Es wäre auch zu schön gewesen: Da haben die Wahlen am 9. Juni fast überraschend für klare Verhältnisse gesorgt. Schon nach ein paar Tagen schien klar: Auf föderaler Ebene muss es quasi zwangsläufig auf eine Koalition hinauslaufen, die von den Medien schnell Arizona-Koalition getauft wurde, die fast komplett nur aus Wahlsiegern besteht, deren Parteien mittlerweile sogar auf regionaler Ebene die Regierungen entweder - wie in der Wallonie - bereits stellen oder - wie in Flandern - dabei sind, sie zu schmieden.
Doch bald schon kam Sand ins Getriebe. Vooruit kündigte an, dass Arizona mit den flämischen Sozialisten als einzige linke Partei kein Selbstläufer werde. Les Engagés und CD&V schlugen bald ähnliche Töne an. Eine erste "Supernote" von Regierungsbildner Bart De Wever wurde noch vor der Sommerpause abgelehnt.
Diese Woche nun legte De Wever nach. Doch noch schneller als die erste Note wurde auch die zweite von den Partnern verworfen. Am Mittwoch kam es fast zum Eklat, als ein geplantes Mittagessen zwischen den Verhandlungsführern aller fünf Parteien abgesagt wurde. De Wever schrieb am Donnerstag, einem Feiertag, schnell eine dritte Supernote. Am nächsten Tag schon wurde darüber verhandelt.
Wem genau der Schwarze Peter bei dem ganzen Geschacher zugeschoben werden kann, ist im Detail nicht klar. Aber egal wie, sicher ist: Ein gutes Licht wirft das nicht auf die möglichen Koalitionspartner. Klar, es darf und sollte auch gestritten werden. Aber manchmal sollte man sich auch überlegen wofür. Nicht alles muss bereits jetzt zwischen den Parteien geklärt werden.
Die Alternative zum jetzigen Knatsch wäre gewesen, sich schnell auf die neue Arizona-Koalition einzulassen. Das wäre ein "Super-Signal" gewesen, um mit der Sprache des Regierungsbildners zu reden. Das Signal nämlich: Seht her, wir gehen mit gutem Beispiel voran. Wir haben Mut. Wenn man Großes vorhat, muss man nicht alles bis ins Kleinste vorab planen. Wir gehen das Wagnis ein, mit den anderen Parteien zu regieren. Weil wir erkennen: Wenn die Arizona-Koalition nicht zustande kommt, wird das die Regierungsbildung um Monate verzögern.
Und das wollen wir nicht. Denn wir wollen Belgien voranbringen. Und das schnell. Die Aufgaben liegen seit langem auf dem Tisch. Wir gehen sie jetzt an. Mit dem Mut und dem Selbstvertrauen, das wir auch von den Bürgern erwarten, wenn wir mit unserer Reformpolitik beginnen. Dann werden wir von den Bürgern Verzicht fordern. Wir selbst machen vor, dass Verzichten und etwas Wagen manchmal nötig sind, um voranzukommen. Das wäre das "Super-Signal" gewesen.
Die Chance dafür ist fast schon vertan. Zumindest aus heutiger Sicht ist es schade, dass die möglichen Arizona-Partner bislang immer noch lieber strategische Spielchen spielen, statt bereits tatkräftig zu regieren.
Kay Wagner
Selbst bei Arizona sieht man stets das gleiche typisch belgische Problem, nämlich zu viele Parteien.
Zu welcher politischen „Kultur“, zu welcher gesellschaftlichen Polarisierung, zu welchem gesellschaftspolitischen Stillstand und zu welcher Erosion der Demokratie es führen kann, wenn nur 2 Parteien den politischen „Diskurs“ bestimmen, kann man in Echtzeit in den USA beobachten. Die korporatistische Medienlandschaft trägt das ihre zur gesellschaftlichen Spaltung bei.
Ohne die quasi Verdopplung der Parteien durch das wallonische und flämische Elektorat gäben es in Belgien nicht… zu viele Parteien.
Zu wenige Parteien führen zu einer Verarmung der Demokratie und zur Machtkonzentration auf wenige Köpfe. Auch dies lässt sich in den USA beobachten, wo eine Partei sich zur unterwürfigen Marionette ihres vermeintlich unumgänglichen… „Führers“ macht.
Herr Leonard.
Das amerikanische System hat es den USA ermöglicht zur Supermacht zu werden. Der praktische Beweis ist mir wichtiger als irgendwelche intellektuellen Einwände.
Sie outen sich zum wiederholten Male als guter Linker. Denn für Sie ist die Theorie wichtiger als die Praxis.
Mal wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden oder warum diese Polemik und Diffamierung, Scholzen? Habe Ihrer Meinung meine Sichtweise gegenüber gestellt, sonst nichts.
Das amerikanische Zweiparteiensystem hat sicher in der Geschichte zu Stabilität geführt, die als Grundlage für die wirtschaftliche und militärische Entwicklung des Landes notwendig war. Jetzt scheint dieses System überholt und trägt zur Spaltung der Gesellschaft und zur Erosion der Demokratie bei.
Das muss man nicht so sehen, kann man aber.