"Gewinnt gefälligst! Und dann ist alles verziehen!", titelt La Dernière Heure. "D-Day für Wilmots", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. "Jetzt muss es klappen, das Land verlangt einen Sieg", schreiben Het Belang van Limburg und Gazet van Antwerpen.
Fast alle Zeitungen blicken heute gespannt auf das Schicksalsspiel der Roten Teufel. Um 15:00 Uhr trifft die Nationalmannschaft in Bordeaux auf Irland. Die Begegnung ist vorentscheidend sollten die Roten Teufel verlieren, dann ist ein Einzug ins Achtelfinale mehr als zweifelhaft. "Die Roten Teufel stehen mit dem Rücken zur Wand", notiert denn auch Le Soir. "Jetzt müssen es unsere Künstler richten", meint Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite. Zu sehen sind die Spielmacher Eden Hazard und Dries Mertens, sowie Torwart Thibaut Courtois. La Dernière Heure glaubt auch schon, weite Teile der Mannschaftsaufstellung zu kennen. Demnach würde Kevin De Bruyne heute zunächst auf der Bank bleiben.
Insbesondere für Nationaltrainer Marc Wilmots geht es heute quasi um alles oder nichts. Spätestens seit dem enttäuschenden Auftritt der Roten Teufel gegen Italien gab es zum Teil beißende Kritik am Nationalcoach. "Wenn's schief geht, dann nehme ich alles auf meine Kappe", sagt Marc Wilmots aber trotzig in Het Nieuwsblad. Muss man Marc Wilmots nun lieben oder aufhängen?, fragt sich provokativ La Libre Belgique. Im Fußball ist es offensichtlich wie in der Politik: Heute top, morgen flop. Oder erinnert sich noch jemand an Jean-Marie Dedecker, der einen Moment lang in Flandern als politischer Heilsbringer durchging? In diesem Land wird man schnell auf einen Sockel gestellt, fällt aber mitunter noch schneller wieder herunter. Oder ist es wirklich möglich, dass Marc Wilmots, der 2015 in Dubai noch zum besten Trainer des Jahres erkoren wurde, innerhalb von 90 Minuten zum schlechtesten Coach aller Zeiten mutiert? Wir sollten uns heute nur darauf beschränken, diese Mannschaft und diesen Trainer nach Kräften zu unterstützen.
Systematisches Doping: russische Leichtathleten bleiben gesperrt
Aber noch ein weiteres Sportthema schafft es heute auf einige Titelseiten: "Die russischen Athleten sind von den Olympischen Spielen in Rio ausgeschlossen", titelt nüchtern Le Soir. Genauer gesagt sind es nur die Leichtathleten, die wegen systematischen Dopings im russischen Verband nicht an der Olympiade teilnehmen dürfen.
Das ist eine historische Entscheidung, jubelt Le Soir in seinem Leitartikel. Der Internationale Leichtathletikverband IAAF ist nicht eingeknickt. Nur muss man sagen, war das auch im Interesse eben dieser IAAF. Hätte man den russischen Verband trotz der offensichtlichen systematischen Doping-Praktiken doch noch zu den Spielen zugelassen, dann hätte die IAAF ihren letzten Funken Glaubwürdigkeit verspielt. Natürlich wird man mit dieser mutigen Entscheidung nicht alle Probleme im Leistungssport lösen können. Es kann aber eine entscheidende Wende im Kampf gegen Doping einleiten.
Regierungsspitze im Fadenkreuz von Terroristen
"Terroralarm für Top-Minister und ihre Familien", so derweil die Aufmachergeschichte von Het Nieuwsblad. Demnach stehen Premierminister Charles Michel und drei seiner Vize-Premiers, nämlich die Minister Jambon, Reynders und Geens, seit Freitagabend unter Polizeischutz. Das gilt auch für ihre jeweiligen Familien. Offenbar verfügt der Antiterrorstab OCAM über Hinweise auf eine neue terroristische Bedrohung. Anscheinend haben bewaffnete Syrienheimkehrer die Regierungsspitze im Visier.
Nicht nur beim Brexit: Demokratisierung der Todesdrohungen
"To Brexit oder not to Brexit?", das ist nicht nur die Frage, sondern auch die Schlagzeile von De Morgen. Großbritannien steht weiter unter Schock nach dem brutalen Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox. Die 41-Jährige war bekannt für ihr Engagement für den Verbleib ihres Landes in der EU. "Eine gespaltene Nation trauert um Jo Cox", notiert dazu Het Belang van Limburg. De Standaard sieht Großbritannien am "Gipfel der Zerreißprobe". Die Brexit-Frage, die den Briten am Donnerstag in einem Referendum unterbreitet wird, die betrifft aber nicht nur die britischen Inseln: Het Laatste Nieuws präsentiert "Acht Gründe, weswegen auch wir uns wegen des Referendums Sorgen machen müssen".
De Standaard richtet einen nachdenklichen Blick auf das derzeit herrschende allgemeine politische Klima. Nicht nur in Großbritannien, sondern weit darüber hinaus, wird der Ton in der politischen Auseinandersetzung rauer. In vielen Ländern sind Rechtsradikale auf dem Vormarsch. Einer der Gründe hierfür ist wohl, dass der bislang geltende Gesellschaftsvertrag in Frage gestellt wird. Viele Menschen sorgen sich um ihre Zukunft, fühlen sich von der Politik verlassen. Der massive Zustrom von Flüchtlingen hat dieses Gefühl noch verstärkt. Und plötzlich kollabiert die politische Mitte, wird die Debatte immer schriller und brutaler, gilt Kompromissbereitschaft als Schwäche, gar als Verrat. Hoffentlich verfügen wir noch über genug Zeit, wieder zur Besinnung zu finden.
Offensichtlich erleben wir gerade eine Demokratisierung der Todesdrohungen, konstatiert auch De Morgen. Auch bei uns werden Politiker oder Meinungsmacher immer häufiger konfrontiert mit Einschüchterungsversuchen. Spätestens mit dem Mord an Jo Cox hat sich gezeigt, dass längst nicht mehr alle wissen, wo die Grenzen der zivilisierten und organisierten Meinungsverschiedenheit liegen.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo sieht eine Ursache für das derzeitige Klima in Großbritannien im Referendum an sich. Eine Volksbefragung ist längst nicht immer der Weisheit letzter Schluss. In einem Referendum wird die Frage, die den Bürgern unterbreitet wird, am Ende oft bis zur Unkenntlichkeit vereinfacht und reduziert. Das öffnet jeglicher Form von Populismus Tür und Tor. Ein Referendum ist durchaus ein nützliches Instrument, das aber vernünftig und überlegt eingesetzt werden muss.
Staatsreform rückwärts und Optima-Affäre
Bemerkenswertes Interview heute in La Libre Belgique: Patrick Dewael, der Fraktionsvorsitzende der flämischen Liberalen OpenVLD, kann es sich vorstellen, dass man 2019 einige Zuständigkeiten wieder von den Regionen zum Föderalstaat zurücktransferiert. Das wäre also de facto eine Staatsreform in die andere Richtung. Dewael denkt da vor allem an Zuständigkeiten im Bereich der Inneren Sicherheit.
In Flandern entwickelt sich derweil die Pleite der Optima-Bank zu einem Dauerbrenner-Thema. Das Genter Geldhaus war Mitte der Woche für Konkurs erklärt worden. Und jetzt bringt viele Politiker ihre frühere Nähe zu Optima in Erklärungsnöte. Insbesondere die Massenblätter Het Laatste Nieuws und Het Nieuwsblad heben da den Fall des OpenVLD-Politikers Geert Versnick hervor. Noch vor wenigen Wochen hatte Optima auf der Suche nach frischem Geld auch bei den ostflämischen Provinzbehörden angeklopft. Die "Provinzregierung" wurde durch zwei ihrer Mitglieder vertreten; einer davon war besagter Geert Versnick. Nur saß der gleichzeitig mit in der Chefetage von Optima. Alleine diese Geschichte ist ja schon haarsträubend, meint Het Nieuwsblad. Noch schlimmer ist aber, dass Versnick hier keine Interessenverquickung sieht.
Roger Pint - Bild: Dirk Waem/BELGA