"Jetzt haben sie es der Welt eindrucksvoll gezeigt", titelt Le Soir. "Und jetzt die Schweden!", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg und Het Nieuwsblad. Het Laatste Nieuws denkt schon drei Schritte weiter: "Der Weg ins Halbfinale ist frei!"
Die Erleichterung ist auf vielen Titelseiten spürbar. Der 3:0-Sieg der Roten Teufel gegen Irland war für alle ein Befreiungsschlag. Allen voran in Bordeaux, wo das Spiel am Samstag stattgefunden hatte, machten die Fans ihrer Freude Luft; zusammen mit den Iren, die sich als gute Verlierer erwiesen: "Belgier und Iren flippen in Bordeaux völlig aus", schreibt Gazet van Antwerpen. Am Mittwoch um 21:00 Uhr geht es im letzten Gruppenspiel gegen Schweden. "Zlatan, die Teufel erwarten Dich!", schreibt La Dernière Heure herausfordernd auf Seite eins. Gemeint ist natürlich Schwedens Starstürmer Zlatan Ibrahimovic.
Da sieht man mal, wie schnell das gehen kann, meint La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Im Vorfeld des Turniers hatten viele Belgier die Roten Teufel schon als Europameister gesehen. Dann kam das enttäuschende Auftaktspiel gegen Italien. Und dieselben Leute wollten dann plötzlich nicht mehr ausschließen, dass Belgien nicht mal die Vorrunde übersteht. Pessimismus ist eben Volkssport Nummer eins in diesem Land. Könnten wir nicht einfach mal bedingungslos an diese Mannschaft glauben?
Neuer blutiger Terror-Anschlag gerade noch vereitelt
Es gibt aber heute noch ein zweites Topthema, das allerdings in gewisser Weise mit der Fußball-EM in Verbindung steht. "Die terroristische Bedrohung bleibt uns erhalten", titelt Le Soir. "Belgien bleibt in Alarmbereitschaft", notiert auch La Libre Belgique. "Anschlag von der 'Bande von Laeken' im letzten Moment vereitelt", so die Schlagzeile von De Standaard. Diese "Bande von Laeken" wollte nach dem derzeitigen Informationsstand am Wochenende einen Anschlag verüben.
In der Nacht zum Samstag hatte die Polizei rund 40 Hausdurchsuchungen durchgeführt. Dabei wurden zwölf Verdächtige aufgegriffen, drei von ihnen sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Wie die Föderale Staatsanwaltschaft bekanntgab, erfolgte der Zugriff, weil die Terrorzelle offensichtlich im Begriff war, loszuschlagen. Offenbar wurde die Gruppe abgehört. Dies unter anderem auch in dem Moment, wo man ein potentielles Ziel auskundschaftete. Unter anderem Het Nieuwsblad bringt einen Auszug aus dem Gesprächsprotokoll: "Hier steigen wir aus dem Wagen aus, dann machen wir 'reketeketek' und dann bricht hier die Hölle los!"
Nach übereinstimmenden Medienberichten sollen die Terroristen eine Fanmeile im Visier gehabt haben, anscheinend die an der Brüsseler Place Rogier unweit des Nordbahnhofs, wo am Samstag das Spiel Belgien-Irland auf Großleinwand übertragen wurde. Die Verdächtigen kommen offenbar aus dem Dunstkreis der Gebrüder El Bakraoui, die sich am 22. März in die Luft sprengten. Mindestens einer der Festgenommenen ist mit den Selbstmordattentätern verwandt. "Die Brüsseler Anschläge und das EM-Komplott sind das Werk einer Familie", notiert Het Laatste Nieuws. Bislang waren es "gewöhnliche" Kriminelle, allerdings mit einem ziemlich dicken Vorstrafenregister. "Erst waren sie gemeinsam Gangster, jetzt auch gemeinsam Terroristen", so fasst es Het Laatste Nieuws zusammen.
Die Tatsache, dass die neuen Terrorverdächtigen mit den Brüsseler Selbstmordattentätern verwandt sind, sorgt für ein trügerisches Bild, gibt De Morgen in seinem Leitartikel zu bedenken. Hier bekommt man ja fast den Eindruck, als wäre die terroristische Bedrohung überschaubar und damit beherrschbar. Das ist naiv, eine totale Illusion. Davon abgesehen stellt sich hier eine ebenso unbequeme wie beängstigende Frage: Wenn es schon familiäre Verbindungen zwischen beiden Zellen gibt, warum hat man dann die neue Terrorzelle nicht früher ausgehoben?
Kritik an Informationspolitik der Behörden und an Presse-Lecks
Einige Zeitungen üben Kritik an der Informationspolitik der Regierung und insbesondere des Antiterrorstabs OCAM: Die Sicherheitsbehörden bleiben oft zu vage, meint etwa Le Soir. Die Berichte über potentielle Gefahren sind im Grunde nichts Halbes und nichts Ganzes. Auch im vorliegenden Fall ist offiziell nicht bestätigt, worauf es die Terroristen im Einzelnen abgesehen hatten. Das Resultat ist aber, dass sich damit nur das allgemeine Unsicherheitsgefühl bei den Bürgern erhöht.
La Libre Belgique sieht das anders: Es sind vor allem die Presse-Lecks, die die Arbeit der Behörden nur unnötig erschweren. Nachdem etwa einige Zeitungen enthüllt hatten, dass eine Reihe von Regierungsmitgliedern unter Polizeischutz gestellt worden waren, ist die Arbeit der Bodyguards bestimmt nicht leichter geworden.
Apropos: Die Regierung hat jetzt angekündigt, die Maßnahmen von Presse-Lecks zu verschärfen. Es soll Jagd gemacht werden auf allzu redselige Justiz- oder Polizeimitarbeiter. Für De Standaard konzentriert man sich damit auf das falsche Ziel. Die Regierung tut so, als wäre die Presse hierzulande eine Bande von gewissenlosen Anarchisten. Im Vergleich zu Ländern wie Frankreich, wo regelmäßig sensible Informationen in der Presse landen, sind die Zeitungen in Belgien aber noch harmlos. "Liebe Regierung, wir sind nicht blöd", wendet sich De Standaard an die Politik.
Brexit-Referendum: EU sollte sich hinterfragen
"Wird Großbritannien die Europäische Union verlassen?", titelt schließlich L'Avenir. Viele Zeitungen blicken schon auf den Donnerstag, an dem ja das mit Spannung erwartete Brexit-Referendum stattfinden soll. Frage ist, ob der Mord an der EU-freundlichen Labour-Abgeordneten Jo Cox das Ergebnis beeinflussen wird.
Fakt ist, so meint Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel, viele Briten schämen sich inzwischen dafür, dass die demokratische Kultur in ihrem Land auf einem populistischen und demagogischen Tiefpunkt angelangt ist. Europa sollte das alles aber zum Anlass nehmen, sich einmal zu hinterfragen, meint Het Laatste Nieuws. Das Europa, so wie es jetzt ist, das funktioniert nicht. Die EU muss vertieft werden, glaubt auch L'Avenir. Das heißt, dass es früher oder später eine Debatte geben muss zwischen denen, die Europa lediglich als Freihandelszone betrachten und denen, die mehr wollen. Das setzt aber voraus, dass insbesondere die Nationalstaaten aufhören, die EU für alles Übel dieser Welt als Sündenbock zu missbrauchen.
Roger Pint - Bild: Bruno Fahy/BELGA