Fehler sind menschlich. Jedem von uns unterlaufen mal Fehler. Das ist nicht das Problem. Dass bei den Wahlen am 9. Juni falsche Stimmkarten in den Wahlbüros ausgegeben wurden, wodurch Jugendliche auch für die Regional- und Föderalwahlen abstimmen konnten, obwohl sie nur für die Europawahl hätten stimmen dürfen, ist zwar bedauerlich. Aber ist eben ein Fehler, der mal passieren kann. Falls das nicht absichtlich passiert ist, wird niemand stolz darauf sein, so einen Fehler gemacht zu haben.
Und darum geht es ja auch eigentlich nicht. Sondern es geht jetzt darum, was wir am Donnerstag wieder erleben mussten: Die Menschen, die bei dieser Wahl gewählt worden sind, diese Politiker sollen jetzt selbst entscheiden, ob diese Wahl gültig ist oder nicht. Überspitzt formuliert ist das so, als ob ein Angeklagter vor Gericht selbst beurteilen soll, ob er schuldig ist oder nicht. Es bedarf da schon viel Idealismus und Selbstverleugnung, um in so einer Situation objektiv zu bleiben.
Deshalb wäre es gut, die Politiker, die frisch gewählten Abgeordneten, von dieser Last zu befreien. Nicht diese frisch gewählten Abgeordneten sollten darüber entscheiden, ob bei ihrer Wahl alles mit rechten Dingen abgelaufen ist - sondern eine neutrale, von der Politik unabhängige Einrichtung. Die Mitglieder einer solchen Einrichtung hätten einen freien Blick auf die Dinge. Sie könnten, wie vor Gericht, neutral urteilen aufgrund von Kriterien, die nichts mit einer persönlichen Betroffenheit zu tun haben.
Dass die Verfassung so etwas nicht vorsieht, sollte kein Hinderungsgrund sein. Denn der Artikel 48, der in der Verfassung die Überprüfung der Wahlen regelt, ist zur Veränderung freigegeben in der anstehenden Legislaturperiode. Und das übrigens nicht ohne Grund. 2020 nämlich hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Belgien wegen seines Systems der Wahlüberprüfung verurteilt.
Die Politiker in der Kammer sollten jetzt also zur Tat schreiten. Der Artikel 48 gehört geändert. Eine neutrale Instanz, eine Wahlkommission oder - warum nicht - der Verfassungsgerichtshof sollte über die Rechtmäßigkeit von Wahlen entscheiden. Nach Kriterien, die aufgestellt werden müssen und als Richtschnur für Entscheidungen gelten.
Das wäre auch ein Dienst an der Demokratie. Denn es würde die Politiker von dem Verdacht freisprechen, nur zu ihrem eigenen Vorteil zu handeln.
Bleibt trotzdem die Frage, wie jetzt umgehen mit dem aktuellen Fehler? Mit den falsch abgegebenen Stimmen? Klar ist das nicht gut, und vielleicht hat es der ein oder anderen Partei tatsächlich einen Sitz gekostet. Wissen kann man das aber nicht. Weshalb der Vorfall vielleicht auch besser unter die Kategorie einzuordnen ist: Ein Fehler, mit dem man leben muss. Aber aus dem man eben lernen sollte. Unbedingt.
Und in Zukunft könnte dann die neue, neutrale Einrichtung mit ihren festgelegten Kriterien entscheiden: Neuauszählung, Neuwahlen, oder alles belassen, wie es ist. Noch gibt es solche Kriterien nicht, gibt es so eine neutrale Einrichtung nicht. Bei den nächsten Föderal-, Regional- und Europawahlen sollte das anders sein.
Kay Wagner
Es ist nie glaubwürdig, wenn man in eigener Sache entscheidet. Das Verfassungsgericht wäre die beste Lösung.
Darüber hinaus sollten auch die Bezüge der Amtsträger auch von einer neutralen Instanz festgelegt werden. Einer Paritätischen Kommission wie für jeden Arbeitnehmer, besetzt zur Hälfte aus steuerzahlenden Bürgern (=Arbeitgeber) und zur Hälfte aus ehemaligen Amtsträgern (=Arbeitnehmer).