"Wie in Paris wurden in Brüssel unsere Werte angegriffen", so oft der Satz fällt, so richtig ist er. Das, was sich westliche Welt nennt, identifiziert sich über eine individuelle Freiheit, die erst dort endet, wo sie anderen schadet, identifiziert sich über einen Rationalismus, Wissensdurst und auch ein Stück Vergnügungssucht.
Anerkennung erfährt der, der sich in diesem Sinne positiv in die Gesellschaft einbringt. Und jeder, der sich diesen Werten anschließt, ist gerne willkommen – egal, welchem Glauben, welcher Ethnie oder sonstigen Gruppe er angehört. In diesem wichtigen Detail hat Samuel Huntington vor 20 Jahren überzogen, als er seinen "Kampf der Kulturen" zwischen Ethnien, Regionen und Religionen wähnte.
Und doch lag Huntington ein Stück richtig, wenngleich wir einen Kampf der Gesellschaftsmodelle erleben. Unserem Modell unvereinbar gegenüber steht ein autoritäres, patriarchalisches Gesellschaftsmodell, in dem Clans ihren Machtbereich durch das Recht des Stärkeren abstecken. An dessen Spitze im Großen ein Despot und im Kleinen der Familienvater steht. Ein Modell, das letztlich auf Angstverbreitung fußt und ein Modell, in dem Anerkennung erfährt, wer besonders viele Menschen beherrscht.
Genau dieses aus dem Blick des freiheitlichen Wertemodells barbarische System findet immer mehr Anhänger. Menschen, die mit ihrer eigenen Freiheit überfordert sind und Halt in den starren absolutistischen Strukturen finden. Vor allem junge Männer in einer Lebenskrise sind für Hassprediger leichte Beute und empfänglich für islamistische Radikalisierung. Und wenn wir ehrlich sind, auch für rechtspopulistische Radikalisierung. Daher spielt man das Spiel der islamistischen Terroristen, wenn man den Wesenskern unserer Gesellschaft, die Freiheit, einschränkt, um ihn zu schützen. Radikalismus braucht eben keine radikalen, sondern besonnene Antworten.
Neben den Attentaten von Brüssel selbst erschreckt auch, wie es möglich sein kann, dass sich die Abdeslams, Bakraouis und Konsorten so lange mitten unter uns verstecken konnten. Allesamt junge Männer, die hier großgeworden, hier sozialisiert wurden. Es sind eben keine Flüchtlinge, sondern Menschen, die im Schutze einer hiesigen islamistenfreundlichen Parallelgesellschaft abgetaucht waren. Schwer vorstellbar, dass Europas meistgesuchter Kriminelle niemandem aufgefallen ist. Wer die Attentäter verherrlicht, hat den ersten Schritt Richtung Barbarei schon getan und sollte sein Gewissen fragen, ob die wirklich eine Alternative ist.
Islamistische Radikalisierung dauert im Einzelfall Monate. Zeit genug für das Umfeld, auf verdächtigen Lebenswandel aufmerksam zu machen, auch wenn es sich beim Betroffenen um den Bruder oder Sohn handelt. Und Behörden oder Sozialarbeiter haben solche Hinweise ernst zu nehmen. Denn diese Hinweise schützen besser vor Anschlägen als jeder Panzer vor einem öffentlichen Gebäude.
Zu behaupten, der Islam habe Schuld am Terror, ist genauso Unsinn wie die Behauptung, der Islam habe gar nichts damit zu tun. Millionen Muslime sind der Beweis, dass Islam und westliche Werte miteinander vereinbar sind. Aber natürlich muss sich der Islam auf der anderen Seite die Frage gefallen lassen, warum er sich so leicht von Terroristen instrumentalisieren lässt. Die Antworten und die Konsequenzen daraus kann nur - und muss - der Islam alleine finden. Doch leider passiert in dieser Hinsicht gar nichts. Dabei braucht die Welt eine Antwort. Am besten schon gestern.
Olivier Krickel
Vielen Dank, Herr Krickel, für diesen erstklassigen und mit Hintergrundwissen unterlegten Kommentar.
Mit dieser Aussage übertreffen Sie sich selbst Herr K.: „Zu behaupten, der Islam habe Schuld am Terror, ist genauso Unsinn wie die Behauptung, der Islam habe gar nichts damit zu tun“; denn, 3 Zeilen weiter: „Die Antworten und die Konsequenzen daraus kann nur – und muss – der Islam alleine finden“. Selbst der iranische Khamenei behauptet eindeutig das Gegenteil, und zwar: Der Islam produziert diese Monster. Als Huntington vor 20 Jahren seine Theorien zum „Clash of cultures“ zu Papier brachte, haben alle „Progressisten“ mit dem Kopf geschüttelt. „Wie kann man nur!“ Leider hatte Huntington Recht. Jetzt drängen alle „Progressisten“: „Weiter wie bisher! Nein, noch mehr, wie bisher“. Klingt nach der „Krankheit zum Tode“, die Kierkegaard diagnostizierte… Alles klar. R.i.p. Aber nicht in meinem Namen.
Na, geht doch !
Ja, ein wirklich treffender Kommentar ...
Martin Schulz sagte: "Terror gehört zu den Lebensrisiken des 21. Jahrhunderts". Und wir müssen lernen, damit umzugehen."
Solche Aussagen von einem Mann wie Herr Schulz ist eine nicht akzetable Kapitulation und ein Armutszeugnis oder verbirgt die langjährige Untätigkeit der EU - Staaten!
Wieso schaffen es die Religionen in unserer Geschichte nicht die Botschaft des Friedens zu streuen. Diese Insitution müssten sich ebenso, wie die Politiker in Frage stellen.
Ihr Kommentar sehr gut Herr Krickel!
..."wieso er sich der Islam auf der anderen Seite, wieso er sich so leicht von Islamisten terrorisieren lässt". Gewisse Suren geben Antwort.
Ein Kommentar, der auf wesentlich realistischerer Basis beruht als z.B. vorherige "Träumereien".
Weiter so BRF.
@ Dr. François
Wo ein BRF-Redakteur die 180-Grad-Wendung im freien Flug vollzieht, einen analytischen statt moralisierenden Meinungsbeitrag verfasst, öffnet sich die Tür zum konstruktiven Austausch. Hier können Sie mit Ihrem Hintergrundwissen ansetzen.
Wo Sie den Widerspruch zwischen einerseits Krickels Erkenntnis vom Zusammenhang des Islam mit dem in seinem Namen verübten Terrormorden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andererseits seiner Schlussfolgerung, der Islam könne nur die Antwort darauf alleine finden, sehen, sehe ich eher eine kleine Schwäche in seiner Gedankenkette.
Wir wissen, der Islam ist z.Z. reformunfähig. Wir wissen aber auch, dass die aktuelle Mischung aus katholischem Formalismus und großorientalischer Toleranzübung innerhalb der belgischen Justizhierarchie, Justizminister eingeschlossen, sich zur Bekämpfung islamischen Terrors und Kriminalität genauso unfähig erweist.
Was also: das israelische Anti-Terror-Modell vielleicht (siehe von Karlh1 bei Ostbelgiendirekt heute verlinkter Artikel, 11:14)?
sehr guter Kommentar.
Es geht nur als gesamt europäische Lösung mit der Kontrolle der EU-Außengrenze gegen Terroristen und andere Personen, die eine Straftat planen, einschließlich einer gerechten Verteilung aller wirklich Schutzbedürftigen nach Einwohnerzahl, BIP und Fläche des Landes.
Nochmal - die Kontrolle auf feindliche Gesinnung muss direkt an der EU-Außengrenze stattfinden! Belgische und Deutsche Soldaten müssen dafür nur nach GR, IT und ES verlegt werden, um die europäischen Interessen nach physicher Unversehrtheit der Bevölkerung sicherzustellen. Wer auf "Herz und Nieren" erfolgreich untersucht worden ist, muss als Schutzsuchender oder anderer Zuwanderer mit dem Ziel nach Arbeit und Ausbildung selbstverständlich die vollen Bürgerrechte eines europäischen Einwohners erhalten dürfen, Bürgerpflichten nach Einhaltung von Recht und Gesetz natürlich inklusive.
Ich kann weder erkennen, wo ein BRF-Redakteur eine 180-Grad-Wendung im freien Flug vollzieht, noch wo vorher Träumereien vorherrschten. Beziehen sich diese Träumereien und die vermeintliche Wende auf die BRF-Kommentare zur Flüchtlingskrise? Wenn ja, hier geht es um die Aufarbeitung des islamistischen Terrors. Was hat dies mit den Flüchtlingen zu tun? In der Flüchtlingskrise ging und geht es um die Frage, wie Menschen, die ja gerade vor den islamistischen Terroristen und dem Bürgerkrieg in ihrem Land flüchten, auf der Grundlage von Gesetzen, Menschenrechten und Flüchtlingskonventionen, in einem europäischen Kontext geholfen werden kann. Die BRF-Kommentare bewegten sich auf dieser Ebene und aus dem Blickwinkel abendländisch-humanistischer Werte, die es ja -wenn ich richtig verstanden habe- zu verteidigen gilt. Hier geht es um die Verantwortung der muslimischen Welt für die im Namen des Islam verübten Terrorattentate. Ich sehe nur eine nicht ganz schlüssige Gedankenkette vs. Kommentatoren.