le Soir und De Morgen. "Sie soll es in England richten", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins.
In Großbritannien wird der Machtwechsel nun doch schneller vonstatten gehen als zunächst gedacht. Im parteiinternen Auswahlverfahren bei den Konservativen war die bisherige Innenministerin Theresa May am Montag plötzlich die einzige noch verbleibende Kandidatin. Deswegen kündigte Noch-Premier David Cameron denn auch an, seinen Platz schon am Mittwoch zu räumen. 25 Jahre nach dem Abgang von Margaret Thatcher wird nun also wieder eine Frau in die Amtswohnung in der 10, Downing Street einziehen.
"Angesichts der anhaltenden Unsicherheit schaltet London einen Gang höher", notiert Le Soir. "Aber mit dem Brexit hat Theresa May es nicht eilig", unterstreicht Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Sie hatte schon im Vorfeld angekündigt, dass sie das offizielle Austrittsgesuch erst im kommenden Jahr stellen will. Sie hat die Brexit-Kampagne zwar nicht unterstützt, hat aber versprochen, den Willen der Wähler zu respektieren.
De Standaard fühlt sich seinerseits schon an Margaret Thatcher erinnert: "Theresa May, die neue 'Eiserne Lady'", so die Schlagzeile. Het Belang van Limburg hat dagegen mindestens einen Unterschied zwischen beiden Frauen ausgemacht: "Theresa May, die neue britische Premierministerin mit einem Faible für schöne Schuhe", so die Schlagzeile. Anscheinend besitzt die 59-Jährige eine beeindruckende Schuh-Sammlung. Thatcher hingegen galt in allen Belangen als nüchtern und ernst.
Schneller als erwartet wird jetzt also in London das Ende des politischen Chaos eingeleitet, konstatiert De Standaard in seinem Leitartikel. Die EU indes muss sich immer noch darüber im Klaren werden, welche Lehren man jetzt aus dem Brexit zieht. Fest steht: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Auch ohne das Dauerfeuer der britischen Revolverblätter droht "Brüssel" für viele der Inbegriff für eine "weltfremde Diktatur" zu bleiben. Und damit auch der ideale Sündenbock für Politiker, die sich gerade mal wieder bei ihren Wählern einschmeicheln wollen. Diesen Krieg um die Sympathien kann eine, zumal geschwächte, Europäische Union nicht gewinnen.
Nicht nur sprachlich, auch inhaltlich daneben
"Streiken die Wallonen wirklich mehr als die Flamen?", fragt sich derweil Het Belang van Limburg auf Seite eins. Hintergrund sind natürlich die Aussagen des flämischen Ministerpräsidenten Geert Bourgeois zum "Tag der flämischen Gemeinschaft". Bourgeois hatte erklärt, dass die Sprachgrenze mehr und mehr einer "Streikgrenze" gleiche. Und dann kam noch ein folgenschweres Sätzchen, in dem das Wort "Spucken" vorkam. Dass die Flamen weniger streiken als die Wallonen, das stimme aber nur bedingt, hat Het Belang van Limburg festgestellt; der Eindruck stehe nur im Raum wegen einiger spektakulärer Aktionen, wie zum Beispiel dem wochenlangen Streik der frankophonen Gefängniswärter.
Der Vorstoß von Geert Bourgeois war also nicht nur wegen seiner Wortwahl, sondern auch inhaltlich ziemlich daneben, kann Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel nur feststellen. Der flämische Ministerpräsident hätte seine Zunge besser hüten sollen.
Waar is da feestje?
"Kann nicht jemand mal einen Speicheltest bei Bourgeois vornehmen?", frotzelt derweil Het Laatste Nieuws. Wir möchten immer noch wissen, ob der Gebrauch des Wortes "Spucken" nun ein Lapsus war, oder ob wir Flamen wirklich auf die angebliche "Streikgrenze" spucken. Dass ausgerechnet der Sprach-Purist Bourgeois sich hier einen Ausrutscher geleistet hat, ist eher unwahrscheinlich. Es passt vielmehr ins Bild. Der 11. Juli ist inzwischen traditionell ein Tag, an dem Flandern im wahrsten Sinne des Wortes verkrampft. Waar is da feestje, wo ist das Fest? Hier jedenfalls nicht.
Geert Bourgeois, der kleine, um nicht zu sagen kleingeistige, Held des 11. Juli, giftet ihrerseits La Libre Belgique. Was für eine erbärmliche Aussage war das! Flandern könnte sich an seinem Feiertag doch selber loben, statt andere niederzumachen. Hier zeigt sich eigentlich nur einmal mehr, in welcher Geisteswelt die alten nationalistischen Recken gefangen sind, immer noch getrieben von diffusen Rachegelüsten aus einer längst vergangenen Zeit. Das Einzige, was Bourgeois geschafft hat, ist es, Flandern zu spalten.
Nur die Spitze des Eisbergs und ein Akt der Verzweiflung
Der "Spuck-Skandal" ist doch nur die Spitze des Eisbergs, meint Het Nieuwsblad. Eigentlich sollte das Amt des Ministerpräsidenten doch die Krönung des Lebenswerkes von Geert Bourgeois sein. Und doch fühlt es sich immer noch an wie eine Fehlbesetzung. Selbst innerhalb der N-VA ist man längst nicht immer glücklich mit dem ansonsten unsichtbaren Ministerpräsidenten. Wie die Föderalregierung hat auch die flämische Regierungsmannschaft ein offensichtliches Führungsproblem.
De Morgen sieht in der Aussage nur noch einen Akt der Verzweiflung. Geert Bourgeois beziehungsweise die N-VA in ihrer Gesamtheit werden in ihrer Polarisierungsstrategie schon immer plumper. Die zugleich wiederholte Forderung nach einer neuen Staatsreform sorgt allenfalls nur noch für Achselzucken. Sollte die N-VA aber weiter auf diesen Nagel schlagen, also entgegen der Absprachen doch wieder die Gemeinschaftspolitik aufs Tapet bringen, dann könnte die Koalition ernsthaft Schaden nehmen.
Im Moment steht die N-VA mit ihrer Forderung nach einer neuen Staatsreform nach der Wahl 2019 jedenfalls ziemlich alleine da, glaubt Gazet van Antwerpen. Einer gegen alle, so der derzeitige Eindruck. Die N-VA ist in ihrer eigenen "Logik" gefangen.
Die Frankophonen sollten all dies aber nicht als Fußnote abtun, warnt Le Soir. Wenn die jüngsten Ereignisse nur ein Fazit zulassen, dann dieses: Die föderale Staatsstruktur in diesem Land ist immer noch äußerst zerbrechlich.
Roger Pint - Bild: Chris Ratcliffe/AFP