Ganz ehrlich wusste ich nicht so richtig, was ich davon halten sollte, als vor ein paar Tagen ein alter amerikanischer Militärlaster an mir vorbeibrauste, vermutlich auf dem Weg zu irgendeinem Sammlertreffen oder Reenactment, wie die Nachstellung historischer Kampfszenen genannt wird. Von "Kriegsspiel" wollen die Veranstalter nichts wissen.
Wenn dann eine wallonische Zeitung hervorhebt, dass bei einem solchen Reenactment in Stavelot sogar deutsche Darsteller und "des Germanophones" in amerikanische Uniformen schlüpften, was die Kollegin als drollig beschreibt und als Friedensbeweis wertet, fällt mir zu einer so dummen Einschätzung nichts mehr ein.
Den alliierten Streitkräften dafür zu danken, dass sie Europa vom menschenverachtenden Nazi-Regime befreit haben, ist selbstverständlich. Im Extremfall führt das zu einer Glorifizierung, wie sie mir bei einer Ausstellung in Büllingen unter die Augen kam: General Patton gleich mehrfach in Heldenpose, umrahmt von Weißkopfseeadlern und Lady Liberty über den Wolken - über Geschmack lässt sich streiten. Aber was um Himmels willen hat in diesem Panorama das Konterfei von Donald Trump zu suchen?
Erstaunlich immerhin, dass die so lange zurückliegenden Geschehnisse noch auf so großes Interesse stoßen: Sei es bei den beschriebenen Reenactments oder Paraden, sei es bei dem Versuch zu erfahren, wie die Menschen die Geschehnisse damals erlebt haben.
Zeitzeugenberichte, die erst mal in kleiner Auflage erscheinen, werden den Autoren förmlich aus der Hand gerissen. Der Dokumentarfilm einer Gruppe junger Leute aus Géromont kommt bei der örtlichen Bevölkerung so gut an, dass schon drei Vorführungen völlig überlaufen waren - im Januar soll eine weitere folgen.
Was suchen die Leute in diesen Geschichten, wo es doch scheint, dass über die Ardennenoffensive schon alles gesagt wurde? Zum einen werden manche Geschichten erst jetzt erzählt und festgehalten. Oft sind es die Enkel, die nachfragen. Zum anderen ist es - bei aller Vorsicht im Umgang mit Erinnerungen - die Nähe in diesen Lebensgeschichten, die greifbare Erfahrung von Schmerz und Leid, von Güte und Glück, von Entbehrung und Unmenschlichkeit.
All das hat auch eine 92-jährige Zeitzeugin erfahren, die wir in dieser Woche treffen durften. Auf die Frage, was sie heute jungen Leuten raten würde, sagte sie: "Das kann man nicht. Jeder muss selber entscheiden, was er tut."
Das haben uns die Zeitzeugen zu sagen. Und das gilt nicht nur für die legendenumwitterte Ardennenoffensive, sondern auch für die Jahre, die dort hingeführt haben, wie eine sinnvolle Ausstellung in St. Vith zeigt. Und, ja, auch für die Zeit nach dem Krieg, die mit pauschaler Verdächtigung, Inhaftierung, Säuberung und ausbleibender Entschädigung in Ostbelgien tiefe Wunden und Narben hinterlassen hat.
Weniger Heldenepos, weniger Folklore, weniger Reenactment täten dem Gedenken gut. Dafür mehr Nachdenken, mehr Einfühlungsvermögen, mehr Demut. So wie sie ein deutscher Soldat empfunden haben muss, der bei der Belagerung von Bastogne im Winter 1944 auf eine Schultafel die Botschaft schrieb: "Möge die Welt nie wieder ein solches Weihnachten erleben!"
Stephan Pesch
Ausgezeichneter, wohltuender Kommentar!
Guter Kommentar Herr Pesch.
"Nie wieder !" ist eine abgedroschene Phrase. Ist ein Ausdruck der Heuchelei. Man hat ja nichts gelernt aus dem Leid des 2. Weltkrieges.
Sarajevo oder Srebrenica sind nur zwei Beispiele von sovielen, wo diejenigen, die vollmundig bei Sonntagsreden "Nie wieder!" sagten, klaeglich versagt haben. Es waere ehrlicher zu sagen : "schon wieder !".
Was genau hat es mit dem Bild des amerikanischen Präsidenten in der Ausstellung auf sich?
Wenn es um abgedroschenen Phrasen und Heuchelei geht, M. Scholzen Eimerscheid, sollten sie einmal ihre unzähligen Kommentare hier in aller Ruhe nachlesen. Darin finden sie viel von dem.