Fast fehlen einem die Worte, um das zu beschreiben, was die EU-Kommission als Gaspreisdeckel vorschlägt. Hätten diese Vorschläge schon am Anfang der Energiepreiskrise gegolten, also vor gut einem Jahr, dann hätte dieser Gaspreisdeckel bislang keinen einzigen EU-Bürger oder Betrieb vor den immens hohen Kosten für Gas und Strom bewahrt. Denn der Gaspreisdeckel hätte noch nie greifen müssen. Zu niedrig waren bislang die Gaspreise dafür. So hoch hängt die Kommission die Latte für den Deckel.
Kaum verwunderlich, wie daraufhin die Reaktionen derjenigen ausfallen, die auf den Gaspreisdeckel der EU gehofft hatten. Polens Energieministerin zum Beispiel sprach von einem "Witz", ihr griechischer Kollege nannte die Vorschläge "reine Zeitverschwendung". In der Kammer fielen am Donnerstag Worte wie "ein Schlag ins Gesicht" oder - man verzeihe den vulgären, aber durchaus passenden Ausdruck - "ein Fuck You der EU-Kommission" gegenüber allen, die darauf gewartet haben. Und das sind immerhin 15 EU-Mitgliedstaaten. Mehr als die Hälfte. Darunter auch Belgien.
Man kann sich nur verwundert fragen, was die EU-Kommission bei ihrem Vorschlag geritten hat. Sind die verantwortlichen Mitarbeiter dort schon so verblendet und entfernt jeglicher Realität, dass ihnen gar nicht aufgefallen ist, was für einen Unsinn sie da vorschlagen?
Oder ist es doch der große Widerwille der EU-Kommission, in den freien Lauf der Marktwirtschaft einzugreifen? Der Markt, die heilige Kuh der Kommission - und der Preisdeckel da nur eine Art Feigenblatt?
Oder haben Deutschland und seine Verbündeten hinter den Kulissen Druck ausgeübt? Deutschland, das bei sich im eigenen Land eine milliardenschwere Gaspreisbremse einführt, aber vor einem EU-Gaspreisdeckel warnt?
Oder haben vielleicht noch ganz Andere hinter den Kulissen Druck gemacht? Man denkt sofort an Energiekonzerne, Energielieferanten und Co.
Fakt ist: Belgien steht jetzt im Regen da. Premierminister Alexander De Croo hatte von Anfang an auf die europäische Solidarität gesetzt. Er hatte die EU-Karte gespielt, was ihn ehrt. Denn besser gemeinsam handeln als jeder für sich allein. Das ist doch auch die Grundidee der EU.
Beim Gaspreis anscheinend nicht, denn jetzt wird De Croo mit seiner Überzeugung einfach von der EU im Stich gelassen. Zumindest von der EU-Kommission. Arrogant und unsolidarisch.
Für Bürger und Betriebe in Belgien bedeutet das zunächst weiter keine Hilfe bei den hohen Energierechnungen. Und wann spürbare und dauerhafte Entlastungen jetzt kommen werden, ist unsicher. Denn ob der überarbeitete Vorschlag der EU-Kommission zum Gaspreisdeckel deutlich besser ausfallen wird als der bisherige, darf bezweifelt werden.
Kay Wagner