Als vor zweieinhalb Jahren Donald Trump ins Weiße Haus einzog, zweifelten hierzulande viele an ihrem Demokratieverständnis, hatten doch mehr Amerikaner für Hillary Clinton gestimmt. Der neue US-Präsident profitierte vom System der Wahlmänner, das kleinere Bundesstaaten im Verhältnis stärker berücksichtigt.
Am Sonntag haben in der Deutschsprachigen Gemeinschaft 358 Wähler weniger für die bisherige Koalition aus ProDG, SP und PFF gestimmt als für die drei Oppositionsparteien CSP, Vivant und Ecolo. Nur entscheidet das im Verhältniswahlrecht erprobte D'Hondtsche System über die Sitzverteilung. Und da reicht in diesem Fall weniger als die Hälfte der Stimmen, um eine knappe Mehrheit der Sitze zu erreichen.
Vivant-Chef Michael Balter wurde bei seinem Besuch im BRF-Funkhaus am Sonntagabend nicht müde, auf diesen Umstand hinzuweisen. Recht hat er. Schließlich fehlten seiner Partei wie schon vor fünf Jahren nur wenige Wählerstimmen zu einem weiteren Sitz. Diesmal wäre er auf Kosten der leicht rückläufigen SP und der bisherigen Mehrheit gegangen.
Balter weiß selbst nur zu gut, dass er auch bei einem vierten Sitz nicht mehrheitsfähig geworden wäre. Die anderen Parteien wollen nicht mit ihm koalieren. Das wussten vermutlich auch die meisten seiner Wähler. Die Frage ist doch, was jeden vierten Wähler in den Gemeinden Amel, Büllingen und Bütgenbach dazu bewogen hat, Vivant zu wählen. Ganz sicher nicht ein: Weiter so!
Und das gilt, siehe oben, ja auch insgesamt. Oliver Paasch kann sich zwar darauf berufen, dass man sich eine Neuauflage der bisherigen Koalition versprochen habe, falls es rechnerisch hinhaut. Das war übrigens vor 20 Jahren auch so. Da verlor die CSP einen Sitz, ihre aus heutiger Sicht traumhaften neun Sitze hätten aber mit den vieren des Partners SP zur Fortsetzung der Mehrheit gereicht. Nur hörte Karl-Heinz Lambertz einen Ruf nach Erneuerung. Und nahm neben der damals stärkeren PFF, als dem Wahlsieger, noch die Grünen mit ins Boot.
Diesmal sind die Liberalen Wahlverlierer, schlimmer: Klassenletzter. Ecolo gehört zu den Wahlsiegern. Die beiden auszutauschen, würde Paasch zwar keine breitere Mehrheit einbringen, aber die parteiübergreifende Anerkennung, auf den Wahlausgang geschaut zu haben, den Puls gefühlt zu haben.
Die CSP hat sich in einer Pressemitteilung am Montag "dialogbereit" gezeigt, um eine starke und stabile Mehrheit auf die Beine zu stellen, "wenn die Inhalte stimmen". Aber ob sich ProDG darauf einlässt, nachdem sie gerade die Führung übernommen hat?
So oder so sitzt Oliver Paasch am längeren Hebel. Außer Vivant hatte er vor den Wahlen keinen als potenziellen Verhandlungspartner ausgeschlossen. Mit dem Wahlslogan der PFF möchte man ihm zurufen: Na, mutig, Herr Paasch?
Stephan Pesch