Kommunikation ist eine Kunst. Gerade in den von Krisen geprägten Zeiten kann Kommunikation ein wichtiges Hilfsmittel sein. Sie kann beruhigen, kann Situationen klar erklären und vielleicht Konflikte aus der Welt schaffen. Sie kann aber genauso gut beim richtigen Einsatz vertuschen, verschleiern und Konflikte anheizen.
Im Parlament der DG gab es Montag beide Richtungen der Kommunikation zu bestaunen – die positive, aber auch die negative. So eröffnete Parlamentspräsidentin Patricia Creutz-Vilvoy die Sitzungsperiode mit einem Plädoyer für Frieden und Demokratie. Sie machte klar, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist und dass viele Menschen mehr und mehr das Vertrauen in die Demokratie verlieren. Das sei jetzt, so die Parlamentspräsidentin, ein Weckruf an die demokratischen Vertreter, um die Politik menschlich, zugänglich und gerecht zu gestalten.
Die Rede beendete sie mit dem Läuten einer kleinen Glocke – ein Geschenk der Schweizer Nationalratspräsidentin Maja Riniker. Die Glocke diente in diesem Fall als Einladung, das politische Jahr mit gegenseitigem Respekt, klarem Kompass und vereinter Kraft zu gestalten.
Keine Stunde nachdem die Glocke ertönte, sah die Welt dann wieder ganz anders aus. Oder banal ausgedrückt: Wer mit den eben genannten Begriffen Menschlichkeit, Zugänglichkeit, Gerechtigkeit, Respekt und klarer Kompass ein Bingo gestartet hätte, würde wohl nach 90 Minuten recht wenig Begriffe markiert haben. Anders sieht es bei den Begriffen Überschuss, stabile Finanzlage, Blauer Brief, Krisen und Ostbelgien Leben 2040 aus. Bingo! – und das nach sechs der 42 Seiten starken Regierungserklärung von Ministerpräsident Oliver Paasch.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich unterstelle nicht, dass der Blaue Brief aus Europa oder die Krisen der Welt nicht mit daran schuld sind, dass die DG sparen muss. Beide mögen einen Einfluss auf die finanzpolitische Lage der Deutschsprachigen Gemeinschaft haben. Die DG-Regierung muss sich aber eben auch eingestehen, dass sie selbst in verschiedenen Situationen die finanzielle Lage unterschätzt hat und das ein oder andere Bauprojekt utopische Kosten geschluckt hat oder noch schlucken wird – Worriken 4.0 als bestes Beispiel.
50 Millionen Euro – für ein Sport- und Freizeitzentrum. Summen, die man als Otto Normalverbraucher nur schwer verdauen kann. Gerade in Zeiten, in denen jetzt eben gespart werden muss. Für die DG sind das acht Millionen Euro. Immerhin: Worriken nennt Paasch bei den Punkten, bei denen gespart werden soll. Die DG werde "überall dort, wo das möglich ist, gezielt mit privaten Investoren zusammenarbeiten." Was das konkret bedeutet? Was das an Kosten spart? Diese Info wurde an der Stelle wohl weggespart. Aber sicherlich schlummert alleine in der nächsten Generation von Worriken ein Millionenbetrag, den man nutzen könnte, um die acht – nennen wir sie doch mal "Blaue-Brief-Millionen" – zumindest einmalig zu sammeln.
Aber nein, soweit wird es wohl nicht kommen. Denn – das war auch eine der wichtigen Paasch-Aussagen – die DG spart nicht durch Streichungen, sondern nur durch den Verzicht auf Erhöhungen. Also: Verschiedene Dotationen werden nicht erhöht, die Nicht-Indexierung gilt dann auch für Familienzulagen und das Pflegegeld, der Einstellungsstopp im Ministerium bleibt bestehen und auf die Finanzierung zukünftiger Projekte wird zum Teil verzichtet.
Damit wären wir bei der eben genannten zweiten Art der Kommunikation: Etwas Negatives wird als etwas Positives verkauft, vertuscht und vereinfacht. Denn es ist ein Trugschluss: Der Verzicht auf die Erhöhung ist eine versteckte Reduzierung. Die Lebenskosten der Bürger, aber auch die laufenden Kosten in den so schön abgekürzten EÖI’s – also in dem Fall beispielsweise bei Kaleido – steigen weiter. Denn ja, auch die EÖI’s und Unternehmen aus der Region bekommen die unterschiedlichen Krisen der Welt finanziell zu spüren.
Nach vier Seiten endet der Teilabschnitt "Finanzen" in der Regierungserklärung. Klare Zahlen? Fehlanzeige. Darüber soll im Oktober kommuniziert werden. Die einzige Info, die man erhält: Die Regierung erfüllt ihre Pflicht, ohne überhaupt jemandem zu schaden. Denn überall wird ja "nur auf ein kleines bisschen verzichtet". Am Ende ist wohl niemand wirklich schlauer. Vertrauen schaffen in die Politik sieht anders aus. Zugänglichkeit hatte sich Patricia Creutz-Vilvoy gewünscht – beim Blick auf die Erklärung fehlt wohl für jede Bürgerin und jeden Bürger der Zugang.
Zum Abschluss des Abschnitts Finanzen sagte Paasch, dass er wisse, dass man sich mit Sparen nicht beliebt macht. Aber dass er und seine Regierung nun mal gewählt worden seien, um Verantwortung zu übernehmen, und das habe man jetzt gemacht. Klingt nach einer starken Aussage. Gut eine Stunde später durfte man sich dann aber die Frage stellen, ob das nur eine leere Phrase war.
Mit Freude verkündete der Ministerpräsident, dass der Schulbonus in diesem Jahr dann doch noch nachträglich ausgezahlt wird. Man habe eingesehen, dass man da einen Fehler in der Kommunikation gemacht habe. Auf eine Entschuldigung hat man an dieser Stelle verzichtet – oder sagen wir mal so: Die Entschuldigung kommt in Form von 62 Euro aufs Konto der Eltern. Sicherlich schön für die Eltern, die mit dem Geld in diesem Jahr gerechnet haben. Für alle anderen ist es eine Randnotiz.
Paasch betont aber auch noch einmal, dass die Senkung der Schulbesuchskosten der eigentlich bessere Weg sei, die Eltern finanziell zu entlasten – das wurde ja auch in den vergangenen Wochen oft genug kommuniziert. Wieso dann also jetzt der Rückzieher? Und war nicht eben noch die Rede von einer Regierung, die gewählt wurde, um Verantwortung zu übernehmen?
Immerhin: Beim Punkt Schulbonus zeigt Paasch in der Regierungserklärung ein wenig Nähe zur Bevölkerung. Zu den Wählerinnen und Wählern. Gerade in einer Region mit knapp 80.000 Einwohnern darf man sich die Frage stellen, ob das sein muss. Sollte man nicht doch den von der Parlamentspräsidentin angesprochenen Weg gehen und unsere Demokratie menschlich, zugänglich und gerecht gestalten?
Ein erster Schritt wäre eine bodenständige, offene und klare Kommunikation in einer Regierungserklärung, die die Grundlage für die kommende Sitzungsperiode bildet. Eine Kommunikation, die nicht vertuscht, was los ist, was entschieden werden muss – und das klar und deutlich, auch verständlich für jeden. In einer Region, in der die Minister von nebenan kommen und jeder – der Kleinheit geschuldet – in irgendeiner Form sogar die Adresse oder Handynummer von einem oder mehreren Ministern hat, sollte die Kommunikation nicht von oben herab kommen, sondern als ehrlich gemeinter Austausch auf Augenhöhe.
Mit einem Funken Hoffnung kann man da auf die Diskussion zur Regierungserklärung kommenden Montag blicken. Vielleicht lassen wir die kleine Glocke aus der Schweiz noch einmal in unseren Gedanken läuten – für eine ehrliche, offene, bodenständige und gute Kommunikation in der kommenden Parlamentssitzung und den anstehenden Haushaltsdebatten. Es ist niemals zu spät.
Robin Emonts