"In or out?", fragen sich sowohl De Morgen als auch Het Laatste Nieuws auf ihren zweigeteilten Titelseiten. "Brexit: Wie es dazu kommen konnte", schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. "Großbritannien und Europa stehen turbulente Zeiten bevor", bemerkt Het Nieuwsblad. Eine Frage stellen sich heute alle Zeitungen: "Wie geht es jetzt weiter?".
Den Ausgang des Brexit-Referendums konnten die Blätter bei Redaktionsschluss nicht kennen, deswegen haben sich viele Zeitungen auf beide Szenarien vorbereitet. Heute Morgen wissen wir aber: Das Brexit-Lager liegt uneinholbar in Führung. Ein Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union wird immer wahrscheinlicher. Wie die Scheidung aussehen wird, weiß niemand. Noch nie hat ein Mitgliedsland der EU den Rücken gekehrt. Die kommenden Tage werden wohl geprägt sein von purer Improvisation, meint Het Laatste Nieuws. Die Unsicherheit und der wirtschaftliche Schaden an den Märkten dürften hoch ausfallen. Was die Langzeitfolgen angeht und ob der Brexit für die Briten wirklich eine gute Sache ist, wird sich erst in einigen Jahren zeigen, so die Zeitung.
Droht nach dem Brexit ein UK-Exit?
"Was nun, David Cameron?", fragt sich unterdessen Het Nieuwsblad. Der britische Premier steuert nicht nur auf das Ende seiner politischen Karriere zu, sondern hinterlässt ein zutiefst gespaltenes Land. Im schlimmsten Fall könnte ihm jetzt sogar sein geliebtes Vereinigtes Königreich um die Ohren fliegen. Während England aus der EU raus will, wollen die Schotten und möglicherweise auch die Nordiren weiter zu Europa gehören.
Eins steht aber auch für die Europäische Union fest, schreibt De Standaard: So kann es nicht weitergehen. Die EU braucht grundlegende Reformen, um ihr negatives Image loszuwerden. Das findet auch De Morgen. Die Briten stürzen die europäischen Institutionen in eine existentielle Krise. Hoffentlich nutzen die Europäer diese Gelegenheit, um die Union zum Besseren zu wenden. Was wir brauchen, ist eine bescheidenere, gerechtere und sozialere Union, urteilt De Morgen.
Viel Kritik an FGTB-Streik
Das andere große Thema des Tages ist der Generalstreik in Belgien, zu dem die FGTB aufgerufen hat. Dazu meint La Libre Belgique: Dieser Streik ist ineffizient, unbegründet und nutzlos. Ineffizient, weil die sozialistische Gewerkschaft im Alleingang das Land blockiert. Unbegründet, weil die Reformen der Föderalregierung erste Früchte tragen und die Beschäftigung zunimmt. Und nutzlos, weil die Koalition den Protest aussitzen wird und an ihrem Kurs festhält. Leidtragender ist mal wieder nur der kleine Mann, der heute vergeblich auf den Bus wartet und vor verschlossenen Supermarkt-Türen steht.
Ähnlich sieht es Le Soir: Der FGTB-Streik kommt nicht nur zum falschen Zeitpunkt - zwischen Brexit, Fußball-EM und Ferienstart drohen die Protestbilder komplett unter zu gehen - auch der Inhalt ist wegen der vielen Streikaktionen, die es bereits in den letzten Wochen gab, unklar. Hinzu kommt: Beim Kräftemessen zwischen Charles Michel und Gewerkschaftsboss Marc Goblet liegt der Regierungschef derzeit in Führung - siehe SNCB oder Gefängniswärterstreik.
Het Nieuwsblad findet: Die Gewerkschaftsspitzen verlieren mehr und mehr die Kontrolle über ihre Basis. In der Wallonie übernimmt die linksextreme PTB das Ruder, während die PS verdutzt zuschaut. Für De Standaard beweist der heutige Streik nur eins: wie ideenarm die FGTB inzwischen ist.
Auch L'Écho meint: Zu viel Streiks sind kontraproduktiv. Inzwischen zittert kaum noch jemand vor der FGTB. Für die Zeitung muss aber auch die Mitte-Rechts-Regierung nachbessern: Die erdrückende Steuerlast muss gesenkt werden, die arbeitende Bevölkerung besser unterstützt und die Energiewende endlich eingeleitet werden.
Führerschein für E-Bike nötig
La Dernière Heure befasst sich mit den neuen Regeln bezüglich der E-Bikes. Wer ein Fahrrad mit Elektroantrieb fährt, das mehr als 45 Stundenkilometer schafft, braucht dafür ab September einen Führerschein in Belgien. Das hat Verkehrsminister François Bellot beschlossen. Notwendig ist eine Fahrberechtigung für Mofa oder Auto. Konkret heißt das: Unter 16 Jahre ist das Fahren eines schnellen E-Bikes untersagt.
Außerdem sind eine Versicherung sowie ein Nummernschild ab dem 1. September Pflicht. Verzichtet der E-Bike-Fahrer darauf und kommt es zu einer Kontrolle oder sogar zu einem Unfall, wird nicht nur ein Bußgeld fällig. Auch die Versicherung zahlt dann nicht.
Alain Kniebs - Bild: Rob Stothard/AFP