War das geplant, oder waren die Reaktionen eher ein Zufall? 4.000 Kilometer neue Hecken sollen in den nächsten fünf Jahren in der Wallonischen Region gepflanzt werden. Fast zwei Kilometer pro Tag. Wasser soll in Restaurants der Wallonischen Region kostenlos aufgetischt werden. Zwei Schlagzeilen, die für viel Gesprächsstoff gesorgt haben – und vor allem vom Kern der neuen Regierungspolitik ablenken.
Man setzt konsequent auf neue Verschuldung. Es sollen Milliarden investiert werden - ohne Steuern zu erhöhen. Ausgeglichene Haushalte? Nicht vor 2024. Die Rechnung ist für später.
Die neue wallonische Regierung verteilt Geschenke. Das erklärt auch, dass sich kaum ein Koalitionspartner genötigt sah, Kompromisse zu rechtfertigen. Alle Koalitionspartner konnten damit prahlen, fette Beute an Land gezogen zu haben.
Die Gunst der Stunde will, dass Mario Draghi auf den letzten Metern seiner Amtszeit als EZB-Präsident den Geldhahn noch größer aufgedreht hat. Für die Euro-Staaten hat es den Vorteil, dass sie sich billig verschulden können.
Die große Regierungskunst besteht aber darin, auch dafür zu sorgen, dass durch die lockere Geldpolitik Reiche nicht noch reicher werden, während der Großteil der Bevölkerung deutlich weniger profitiert. Mit einem Glas Wasser wird man die Herzen der Wähler jedenfalls nicht gewinnen.
Man kann nur hoffen, dass die Gießkannenpolitik an der richtigen Stelle wässert. Denn Wirtschaft und Beschäftigung sollen auch gedeihen. Und das bringt uns zu der Ebene, die noch auf eine Regierung wartet.
Im Norden des Landes dürften einige Politiker nervös geworden sein. Vor allem weil der neue wallonische Ministerpräsident Elio Di Rupo es geschafft hat, mit Ecolo einen Koalitionspartner mit ins Boot zu nehmen, den man rechnerisch gar nicht braucht und jederzeit wieder abstoßen kann.
Dahinter soll ein größerer Plan stecken. PS-Chef Di Rupo sinnt auf Rache, heißt es. Rache dafür, dass die N-VA ihn 2014 in die Opposition geschickt hat, obwohl er Premierminister einer Regierungskoalition war, die damals bei den Wahlen gar nicht schlecht abgeschnitten hatte.
Gut möglich, dass sich diesmal N-VA-Chef Bart De Wever verzockt hat. Vor der Wahl und nach der Wahl. Im Wahlkampf hatte er vehement vor einem grünen Steuer-Tsunami gewarnt. Die Wallonische Regierung zeigt jetzt, dass dies nicht der Fall ist. Nicht nur die PS ist sehr geneigt, den Regenbogen auch auf föderaler Ebene wieder aufgehen zu lassen. Lieber ohne die N-VA weitere Schulden machen und ins Land investieren, als mit ihr Richtung Konföderalismus zu sanieren. Eine verlockende Option.
De Wevers zweiter Fehler könnte sein, dass er das Wahlergebnis bewusst oder unbewusst falsch interpretiert hat. Flandern habe klar flämisch-nationalistisch gestimmt, so seine Lesart. Doch andere haben vielleicht genauer hingeschaut.
Die links- und rechtsextremen Wahlgewinner hatten vor allem mehr Geld für die Bürger versprochen. Und auch jetzt ist die kommunistische PTB mehr damit beschäftigt, eine Kampagne für eine Mindestrente von 1.500 Euro zu führen, als die neue Regierung in Namur zu kritisieren.
Eine Opposition, die mehr Druck auf eine noch nicht existierende Föderalregierung in Brüssel ausübt, als auf die neue in Namur. Das muss man erst mal hinbekommen. Auch damit hat Bart De Wever bestimmt nicht gerechnet.
Doch klar sollte jetzt sein, dass die wallonische Regierung mehr Respekt vor den linksextremen Wählern der Wallonie als vor den rechtsextremen Wählern Flanderns hat.
Manuel Zimmermann