Er liebe es, wählen zu gehen, sagte uns diese Woche in Eupen ein Mann, den wir zufällig auf der Straße dazu befragt hatten. So offenherzig und freimütig hatten wir es nicht erwartet - aber diese Liebeserklärung setzt einen schönen Kontrapunkt zu den Miesepetern, für die "das alles sowieso nichts bringt".
Die selbstentschuldigende Ausflucht mit "denen da oben" zieht zumindest bei den Gemeinderatswahlen nicht. Hier kennt man sich, weiß, was man voneinander zu halten hat, hier begegnet man sich "auf Augenhöhe".
Für die Wähler sollte es ermutigend sein, dass sich von ihresgleichen wieder so viele gefunden haben, um aus der Reihe einen Schritt nach vorne zu tun. Da sollten die paar Schritte in die Wahlkabine keine billige Entschuldigung sein, sich seiner Verantwortung zu entziehen. Selbst wo, wie in Amel oder Bütgenbach, nur eine Liste antritt, lohnt es sich den Leuten, die sich für eine Kandidatur hergeben, den Rücken zu stärken, zu zeigen, dass man ihnen vertraut, dass man ihnen etwas zutraut.
Denn sie haben durch ihre Kandidatur schon einen hohen Einsatz gewagt. So simpel es klingen mag: jede Vorzugsstimme zählt, nicht nur bei der Vergabe von Ämtern (ja, da auch), vor allem aber in der Wahrnehmung der Kandidaten.
Ein kurioses Beispiel bietet die Stadt Verviers, in der schon so manche politischen Purzelbäume geschlagen wurden. Da hatte sich der Kandidat Kévin Nizet mit seiner Liste "Eau Centre" überworfen, so schwer, dass er dazu aufrief, ihn am 13. Oktober nicht zu wählen. Er wolle keine einzige Stimme bekommen - "zéro!"
Sich von der Liste zurückziehen, dafür war es zu spät. Das gilt ja - etwas makaber - sogar bei Todesfällen, die eintreten, nachdem die Listen hinterlegt wurden, wie zuletzt in Juprelle bei Lüttich geschehen. Der Name bleibt auf der Liste stehen, auch wenn die erhaltenen Stimmen nicht gewertet werden.
Inzwischen hat sich Kévin Nizet wohl eines anderen besonnen. Er ruft nun ausdrücklich dazu auf, ihm die Vorzugsstimme zu geben, damit er als Unabhängiger im Vervierser Stadtrat tagen kann. Dass seine Unterstützer damit auch die inzwischen verhasste Liste mitwählen? Für diesen Coup nimmt er es in Kauf. Nicht ausgeschlossen, dass er mit seiner Scharade noch einen gewissen (Teil-)Erfolg verbuchen kann, zumindest für sich persönlich.
Für die Kandidaten steht in der Selbstwahrnehmung viel auf dem Spiel. Anders lässt sich das unsägliche Kelmiser Wohnsitzspektakel nicht erklären, das dem Begriff von der "Wahlheimat" eine ganz eigene Note verlieh. Die Lösung wäre gewesen: Fehler eingestehen, um Entschuldigung bitten, die Konsequenzen annehmen. Stattdessen, so war diese Woche zu erfahren, könnte es noch ein juristisches Nachspiel haben.
Solche Ausreißer dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei demokratischen Wahlen um einen durch und durch edlen Vorgang geht - dafür steht auch die Ernsthaftigkeit und Förmlichkeit, die bis zur Einsetzung der daraus hervorgehenden Gremien, mit der feierlichen Eidesleistung, reicht.
Davon dürfen wir Wähler ein Teil sein. Ich kann gar nicht mehr so genau sagen, an wie vielen Wahlen ich teilgenommen habe. Und immer noch bin ich vorher ein wenig aufgeregt und hinterher, nach erfüllter "Wählerpflicht", in einer leichten Hochstimmung. Oder um es kurz zu sagen: Ich liebe Wahlen!
Stephan Pesch
Ich liebe keine Wahlen aber meine Familie.
Für mich ist wählen ein Recht. Es wurde seinerzeit schwer und blutig von den Feudalherren erkämpft. Das man daraus eine Pflicht gemacht hat beruht wohl auf der Tatsache das manche glauben sie könnten nichts verändern. Als "Erstwähler (Jahrgang 1952)" stehe ich vor dem Problem nicht zu wissen wen ich wählen soll. Die Wahldebatte hat auch nichts gebracht. Einige Kandidaten haben sich nachhaltig disqualifiziert.Andere haben mich nicht überzeugt. Viel zu sehr wurde, meiner Meinung nach, über "vergossene Milch" lamentiert statt zu sagen was man konkret vorhat und wie der Bürger sich die Umsetzung vorstellen soll.
Ein Gefühl wie Liebe sollte man nicht in Verbindung bringen mit einem politischen Vorgang wie Wahlen. Politik und Gefühl ist eine brisante Mischung. War oft genug in der Menschheitsgeschichte die Ursache für große Katastrophen, weil der gesunde Menschenverstand ausgeschaltet wurde.
Nizet und die anderen von der Liste hatten auch ihre Gefühle nicht im Griff, als sie sich zerstritten. Der gesunde Menschenverstand war abhanden gekommen. Fraglich, ob diese Leute geeignet sind für ein politisches Amt.
Man sollte sich nicht zu viel versprechen von den morgigen Wahlen. Verschiedene Personen werden ausgetauscht, mehr passiert nicht. Einen grundlegenden Politikwechsel wird es nicht geben. Das ist in den letzten 80 Jahren nicht passiert.
Wie die Menschen doch unterschiedlich ticken! Gesundes, brauchbares Wissen, das gefällt mir. Der Mensch ist ganz sicher aber alleine nicht so klug, wie er es für sich gerne in Anspruch nimmt. Ich kann Verschiedenheiten gut aushalten. Lieben heißt für mich etwas aus dem Herzen heraus tun, verantwortungsvoll und ganz sicher stolz darauf, dass es zählt. Ich wünsche jedem seine Zufriedenheit mit dem Wahlergebnis oder empfehle sich das nächste Mal nicht weg zu ducken. Vortreten ist angesagt. Mensch bleibt Mensch.